Fast jeder 10. Deutsche betroffen - Neurologe: Migräne kann weit mehr als Kopfschmerz verursachen

Migräne verstehen und behandeln: Experten enthüllen effektive Strategien<span class="copyright">Getty Images/ PhotoAlto/Frederic Cirou</span>
Migräne verstehen und behandeln: Experten enthüllen effektive StrategienGetty Images/ PhotoAlto/Frederic Cirou

Bis zu jeder 10. Deutsche leidet unter Migräne. Doch nicht jeder weiß, dass diese Erkrankung weit mehr als nur Kopfschmerzen verursachen kann. Neurologe Mimoun Azizi erklärt, wie die Krankheit mit psychischen Problemen zusammenhängen könnte - und was Betroffenen hilft.

Migräne ist eine ernsthafte neurologische Erkrankung, die weit mehr als nur Kopfschmerzen verursacht. Sie betrifft etwa 8 bis 10 Prozent der Bevölkerung in Deutschland und äußert sich durch Symptome wie einseitig pochende Schmerzen, Licht-, Geruchs- und Geräuschempfindlichkeit, Sehstörungen und Übelkeit. Die Akuttherapie umfasst in der Regel Schmerzmittel, wobei eine falsche Dosierung und dauerhafte Einnahme zu Medikamentenabhängigkeit führen kann.

Zur konventionellen Prophylaxe gehören Antiepileptika, Antidepressiva, Betablocker und Botulinumtoxin-Injektionen. Darüber hinaus können Ausdauersport, Verhaltenstherapie, Entspannungsübungen und Bio-Feedback als Therapieformen genutzt werden.

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Eine innovative vorbeugende Therapie ist die Selbstinjektion spezieller Antikörper, die das Schmerzprotein CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) ausschalten. Dieses Protein ist für die Schmerzweitergabe an die Nerven verantwortlich und seine Blockade kann die Entstehung des Migräneschmerzes verhindern.

Die Anwendung erfolgt einmal monatlich durch Autoinjektion des Patienten selbst und soll dazu beitragen, akute Schmerzphasen langfristig zu umgehen bzw. zu vermeiden. Ein Vorteil dieser Therapie ist ihr geringeres Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu anderen Präparaten.

 

Migräne ist eine komplexe Erkrankung, die oft mit psychischen Störungen einhergeht. Besonders häufig sind depressive Erkrankungen, Major Depression und bipolare Störungen.

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Darüber hinaus treten diffuse Angststörungen und posttraumatische Belastungsstörungen im Zusammenhang mit Migräne häufiger auf. Die Wahrscheinlichkeit, als Migränepatient unter einer psychischen Erkrankung zu leiden, steigt mit der Dauer und Häufigkeit der Attacken. Diese psychischen Störungen können die Intensität und Dauer der Migräneattacken verstärken oder verlängern und erhöhen das Risiko eines Medikamentenmissbrauchs.

Im Hinblick auf das Krankheitsbild der Depression wissen wir, dass diese Erkrankung bei Patientinnen mit Migräne häufiger auftritt als dies in der Normalbevölkerung der Fall ist. Depressionen können die Migräneattacken triggern und Migräneattacken können die depressive Erkrankung verstärken. So kann es dazu kommen, dass es in beiden Fällen zur Chronifizierung kommt.

Die Folge für die Betroffenen ist verheerend. Die Teilhabe am Leben ist massiv beeinträchtigt oder gar nicht mehr gegeben. Das betrifft den Beruf wie auch das Familienleben.

Darüber hinaus neigen Migränepatientinnen häufiger dazu, an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erkranken als Menschen ohne Migräne. Die genauen Ursachen dafür sind noch nicht geklärt, aber es wird vermutet, dass eine hormonelle Dysbalance eine Rolle spielen könnte.

  

Die Korrelation zwischen Migräne und psychischen Krankheiten könnte auf eine gemeinsame Pathophysiologie hinweisen, was bedeutet, dass die Mechanismen, die zu diesen Erkrankungen führen, möglicherweise miteinander verknüpft sind.

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Eine mögliche Ursache für diese Verbindung könnte in Störungen der Transmitterfunktion liegen. Diese Annahme wird durch den erfolgreichen Einsatz von Antidepressiva zur Behandlung sowohl von Migräne als auch von psychischen Erkrankungen unterstützt.

Darüber hinaus könnten genetische Faktoren und Neuroinflammation - eine Entzündungsreaktion im Nervensystem - ebenfalls eine Rolle spielen. Es wird zunehmend erkannt, dass auch Lebensereignisse wie familiärer oder beruflicher Stress als potenzielle Auslöser für diese Erkrankungen dienen können.

Die frühzeitige Erkennung psychischer Komorbiditäten bei Migränepatientinnen ist von entscheidender Bedeutung, um eine effektive Behandlung zu ermöglichen. Dies erfordert eine gründliche klinische Anamnese, um diese Erkrankungen, die in den frühen Stadien leicht übersehen werden könnten, zu identifizieren.

Die erfolgreiche Behandlung der psychischen Komorbidität kann oft dazu führen, dass die Intensität und Häufigkeit der Migräneattacken abnehmen. Daher ist es unerlässlich, diese Zustände rechtzeitig zu erkennen und angemessen zu behandeln.

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Eine empfohlene Vorgehensweise in solchen Fällen ist eine Kombinationstherapie aus Antidepressiva und Psychotherapie, ergänzt durch körperliche Aktivitäten nach Absprache mit dem behandelnden Arzt. Die Verwendung von Antidepressiva zur Behandlung von Depressionen kann auch positive Auswirkungen auf die Migräne haben, da sie sich als wirksam gegen Migräne erwiesen haben und daher zur Behandlung beider Zustände eingesetzt werden können.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass es auch andere Therapieformen für Depressionen und Migräne gibt.