Fahrverbote in Tirol: Polizei zwingt 1000 Autofahrer zur Umkehr

Die Polizei hat am Wochenende in Tirol die neuen Fahrverbote auf Ausweichstrecken durch Ortschaften durchgesetzt (Bild: Zeitungsfoto.At/Daniel Liebl/APA/dpa)
Die Polizei hat am Wochenende in Tirol die neuen Fahrverbote auf Ausweichstrecken durch Ortschaften durchgesetzt (Bild: Zeitungsfoto.At/Daniel Liebl/APA/dpa)

In Tirol hat die Polizei am Wochenende die neuen Fahrverbote auf Ausweichstrecken entlang der Brenner- und Inntalautobahn durchgesetzt.

Beamte fingen am Wochenende mehr als tausend Autofahrer an Ausfahrten rund um Innsbruck ab und schickten sie auf die Autobahn zurück. Trotz heftiger Kritik aus Bayern will Tirol die Transit-Fahrverbote für stark befahrene Nebenstrecken noch ausweiten.

Tirol will damit verhindern, dass Autofahrer bei Stau oder zur Umgehung der Maut auf Nebenstrecken durch stark belastete Dörfer ausweichen. Bis zum Ende der Urlaubszeit Mitte September soll das Fahrverbot für Schleichwege an jedem Wochenende gelten.

Schutz der Bevölkerung

“Wir schützen damit unsere Bevölkerung und Gäste vor Ort, während Durchreisende ihren Weg auf der dafür vorgesehenen Route fortsetzen können”, sagte Landeshauptmann Günther Platter am Sonntag. In- und Ausländer müssten sich gleichermaßen daran halten. “Wenn Dörfer vom Ausweichverkehr derart verstopft sind, dass nicht einmal mehr für Einsatzkräfte ein Durchkommen ist, dann ist Handeln gefragt.”

Die Verbote zeigten Wirkung. Es sei “extrem ruhig. Fast schon zu ruhig”, sagte Eva-Maria Wenter, Mitarbeiterin in einer Tankstelle an der Autobahnausfahrt Zirl-Ost, wo sonst der Ausweichverkehr Richtung Natters fährt. “Für unser Geschäft ist es eher weniger gut. Aber für unsere Ortschaften ist es besser.”

Allein an der Ausfahrt Nösslach an der Brennerautobahn seien am Samstag binnen vier Stunden an die 350 Autofahrer zurückgeschickt worden, sagte der stellvertretende Leiter der Landesverkehrsabteilung Tirol, Günther Salzmann. Sie seien Richtung Deutschland unterwegs gewesen und wollten der Maut ausweichen - oder dem starken Verkehr. Die meisten Autofahrer hätten einsichtig reagiert. Einer allerdings fuhr an der Kontrolle vorbei. Die Polizei stoppte ihn - Geldbuße.

Die meisten Fahrer zeigten sich nach Polizeiangaben einsichtig (Bild: Angelika Warmuth/dpa)
Die meisten Fahrer zeigten sich nach Polizeiangaben einsichtig (Bild: Angelika Warmuth/dpa)

Sah sich der eine oder andere Motorradfahrer um schöne Kurvenstrecken gebracht, so blieben andere gelassen. “Wir fahren in den Urlaub”, sagte eine Touristin auf dem Weg nach Italien, als Beamte sie und ihren Begleiter zurückschickten. “Wir haben keinen Stress.”

Navis verraten die Schleichwege

Navis leiten Urlauber über Schleichwege, die früher nur Einheimische kannten. Im Frühjahr sei es extrem gewesen. “Es war tagelang nicht möglich, mit einem Kind die Straße zu überqueren”, sagt Alexandra Virabisi, die an der Dorfstraße in dem Ort Kematen wohnt. Sie ist froh über die Maßnahme.

“Als Mutter von einem Sieben- und einem Vierjährigen finde ich schon, dass jeder, der von Norden nach Süden will, auch in Kauf nehmen muss, im Stau zu stehen - und dass die Anwohner sagen: Jetzt ist die Belastungsgrenze erreicht.” Wer staufrei in den Urlaub wolle, könne auf Bahn oder Flugzeug umsteigen.

Auch Mitarbeiter der Bio-Gärtnerei Blumenpark Seidemann bei Kematen spürten am Samstag die Entlastung: “Alles ruhig, freie Fahrt.” Die Wagen seien zuvor teils Stunden vor der Gärtnerei gestanden. “Wir sind als Mitarbeiter kaum rausgekommen aus dem Parkplatz.” Für den Heimweg habe mancher die dreifache Zeit gebraucht.

Söder zeigt sich verstimmt

Was bei der Bevölkerung gut ankommt, schafft politisch Verstimmung. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kritisierte im “Münchner Merkur”, das Verbot erschwere die Reisefreiheit in der EU. Er forderte eine Klage gegen die Nachbarn. Platter blieb ungerührt - und kündigte eine mögliche Ausweitung auf die Bezirke Kufstein und Reutte an.

Es sei eine Notmaßnahme, um die Verkehrs- und Versorgungssicherheit in den Gemeinden zu erhalten, sagte er der APA. Und: “Es fällt mir auf, dass die Tiroler Maßnahmen in Bayern immer wieder als Majestätsbeleidigung aufgefasst werden.”

Die Fahrverbote gelten an den Wochenenden während der Urlaubszeit (Bild: Zeitungsfoto.At/Daniel Liebl/APA/dpa)
Die Fahrverbote gelten an den Wochenenden während der Urlaubszeit (Bild: Zeitungsfoto.At/Daniel Liebl/APA/dpa)

Verkehrspolitisch sind Deutschland und Österreich in vielen Fragen überkreuz: im Maut-Streit, den Österreich nun für sich entschieden hat, in der Debatte um den Bau einer neuen Bahntrasse im bayerischen Inntal als Zulauf zum Brenner Basistunnel und in der Frage, wie der Lastwagenverkehr über den Brenner eingedämmt werden könnte.

Auch Stau bleibt Dauerthema zwischen den Nachbarn: Die deutschen Grenzkontrollen bei Kiefersfelden schaffen teils kilometerlange Schlangen auf österreichischer Seite. Die Tiroler Blockabfertigung von Lastwagen wiederum belastet den Verkehr auf bayerischer Seite.

Der Kiefersfeldener Bürgermeister Hajo Gruber hofft nun auf Entlastung auch seiner Gemeinde, wenn Platter die Fahrverbote auf den Kufsteiner Raum ausweitet. “Das wäre positiv.”

Scheuer will klagen

Das Bundesverkehrsministerium bereitet nun eine Klage gegen Österreich vor. Ressortchef Andreas Scheuer (CSU) bezeichnete die Blockabfertigungen von Lastwagen an der Tiroler Grenze sowie die Sperrung von Landstraßen für den Ausweichverkehr am Rande der CSU-Vorstandssitzung am Montag in München als “zutiefst diskriminierend”.

“Dieses Verhalten kann ich nur aufs Schärfste zurückweisen”, sagte der Minister. Die Klage werde nun in der großen Koalition in Berlin besprochen. Einen genauen Zeitplan gab es noch nicht. Damit die Klage kommen kann, muss das Kabinett aus CDU/CSU und SPD zustimmen. Söder CSU unterstützt das Vorhaben. Das Verhalten Tirols bezeichnete er als “enttäuschend”. Man wolle im Gespräch mit Österreich bleiben, müsse aber auch die juristische Frage klären.

Mit Blick auf die erfolgreiche Maut-Klage Österreichs gegen Deutschland erklärte Söder: Es könne nicht sein, dass man der Auffassung sei, eine deutsche Maut behindere die Reisefreiheit, aber gleichzeitig Österreich für die Durchfahrt abriegele.