Fahrzeuge und Ladesäulen - Zu wenig von allem: Warum die deutsche Elektroauto-Offensive lahmt

Elektroauto an einer Ladestation<span class="copyright">Viehmann</span>
Elektroauto an einer LadestationViehmann

15 Millionen Elektroautos sollen schon 2030 auf deutschen Straßen fahren und an einer Million Ladesäulen tanken können. Doch bisher sind die Ziele nur zu Bruchteilen erfüllt und die Zeit rennt davon. Daran hakt es.

Was will die Bundesregierung erreichen?

20 Prozent der Co2-äquivalenten Emissionen in Deutschland entfallen auf den Verkehrssektor. Seit 1990 hat sich die Menge des Ausstoßes kaum gemindert. Von 152 Millionen Tonnen im Jahr der Wiedervereinigung ging es auf 142 Millionen Tonnen im Jahr 2022 nach unten. Das muss sich schleunigst ändern, denn schon 2030 sollen die gesamten Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Der Verkehrssektor hat auf dem Weg dahin also erst 6,6 Prozent zurückgelegt.

Innerhalb des Bereiches machen Pkw rund 60 Prozent aller Emissionen aus, müssen also auch den Löwenanteil der Einsparung tragen. Die Bundesregierung hat dafür im Klimaschutzgesetz von 2019 – damals noch unter der Großen Koalition – Maßnahmen und Ziele entwickelt. Die Ampel-Koalition arbeitet derzeit noch daran, diese zu verschärfen. Sie sehen etwa vor, dass im Jahr 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrisch betriebene Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen unterwegs sein sollen. Hinzu kommen rund eine Million öffentliche Ladepunkte. Von beiden Zielen ist Deutschland aber noch weit entfernt. Woran das liegt, zeigen wir im Detail.

1. Elektroautos

Im April 2024 fuhren rund 1,5 Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen. Um in sechs Jahren zehnmal so viele zu sehen, müssten ab sofort pro Jahr rund 1,2 Millionen neu zugelassen werden. Von solchen Zahlen sind wir aber weit entfernt. Vergangenes Jahr kamen nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes 524.219 Elektroautos neu hinzu. Das war ein Rekord, der so schnell nicht wiederholt wird. Dieses Jahr liegen die Zulassungszahlen bei rund 30.000 pro Monat, was also rund 360.000 für das gesamte Jahr bedeuten würde.

Das deutliche Minus kommt daher, dass die Bundesregierung Ende vergangenen Jahres die bisherige Förderung von Elektroautos stoppte. Über den „Umweltbonus“ bekamen Käufer zuvor einen Zuschuss von maximal 4500 Euro vom Staat und 2250 Euro vom Hersteller, zusammen also maximal 6750 Euro. Das Förderprogramm, mit dem seit 2016 mehr als zwei Millionen Elektroautos belohnt wurden, fiel dem Chaos rund um den Klima- und Transformationsfonds (KTF) zum Opfer. Zuvor hatte die Ampel-Koalition die Bedingungen aber schon verschärft. So wurden seit Januar 2023 keine Hybrid-Fahrzeuge mehr gefördert und seit September nur noch privat genutzte Pkw. Allerdings war der Umweltbonus zuvor auch umstritten. Kritiker wie der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und der ADAC bemängelten, dass damit primär Wohlhabende unterstützt würden, die sich den Kauf eines Neuwagens leisten könnten – wenngleich in kleinerem Maße auch der Kauf von Gebrauchtwagen gefördert wurde.

Das Problem: In der Anschaffung sind Elektroautos meist deutlich teurer als ihre Verbrenner-Konkurrenten. Das liegt an der meist teuren Batterie. Auch wenn die Preise für die Herstellung von Akkus jedes Jahr sinken, liegen sie derzeit noch hoch und verteuern damit auch Elektroautos deutlich. Zwar amortisiert sich dieser Nachteil nach einer Untersuchung des ADAC in vielen Fällen später wieder, weil Elektroautos im Betrieb günstiger sind, das gilt aber längst nicht für jedes Modell und Nutzungsszenario. Unter diesen Umständen gibt es für Privatleute kaum einen Anreiz, beim Kauf eines Neuwagens das Elektroauto dem Verbrenner vorzuziehen.

Das wird sich zwar in den kommenden Jahren automatisch dadurch ändern, dass ab 2035 in der EU keine Verbrenner-Autos mehr zugelassen werden dürfen, aber der Anteil an Elektroautos wird bis dahin wohl nur langsam steigen – auf jeden Fall zu langsam, um das Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 zu erreichen. „Das Ziel erscheint momentan utopisch“, urteilt deswegen auch der ADAC. Theoretisch müssten ab sofort mehr als die Hälfte aller in Deutschland neu zugelassenen Pkw reine Elektroautos sein – in der Realität liegt der Anteil dieses Jahr bei rund 12 Prozent. So schätzt der ADAC denn die Zahl an E-Autos im Jahr 2030 auch nur auf 7 bis 10 Millionen. Das Umweltbundesamt geht etwas optimistischer noch von 10,7 Millionen aus.

Um die Verkaufszahlen zu steigern, müssen also Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung her. Zwei kleine wurden im Juli beschlossen. Die Steuerbefreiung für Elektroautos von der Kfz-Steuer bleibt die Ende 2030 bestehen. Zudem werden Unternehmen steuerbegünstigt, wenn sie Elektroautos als Dienstwagen anschaffen. Das Limit dafür wurde schrittweise hochgesetzt, jetzt werden Elektroautos bis 90.000 Euro Listenpreis bevorzugt, zuvor waren es maximal 60.000 Euro.

Reichen wird das nicht. Als größere Maßnahme schlägt die Umwelthilfe deswegen vor, die Kfz-Steuer stärker am Schadstoffausstoß eines Pkw zu orientieren und Verbrenner so deutlich teurer im Betrieb zu machen. Indirekt wird das bereits durch den steigenden Co2-Preis in den kommenden Jahren passieren. Schon dieses Jahr wird sich der durchschnittliche Liter Benzin nach Angaben des ADAC dadurch um 4,3 Cent gegenüber dem Vorjahr verteuern, Diesel steigt um 4,7 Cent pro Liter.

2. Ladeinfrastruktur

Auch bei der Anzahl an Ladesäulen für Elektroautos sieht es bisher mau aus. Gerade einmal 112.179 gab es Ende vergangenen Jahres. Damit kamen nur rund 40.000 hinzu. Dieses Jahr sind es bisher sogar nur rund 16.000. Die Zahlen stammen von der Bundesnetzagentur, die die Infrastruktur verwaltet. Um das Ziel von einer Million öffentlicher Ladesäulen zu erreichen, müssten aber pro Jahr rund 127.000 neue Säulen entstehen. Dafür sieht es aber mau aus. Zwar fördert der Bund den Bau neuer Ladestationen, allerdings nicht in ausreichendem Maße. Von 2017 bis 2021 wurden lediglich 40.000 Säulen, darunter 10.000 Schnelladestationen, gefördert. Bis 2025 läuft ein neues Förderprogramm, dass 500 statt 300 Millionen Euro zur Verfügung stellt – ebenfalls zu wenig für die ehrgeizigen Ziele. Im gerade erst beschlossenen Wachstumspaket hat die Bundesregierung den Bau von 9000 Schnellladepunkte an Autobahnen und Bundesstraßen beschlossen. Sie werden direkt vom Bundesverkehrsministerium bis 2026 für 2,3 Milliarden Euro gebaut.

Dass generell so wenige Ladesäulen entstehen, ist fast ausschließlich schuld der Politik. Die behördlichen Regelungen für den Bau einer Station sind kompliziert. Eine Säule muss diversen baurechtlichen Anforderungen genügen, dann muss der Betreiber nachweisen, woher der Strom kommt, manchmal wird ein Anbieter durch eine einzelne Ladesäule zum lokalen Stromproduzenten oder gar Netzbetreiber – selbst, wenn es nur um ein Mini-Netz auf dem eigenen Grundstück geht. Das zieht weitere rechtliche Vorgaben nach sich.

Hinzu kommen die Kosten. Allein Kauf und Installation schlagen mit 10.000 bis 20.000 Euro zu Buche, je nachdem, ob etwa Erdarbeiten erforderlich sind. Hinzu kommen Betriebskosten von mehreren hundert Euro pro Jahr für Betrieb und Wartung. Und dann muss ein Betreiber natürlich noch den Strom einkaufen, den er dann über seine Ladesäule an Autofahrer verkauft. Für den wiederum zahlt er wiederum auch Netzentgelte und beim Verkauf Umsatzsteuer. So liegen denn die Preise fürs Laden auch bei 50 bis 90 Cent pro Kilowattstunde je nach Betreiber, wie der ADAC in einem aktuellen Vergleich ermittelt hat. Zum Vergleich: An der heimischen privaten Wallbox könnten Sie für durchschnittlich 27 bis 43 Cent pro Kilowattstunde. Wer seinen Strom etwa mit einer Photovoltaikanlage selbst produziert, spart noch mehr.

Der Bau öffentlicher Ladesäulen ist aber, wenn es nicht um Autobahnen oder Bundesstraßen geht, meist Sache von Kommunen. Die scheuen sich in Zeiten klammer Kasse in den meisten Gemeinden vor den Ausgaben. Zudem ergibt sich ein Teufelskreis: Weil es zu wenig Ladestationen gibt, entscheiden sich viele Käufer gegen ein Elektroauto. Wenn weniger Elektroautos verkauft werden, entscheiden sich Investoren aber auch gegen den Bau von Ladestationen – und so weiter.

Die Bundesregierung möchte dem Dilemma mit einer Pflicht begegnen. So müssen Betreiber von Tankstellenketten ab 2028 auch Ladestationen anbieten. Vorgeschrieben ist grob gesagt eine Station pro Tankstelle, wobei das tatsächliche Angebot variieren kann. So wären etwa auch zwei Ladestationen an einer Tankstelle und eine andere ohne Säule möglich. Zudem soll es Ausnahmen geben, wenn die Installation einer Säule zu aufwendig oder teuer wäre. Die Bundesregierung rechnet dadurch mit 8000 neuen Schnellladesäulen.

Zudem sollen schon bis Ende 2026 an 75 Prozent aller Tankstellen Ladestationen stehen. Bevor Sie in Jubelstürme ausbrechen, bei rund 14.400 Tankstellen in Deutschland wären das nur rund 11.000 Säulen. Nicht alle davon müssen neu gebaut werden, schließlich existieren auch heute schon an einigen Tankstellen Ladestationen.

Bei Ladesäulen ist Deutschland aber nicht nur auf das öffentliche Angebot reduziert. Schließlich kann sich jeder auch daheim eine Ladestation einrichten, was bei Neubauten auch immer häufiger geschieht. Allerdings gibt es keinen Überblick darüber, wie viele Ladestationen auf diese Weise schon entstanden sind. Das Bundesverkehrsministerium gibt lediglich an, bisher den Bau von rund 690.000 Wallboxen gefördert zu haben. Bei einer pro Haushalt wäre das eine Abdeckung von rund 1,7 Prozent. Die genaue Zahl ist unbekannt, weil private Wallboxen nur dem lokalen Netzbetreiber gemeldet werden müssen. Daher erfasst niemand die bundesweiten Zahlen.

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