Fallmanagerin übt Kritik - „Kann machen, was man will“: Jobcenter-Mitarbeiterin enthüllt heftige Bürgergeld-Fälle
Das Bürgergeld sorgt seit der Einführung im Jahr 2023 für politische Debatten. Nun spricht eine Fallmanagerin eines Jobcenters über ihre Arbeit. Sie gibt dabei schonungslose Einblicke und spricht über besonders schockierende Fälle.
So habe die Fallmanagerin, die unerkannt bleiben möchte, manche Kunden seit mehr als sechs Jahren nicht mehr persönlich gesehen. Zudem habe sie aktuell viele Fälle, in denen sie die Personen nicht mehr erreicht.
So auch bei einer Familie mit derzeit fünf Kindern, ein weiteres ist unterwegs. „Mit dem ersten Kind hat sie aufgehört zu arbeiten, er schloss sich beim dritten Kind an. Beide haben die Mittlere Reife und eine abgeschlossene Ausbildung in Berufsfeldern mit Fachkräftebedarf“, sagt die Fallmanagerin in einem Interview mit der „Welt“ . „Das letzte Gespräch mit ihr fand vor zwei Jahren statt, mit ihm vor fünf.“
Als ihr dann ein Arbeitskollege erzählte, dass er und seine Frau sich ein drittes Kind wünschen würden, sich dieses aber nicht leisten könnten, löse der Gedanke an das genannte Paar aus ihrem Kundenkreis Unverständnis in ihr aus. „ Das Bürgergeld ist nicht da, um die Lebensplanung zu verwirklichen. Da drängt sich mir die Frage auf: Hat hier jeder Narrenfreiheit?“
„Totalverweigerer sollten keinen Anspruch haben"
Dabei kritisierte die Jobcenter-Mitarbeiterin die fehlenden Sanktionen im Bürgergeld, da sie kaum Wirkung zeigen. Das liege vor allem daran, dass ein Bezieher nur bei der Ablehnung einer zumutbaren Arbeit zu 100 Prozent bestraft wird. „Dieser Fall ist so konstruiert, dass er in der Praxis nicht vorkommt“, betont sie und sagt weiter: „Eigentlich ist das Bürgergeld ein bedingungsloses Grundeinkommen durch die Hintertür. Man kann machen, was man will, es wird weitergezahlt.“
Auf die Frage, ob sich durch das von Arbeitsminister Hubertus Heil Ende 2023 angekündigte härtere Vorgehen gegen Verweigerer etwas verändert habe, antwortet sie klar und deutlich. „Nichts. Aktuelle Möglichkeiten: keine.“
Mit Blick auf die vorherigen Sanktionsregeln bei Hartz IV betont die Fallmanagerin, dass sie zu diesen wieder zurückkehren würde. „Ich muss als Fallmanagerin die Möglichkeit haben, das Bürgergeld komplett zu streichen, wenn ein Kunde die Arbeit verweigert und sich monatelang nicht bei mir meldet“, sagt sie im „Welt“-Interview weiter.
„Totalverweigerer sollten keinen Anspruch haben, denn ihr Bürgergeld wird unter anderem finanziert von der alleinerziehenden Krankenschwester, die 40 Stunden arbeiten geht.“
Jobcenter-Mitarbeiterin macht radikalen Vorschlag: „Keine Sprachkenntnis, kein Bürgergeld“
Zudem würde sie Deutschkenntnisse als Bedingung für das Bürgergeld einführen. Als, Beispiel nennt sie Dänemark wo die Höhe der Leistungen an das Sprachniveau. Dort seien die Asylanträge dadurch zurückgegangen. Anders in Deutschland „das niedrigschwellige Bürgergeld als Magnet wirke. “44 Prozent meiner erwerbsfähigen Kunden haben Migrationshintergrund. Die meisten davon verfügen nicht über Deutschkenntnisse, die für ein Beratungsgespräch ausreichen." Ihre Idee: „Keine Sprachkenntnis, kein Bürgergeld.“
Doch an eine Veränderung am Bürgergeld glaubt die Fallmanagerin seitens der Politik nicht. „Die Politiker leben an der Realität vorbei, unsere Führungsebene genauso. Die haben keine Ahnung, was bei uns vorgeht und mit welchen Menschen wir zu tun haben."