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FC Bayern: Alles wieder gut? Von wegen ...

Der FC Bayern reist unter der Woche zum Spiel gegen AEK Athen. Im Gepäck haben die Münchner weiterhin viele Fragezeichen, die auch der Sieg gegen Wolfsburg nicht verwischen konnte.

Robert Lewandowski erzielte gegen Wolfsburg einen Doppelpack. Bild: Getty Images
Robert Lewandowski erzielte gegen Wolfsburg einen Doppelpack. Bild: Getty Images

Niko Kovac hatte das große Problem schon lange vor der Reise nach Niedersachsen identifiziert. Fast mantraartig hatte der Trainer des FC Bayern in den vergangenen Wochen vom fehlenden „Quäntchen Glück“ gesprochen, dessen Abwesenheit den Rekordmeister in seine prekäre Lage gebracht hatte. Am Samstagnachmittag war dieses Quäntchen zurück, genauer gesagt trug es ein rotes Jersey mit der Nummer 9 auf dem Rücken. Robert Lewandowski beendete den eigenen Negativlauf und den seines Klubs mit zwei Toren und einer Vorlage beim 3:1 gegen Wolfsburg mit einem Streich.

Die Talfahrt von vier Spielen ohne FCB-Erfolg ist also beendet. Seit der Triplesaison, die ja so etwas wie eine neue Zeitrechnung bei den Bayern markierte, hatte es eine derartige Unserie erst zweimal gegeben. Einmal im Jahr 3 n.Tr. (nach Triple), also 2015, und zuletzt im Jahr 5 n.Tr., also April des vergangenen Jahres. Da waren es gleich fünf Partien ohne Sieg, wobei drei davon auf das Konto von Real Madrid (2) und Borussia Dortmund gingen, und nicht des FC Augsburg oder Ajax Amsterdam.

Zur Normalität ist der Rekordmeister dank des einen Sieges aber bei Weitem noch nicht zurückgekehrt. Ja, die Bayern waren gegen Wolfsburg gut und ließen sich auch nicht von einem doppelten Rückschlag in Halbzeit zwei (Arjen Robbens Platzverweis und Wolfsburgs Anschlusstreffer zum 1:2 binnen sechs Minuten) aus der Ruhe bringen. Dass das 3:1-Endergebnis das Resultat einer individuell um Klassen besser besetzten Mannschaft war, und nicht das einer großen Spielidee oder der Leichtigkeit des Saisonanfangs, war allen Beteiligten am Samstag ob der Rahmenbedingungen zurecht herzlich wurscht.

“Torhüter des Gegners müssten vielleicht mal ein bisschen schlechter sein”

Auch für Niko Kovac, dessen Bayern-Tauglichkeit zuletzt fleißig in Frage gestellt wurde, war der Sieg beim VfL eine Befreiung. Zumindest vorerst. Der Trainer hatte sich noch auf der Pressekonferenz vor dem Spiel viel Detailarbeit in Sachen Taktik attestiert (so viel, dass er nicht einmal dazu gekommen war, sich zu rasieren, wie er grinsend anmerkte). Das wurde dann aber etwas konterkariert von einigen sonderbaren Sätzen: wenn Bayerns (zurecht) aberkannte Abseitstore in den erfolglosen Spielen wegen der “Kalibrierung” eben nicht als regelwidrig entlarvt worden wären, “dann würden wir anders reden”; oder, dass “die Torhüter des Gegners vielleicht mal ein bisschen schlechter sein” müssten, “dann klappt das schon wieder”. Und als Kovac danach gefragt wurde, wie er zu zusätzlichem Physiotraining der Spieler außerhalb des Klubs stehe, da hielt er das für eher kontraproduktiv. “Macht das jemand bei uns?”, fragte er. “Ja, ein paar.” “Einige.” “Viele”, erklärten ihm die Reporter und lachten. Kovac machte nicht den Eindruck, also habe er einen Masterplan in der Schublade, an dem es nur noch an Details zu schrauben gibt.

Innerhalb der Mannschaft schleppen die Münchner zudem ein ziemlich paradoxes Problem mit sich herum. Zum einen ist der Kader, auch wegen vieler Verletzungen, zu klein, zum anderen sollen einige Spieler unzufrieden mit ihrer Spielzeit sein. Franck Ribery wird den Münchnern in Athen wegen einer Wirbelblockade fehlen, was die Zahl der Außenstürmer auf genau zwei zusammenschrumpfen lässt: Serge Gnabry und Robben, der seinerseits in der Liga am Samstag gesperrt fehlen wird.

Kovac würde wohl ohnehin rotieren. Das, so sollen es Spieler mehreren Medien gesteckt haben, passt wiederum vielen im Kader nicht. Zu wenig Spielzeit, kein Vertrauen in den Trainer, im Fall von James Rodriguez bereits wieder Abwanderungsgedanken, dazu persönliche Formtiefs – die Stimmung soll sich in Grenzen halten im bayerischen Luxuskader. Robben mahnte seine Kollegen neulich sogar im kicker, keine Interna mehr an die Öffentlichkeit weiterzugeben. “Das Problem ist”, sagte der Niederländer, “wenn du gewinnst, hörst du gar nichts. Wenn du verlierst, kommt eins nach dem anderen. Einmal ist es das Fahrradfahren, dann die Ernährung oder das Training. Lasst uns auf die wichtigen Sachen konzentrieren”.

Kommentar: Die brandgefährliche Doppelmoral des FC Bayern

Breitner fassungslos: “Ich bin deprimiert”

Die wichtigste Sache um die Bayern herum ist aktuell aber auch kein sportliches Thema. Noch immer hallt die denkwürdige Pressekonferenz von Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Hasan Salihamidzic nach. Aber nicht in der Weise, wie es die Bayern-Führung wollte. Sondern eher, weil sie die gereizte Krisenstimmung der Münchner unnötig greifbar machte.


“Dass die Medien zurück kritisieren, war zu erwarten”, sagte Rummenigge vor dem Abflug nach Athen, der dann auch noch Hoeneß tadelte, er habe “mit dem einen Wort (Bernat habe einen “Scheißdreck” gespielt, d.Red.) nicht sehr glücklich gelegen”. Doch waren es nicht nur Medien und Fans, auch ehemalige Spieler reagierten fassungslos auf das Schauspiel an der Säbener Straße. “Ich bin nach wie vor deprimiert”, sagte Paul Breitner, der im Bezug auf die ‘Mia san Mia’-Attitüde eigentlich als besonders schmerzfrei gilt, “weil ich mir nie vorstellen konnte in 48 Jahren, die ich mit oder am Rande des FC Bayern lebe, dass sich dieser Verein diese Blöße gibt. Dass er diese Schwäche zeigt.”

Breitners Worte werden nicht die letzte Reaktion gewesen sein auf eine Pressekonferenz, die mit der Hauptgrund ist, warum Normalität in München erst einmal nicht einziehen wird. Die Bayern schleppen immer noch Brandherde mit sich herum. Die einzige Lösung? Sportlicher Erfolg. Die Chance dazu, und somit auch auf den nächsten kleinen Schritt Richtung ruhigerer Fahrwasser, bietet sich schon am Dienstag.

Dann vielleicht sogar wegen eines guten Fußballspiels. Und nicht, weil der Torwart schlecht war.