Ferdinand Dudenhöffer, Direktor CAR - Auto-Papst klagt an: Wegen der Ampel verlieren wir 5 Jahre beim E-Auto-Umstieg
45.000 Euro gibt der Deutsche für einen Neuwagen aus. Viel Geld, daher will auch gut überlegt sein, welcher Antrieb der richtige ist. Laut Ferdinand Dudenhöffer, Direktor CAR, macht die Politik bei der Lenkung einiges falsch.
Aufgrund der hohen Preise ist der Autokauf kein Spontankauf, sondern eine große Anschaffung für die Bundesbürger. Autos „leben“ in der Regel 15 Jahre und länger. Das Durchschnittsalter der Pkw auf Deutschlands Straßen liegt derzeit bei 10 Jahren.
Entsprechend nimmt der Neuwagenkäufer politische Stimmungen rund um das Auto sehr sensibel wahr. Dabei spielen die Antriebsarten - also Benzin, Diesel, Flüssiggas, Erdgas, Elektro, Plug-in-Hybride - eine wichtige Rolle. Die Wahl der Antriebsart beim Pkw wird maßgeblich von Neuwagenpreisen, Energiepreisen und natürlich von Emissionsvorschriften beeinflusst. Ankündigungen der Politik auf Bundes- und EU-Ebene spielen dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Wie diese Faktoren wirken, zeigt das Nachfrageverhalten auf dem deutschen Neuwagenmarkt. Eine Analyse von Ferdinand Dudenhöffer, Direktor CAR in Bochum. Im Video sehen Sie die Auswertung von Preisvergleichen im Juli.
1. Diesel, Diesel-Skandal und Benziner
2015 war der Beginn von Dieselgate. Bis 2015 hatte der Diesel jährlich steigende Marktanteile. Dann kam bis 2018 der Umschwung zum Benziner. Ausschlaggebend waren Abgaswerte, Regulierungen und regionale Fahrverbote als Folge widersprüchlicher Regelungen.
2. Elektro und Hybride – Vergleich Marktanteile
Ab 2018 ist eine neue Entwicklung zu beobachten. Jetzt verlieren Benzin und Diesel gleichzeitig. Es ist der Beginn von Mild- und Vollhybriden. Der Diesel wird wegen seines Abgasrisikos weiter verschmäht und der Benziner wird durch die hohen Kraftstoffpreise unattraktiv. Die Autohersteller folgen dem Trend und steigen auf die günstigeren Hybride um. Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis ist der Beginn des Hybridtrends, der bis heute anhält.
Signifikant: Das Auslaufen der Kaufprämie für Plug-in-Hybride (PHEV) Anfang 2023. Abb. 2 zeigt die Reaktion der Kunden und den deutlichen Rückgang der Plug-In-Hybriden in Deutschland. Eine Folge war der unerwünschte leichte Anstieg der Marktanteile von Diesel und Benziner. Wenn man so will, eine politisch induzierte Renaissance der klassischen Verbrennungsmotoren (siehe blaue Kurve in Abb. 2 ab 2022), ausgerechnet von einer Partei, die das Gegenteil erreichen wollte. Der Stopp der Prämie war auch ein politisches Statement, um den Plug-In-Hybrid als eine Art Mogelpackung für die Elektromobilität darzustellen.
Neuwagenkäufer reagieren sehr sensibel auf Preise und politische Aussagen. Nicht nur der Stopp der Prämie, sondern auch das Argument, dass Plug-in-Hybride in Deutschland langfristig eher wenig gewünscht sind. Käufer reagieren auf solche Signale, denn eine Kaufentscheidung für eine Antriebsvariante hat langfristige Auswirkungen auf den Wert und den Wiederverkaufspreis des Fahrzeugs.
3. Politisch verursachtes Ende des Elektroauto-Hochlaufs
Beide Antriebe - Plug-in-Hybrid und BEV - stehen für die Antriebs- und Mobilitätswende in Deutschland. Mit beiden konnte im ordnungspolitischen Rahmen im Jahr 2022 ein Marktanteil von 31,4 % = 17,7 % + 13,7 % erreicht werden. Die Elektromobilität schien in Deutschland angekommen zu sein, die Begeisterung bei Neuwageninteressenten war groß. Infrastrukturfragen wie öffentliche Ladesäulen spielten keine Rolle. Es war die Fortsetzung der Tesla-Strategie: emotionale Autos, Super-Charger auf Highways und gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Der Trend hielt an, bis die Ampelregierung die Umweltprämien stückweise abschaffte.
Es waren aber nicht nur die Umweltprämien, die das Elektroauto für Neuwagenkäufer unattraktiv machten. Zuletzt war EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen im Oktober 2023 medienwirksam mit der Ankündigung an die Öffentlichkeit getreten, das für 2035 geplante Verbot von Verbrennungsmotoren in der EU zu überprüfen.
Die „Rettung des Verbrennungsmotors“ wurde zur industriepolitischen Parole von FDP, AFD, CDU, CSU und BSW. Man hatte erkannt, dass man mit der Rettung des Verbrennungsmotors Wählerstimmen zu gewinnen sind. Also haben sich viele Parteien darauf eingeschworen. Syn-Fuel wurde als Alternative öffentlich breit öffentlich diskutiert, obwohl weder auf der Produktions- noch auf der Kostenseite verlässliche Fakten vorlagen.
Die Wirkung auf die Autokäufer blieb nicht aus. Im ersten Halbjahr 2024 ist der Anteil der Elektroautos auf 18,6% eingebrochen. Es wird lange dauern, bis wieder die 31% von 2022 erreicht werden. Wie lange, das hat CAR-Research mit der folgenden Simulation geschätzt.
4. Deutschland verliert mehr als fünf Jahre bei der Elektromobilität
Das Hauptargument für den Einbruch des Elektroautoabsatzes in Deutschland ist der hohe Preis von BEV und PHEV. Wenn die Preisdifferenz zwischen Verbrenner und Elektroautos verringert werden kann, sind wichtige Voraussetzungen erfüllt, um den „Wagen wieder in Bewegung zu setzen“. Von politischer Seite versucht dies Wirtschaftsminister Habeck mit Abschreibungserleichterungen für Elektroautos. Kürzere Abschreibungszeiträume, wie sie geplant sind, haben zwar positive Effekte auf die Kaufentscheidung bei Dienstwagen, diese sind aber überschaubar. In der Vergangenheit wurde die Maßnahme bereits mehrfach genutzt. Meist dann, wenn die Ausgabenseite der Bundeshaushalte begrenzt ist. Schnellere Abschreibungsfristen bedeuten höhere Steuerersparnisse für Unternehmen. D iese Steuerersparnis wird aber beim Wiederverkauf der Fahrzeuge - also beim Gebrauchtwagen - zum Teil wieder aufgezehrt. Wenn die Restwerte der Fahrzeuge aufgrund der „schnellen“ Abschreibung nach ca. 36 Monaten niedrig sind und die Fahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt angeboten werden, werden Gewinne beim Wiederverkauf erzielt, die natürlich versteuert werden müssen.
4.1 Annahme: Jährlicher Zuwachs durch AFA von 10% bei Firmenwagen
In einer Simulation (Abb. 4.1) hat CAR-Research versucht, diesen Dämpfungseffekt abzuschätzen. Dabei wurde von einer sehr positiven Reaktion der gewerblichen Kunden ausgegangen. Die Annahme ist, dass sich bei einer Abschreibungserleichterung der Marktanteil von Elektroantrieben bei Firmenwagen um 10% steigt. Dies ist eine sehr optimistische Annahme.
Bei den PHEV entfallen ca. 65% der Verkäufe auf Firmenkunden. Neuzulassungen im Kfz-Handel wurden nicht berücksichtigt, da die zugelassenen Fahrzeuge nach kurzer Zeit auf den Gebrauchtwagenmarkt gelangen. Gebrauchtwagenkäufer sind überwiegend Privatpersonen.
Die Simulation in Abb. 4.1. zeigt, dass auch im Jahr 2030 das „alte“ Niveau von 2022 noch deutlich verfehlt wird. Die schnellere Afa löst also das Hochlaufproblem nicht.
4.2. Preis-Effekt Elektro + Afa
Im Markt für Elektroautos ist jedoch ein zusätzlicher Effekt von Bedeutung: die industrielle Preisentwicklung von E-Autos. Es ist zu beobachten, dass sich die Preise annähern, aber nicht im Turbo-, sondern eher im Schneckentempo. Folgende Effekte sind für die Bewertung wichtig :
Chinesische Elektroautos in Europa
Elektroautos chinesischer Hersteller können eine wichtige Rolle bei der Preisentwicklung spielen. Einerseits sind dies Importe aus China und auf der anderen Seite die CKD-Aktivitäten, z.B. von Leapmotor mit Stellantis in Tichy oder der Fabrikbau von BYD in der Türkei. Importe aus China werden durch die Zollentscheidungen der EU-Kommission konterkariert. Dies bremst die Preisentwicklung und verringert die Preisdifferenz zu den Verbrennern.
Der Aufbau von Vertriebssystemen und Markenbekanntheit chinesischer Hersteller in Deutschland brauchen Zeit. Daher ist nur ein überschaubares Wachstum der chinesischen Fahrzeugverkäufe in Deutschland zu erwarten.
Batteriepreise im Keller
Aufgrund der schwachen Nachfrage nach Elektroautos in Europa und den USA gibt es ein deutliches Überangebot/Überkapazitäten bei Batteriematerialien und Batteriepreisen. So ist der Preis für Lithium-Ionen-Eisenphosphat-Zellen in den letzten 9 Monaten um gut 40% gefallen.
Schlechte Kapazitätsauslastung bei den Automobilherstellen
Bei Elektroautos gibt es derzeit deutliche Überkapazitäten. Tesla##chartIcon beispielsweise hat eine Produktionskapazität von 2,4 Mio. Fahrzeugen pro Jahr, 2024 werden aber laut Schätzung von CAR-Research nur rund 1,6 Mio. verkauft. Große Überkapazitäten gibt es beispielsweise auch bei Volkswagen##chartIcon mit seinem Werk in Zwickau. Deshalb werden Preiszugeständnisse gemacht.
Regulierung, CO2-Ausstoß von Neuwagen
2025 treten in der EU verschärfte CO2-Vorschriften für Neuwagen in Kraft. Um diese zu erfüllen und Strafzahlungen zu vermeiden, braucht es eine Steigerung des Absatzes von Elektroautos und damit Preiszugeständnissen.
Neue Elektroautomodelle mit besserem Preis-Leistungs-Verhältnis
Neben den oben genannten Argumenten zum Preisdruck werden auch die Modellpalette sowie die Fahrzeugeigenschaften, wie z.B. die Reichweite, bei Elektroautos kontinuierlich verbessert.
Annahme Simulation
Für die CAR-Simulation geht das Research-Institut aufgrund der oben genannten Argumente von einem jährlichen Steigerung von Elektroautos um 10% durch Preisdruck und neuen Modellen aus.
Abb. 4.2 fasst die Ergebnisse der Simulation zusammen. Es wird von der in Abb. 4.1 beschriebenen Afa-Verbesserung und dem in Abb. 4.2 beschriebenen Preiseffekt ausgegangen.
Fazit:
Selbst unter diesen sehr optimistischen Annahmen für die weitere Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland klafft zwischen dem letzten Peak im Jahr 2022 und 2027/28 eine Lücke von über 5 Jahren.
Deutschland verliert bei diesem großen Zukunftsthema der Mobilität den Anschluss. Ein großen Anteil daran haben laut CAR-Research widersprüchliche politische Entscheidungen und Diskussionen verursacht.