FDP-Chef Lindner droht Scholz beim Soli-Abbau mit Verfassungsklage

Finanzminister Scholz plant, den Zuschlag etwas großzügiger abzubauen als geplant. Doch Union und FDP geht der Gesetzesentwurf nicht weit genug.

Der FDP-Chef fordert einen Plan, wie die ehemals befristete Ergänzungsabgabe für alle und komplett entfällt. Foto: dpa
Der FDP-Chef fordert einen Plan, wie die ehemals befristete Ergänzungsabgabe für alle und komplett entfällt. Foto: dpa

Ein Bundesfinanzminister neigt normalerweise nicht zu Großzügigkeit. Doch beim Teilabbau des Solidaritätszuschlags macht Olaf Scholz (SPD) zumindest eine kleine Ausnahme. Seinem Gesetzesentwurf zufolge, den er am Freitag an seine Ministerkollegen versendete, sollen mehr Soli-Zahler entlastet werden als bisher geplant.

„Im Ergebnis werden rund 96,5 Prozent der heutigen Soli-Zahler bessergestellt“, heißt es in einem Papier des Finanzministeriums zum Gesetz. „Menschen mit geringeren und mittleren Einkommen bleibt damit mehr auf dem Konto, die dann höheren Nettoeinkommen stärken die Binnenkonjunktur.“ Insgesamt zahlten die Steuerzahler ab 2021 rund zehn Milliarden Euro weniger. Zusammen mit anderen Maßnahmen bringe er so die „umfangreichsten Steuersenkungen seit mehr als zehn Jahren“ auf den Weg, lobte Scholz sich selbst.

In anderen Parteien fiel das Urteil frostiger raus. Dort trauerte man der vertanen Chance nach, den Solidaritätszuschlag 30 Jahre nach der Wende ganz abzubauen. Allen voran die FDP machte klar, der Soli müsse bald ganz weg, allein schon aus verfassungsrechtlichen Gründen. „Der Solidaritätszuschlag ist ab 2020 verfassungswidrig. Der Finanzminister muss deshalb mindestens einen Pfad aufzeigen, wie die ehemals befristete Ergänzungsabgabe für alle und komplett entfällt“, sagte FDP-Chef Christian Lindner dem Handelsblatt und schob eine unmissverständliche Drohung hinterher: Für den Fall, dass Scholz das nicht tue, „werden Tausende Steuerzahler und die FDP bis Karlsruhe klagen. Die fiskalischen Risiken werden dann von Jahr zu Jahr wachsen“, so Lindner.

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Im Gesetzesentwurf ist zwar mehrfach von einem „ersten Schritt“ die Rede. Was bedeutet, dass in der nächsten Wahlperiode in einem zweiten der Zuschlag ganz abgebaut werden soll, so wie es auch im SPD-Wahlprogramm steht. Wie dieser zweite Schritt aussehen könnte, darüber machte Scholz keine Angaben.

Top-Verdiener tragen am meisten zum Soli bei

In der CDU hat man schon erste Ideen entwickelt. „Ich schlage vor, den vollständigen Abbau schrittweise auf vier oder fünf Jahre zu strecken“, sagte der Chefhaushälter der Union, Eckhardt Rehberg. Er werde sich in den anstehenden parlamentarischen Beratungen zum Gesetz dafür einsetzen. So könne mit dem weiteren Abbau etwa im Jahr 2022 gestartet werden, bis spätestens 2026 würde der Zuschlag dann ganz auslaufen.

Dass Rehberg nicht mehr Druck macht, hat einen Grund: Die rund 19 Milliarden Euro an Einnahmen, die der Soli jährlich einbringt, werden mehr als zur Hälfte von Topverdienern getragen. Würde man auch für sie den Soli streichen, würde das noch mal ein Haushaltsloch von rund elf Milliarden Euro reißen. „Auf die können wir nicht auf einmal im Haushalt verzichten. Dafür sind die anstehenden Aufgaben etwa im Klimaschutz, bei der Digitalisierung und bei der Sicherheit zu groß“, sagte Rehberg. Einen schrittweisen Abbau über vier bis fünf Jahre könne man aber bewältigen.

Andere wollen nicht so lange warten. „Die vollständige Soli-Abschaffung sollte möglichst schnell folgen“, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest dem Handelsblatt. Der Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums sei zwar zu begrüßen. „Aber er lässt nicht nur gut verdienende Manager und Freiberufler außen vor, sondern auch große Personenunternehmen und die Kapitalgesellschaften. Angesichts der fragilen Konjunktur und des sich verschärfenden internationalen Steuerwettbewerbs ist das nicht sinnvoll.“

Eine vollständige Soli-Abschaffung „wäre für Binnenkonsum und Wettbewerbsfähigkeit ein Segen, um eine Rezession zu vermeiden“, sagte auch FDP-Chef Lindner. Die Abschaffung könne gelingen, wenn auf immer neue Subventionen wie das Baukindergeld verzichtet werde. „Das muss rückabgewickelt werden.“

SPD stellt sich bei der Komplettabschaffung quer

Nicht nur die FDP, auch die Union hatte zuletzt auf einen vollständigen Soli-Abbau gedrängt, allerdings ohne Erfolg. Die SPD war nur dann bereit, den Soli ganz abzubauen, wenn im Gegenzug der Spitzensteuersatz angehoben würde. Diese Option, die bereits in den Koalitionsverhandlungen diskutiert worden war, soll Scholz nach Handelsblatt-Informationen der Union im letzten Koalitionsausschuss erneut angeboten haben. CDU/CSU lehnten aber ab, sie schließen jede Art von Steuererhöhungen kategorisch aus. Am Ende einigte man sich auf genau das, was man bereits im Koalitionsvertrag vereinbart hatte.

Damit soll nun wie geplant für 90 Prozent aller Soli-Zahler die Abgabe komplett wegfallen. Ein lediger Arbeitnehmer müsste demnach bis zu einem Bruttojahreslohn von 73.874 Euro nichts zahlen. Ein Ehepaar ohne Kinder, bei dem die Frau als Krankenpflegerin einen Jahresbruttolohn von 40.800 Euro erzielt und der Mann als angestellter Maurer einen Verdienst in Höhe von 33.600 Euro, würde so künftig um 565 Euro im Jahr entlastet. Ein Erzieher ohne Kinder mit einem Lohn von 31.500 Euro hätte 202 Euro mehr im Jahr in der Tasche. Die maximale Entlastung für eine Alleinverdienerfamilie mit Kindern beträgt nach Berechnungen rund 1.800 Euro im Jahr.

Weitere 6,5 Prozent der Steuerzahler mit einem Einkommen über 73.874 Euro müssen den Zuschlag nur teilweise zahlen. Sie liegen in einer „Gleitzone“, in der die Soli-Last mit steigendem Einkommen anwächst. Erst ab einem Verdienst von 109.451 Euro brutto im Jahr ist für einen Single künftig der volle Soli fällig.

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