Fernab der Touristenmassen - Fünf unbekannte Sehenswürdigkeiten in Deutschland
Touristenmassen im Urlaub, darauf haben immer weniger Menschen Lust. Sie suchen nach Alternativen, die nicht überlaufen, aber trotzdem spektakulär sind. Wir haben uns in Deutschland umgesehen und stellen fünf Orte vor, die Schätze zu bieten haben — ohne Menschenmassen und Gedränge.
Die Klagen über Overtourism in Europa verunsichern derzeit viele Urlauber. Auf Mallorca, in Barcelona und Venedig protestieren Einheimische gegen die Folgen des Massentourismus. Auch die schwedische Insel Gotland oder das österreichische Hallstadt ächzen in der Hochsaison unter dem Ansturm von Touristen. In Deutschland gibt es ebenfalls zahlreiche Hotspots, in denen Urlauber zur Plage werden.
Laut dem Umweltbundesamt, das in einer Studie für das Jahr 2023 besonders tourismusintensive Gemeinden in Deutschland aufgelistet hat, gehören dazu zum Beispiel Orte wie Timmendorfer Strand und Sylt, das historische Cochem in Rheinland-Pfalz, der Feldberg im Schwarzwald oder Schloss Neuschwanstein im Allgäu. Aber warum immer nur die weltbekannten Sehenswürdigkeiten ansteuern? Wir stellen fünf faszinierende Ziele in Deutschland vor, die noch nicht so überlaufen sind.
Coburg: Queen Victoria’s zweite Heimat und Bierkultur
Beginnen wir im Herzen der Republik, in der ehemaligen Residenzstadt Coburg. Sie liegt in Oberfranken, nicht weit vom Thüringer Wald und dem Rennsteig entfernt, was die 40.000-Einwohner-Stadt auch für Wanderer und Radfahrer interessant macht. Doch zurück zu den kulturellen Sehenswürdigkeiten: Hoch über der Universitätsstadt thront die Veste Coburg, eine der größten und besterhaltenen mittelalterlichen Burganlagen Deutschlands. Allein die Zahl ihrer Fenster - 727 -, die zu besichtigenden Kunstsammlungen - 7 - und der Hofgarten zeigen, wie groß die Veste ist.
Wie beliebt sie bei historischen Persönlichkeiten war, ist an Martin Luthers Schreibaufenthalten und Queen Victoria abzulesen, die den Heimatort ihres Gemahls Prinz Albert zu ihrer zweiten Heimat erklärte. Aber auch unten in der historischen Altstadt gibt es architektonische Glanzstücke: von der Ehrenburg, dem Landestheater und der Morizkirche über das ehemalige Münzmeisterhaus, eines der ältesten Fachwerkhäuser Deutschlands bis hin zum Renaissance-Rathaus am Marktplatz aus dem 15. Jahrhundert. Fast 1000 Jahre Geschichte auf engsten Raum. Wer nun Durst bekommen hat, kann diesen mit einem Bier aus der Region löschen. Denn Coburg verfügt über mehrere Brauereien und eine ausgeprägte Bierkultur.
Worms: Romantische Stadt am linken Rheinufer
Von Touristenströmen wie in den in rheinland-pfälzischen Hotspots Trier, Bad Dürkheim, Speyer oder Neustadt an der Weinstraße ist Worms weit entfernt. Und genau das macht den Reiz der 2000 Jahre alten Stadt aus, die umgeben von Weinbergen und eingebettet zwischen Rhein und Mosel ist. Hier hat der bekannte Weißwein Liebfrauenmilch seinen Ursprung.
Aber nicht nur der Wein ist ein großes Thema in der Universitätsstadt, sondern auch Kaiser und Könige sowie Mythen und Sagen der Nibelungen. Denn die meisten Szenen des Heldenepos spielen in und um Worms, daher stammt auch der Name Nibelungenstadt. Drachentöter Siegfried ist mit einem eigenen Brunnen verewigt und jeden Sommer finden vor dem Kaiserdom die Nibelungen-Festspiele statt. Das ganze Jahr über kann man das Epos im multimedialen Nibelungenmuseum erleben, wo die Helden wieder auferstehen.
Ein weiterer Held der 84.000-Einwohner-Stadt ist Martin Luther, der sich hier im Jahre 1521 weigerte, seine Thesen zu widerrufen. Gedenktafeln im Heylshofpark, der auch eine große Kunstsammlung beherbergt, erinnern ebenso daran wie das Lutherdenkmal. Wer nach so viel Sightseeing Erholung in der Natur sucht, spaziert zehn Minuten Richtung Norden an der gotischen Liebfrauenkirche vorbei zur Rheinpromenade. Der 100 Jahre alte Park mit seinen 25.000 Pflanzen ist der grüne Gürtel der Stadt. Romantisch ist auch ein Besuch des Barock-Schlosses Herrnsheim, welches von einer großen Parkanlage umgeben ist.
Schöningen: Altsteinzeit und Architektur im Braunschweiger Land
Schon der Name der 11.000-Einwohner-Stadt am niedersächsischen Höhenzug Elm klingt vielversprechend: Schöningen, Stadt der Speere. Was hier gefunden wurde, verschlägt einem die Sprache: 300.000 Jahre alte Holzspeere aus der Altsteinzeit sowie Überreste von Waldelefanten und Säbelzahnkatzen. Dafür baute man ein futuristisch aussehendes Gebäude. Mitten in die vom Tagebau geprägte Kulturlandschaft. Das Forschungsmuseum Schöningen, welches eigentlich von Touristen überrannt werden müsste. Doch die Übernachtungszahlen für das Jahr 2021 lassen mit 7000 Nächtigungen das Gegenteil vermuten.
In Schöningen gibt es aber nicht nur die ältesten Jagdwaffen der Menschheit am Originalfundort zu bestaunen, sondern auch eine historische Altstadt mit Klostergut, Schloss und Fachwerk-Ensemble. Und den größten Buchenwald Norddeutschlands. Dieser liegt im Naturpark Elm-Lappwald, ideal für Wanderungen und Radtouren. Zum Beispiel zur Westerburg Dedeleben, zum Till-Eulenspiegel-Museum in Schöppenstedt oder zur ehemaligen Grenze zwischen der BRD und DDR. Das Grenzdenkmal zwischen Hötensleben und Schöningen ist eine der wenigen erhaltenen Grenzanlagen.
Kempten: Römerstadt vor den Allgäuer Alpen
Touristen aus aller Welt lieben das Allgäu, was mehr als 1,5 Millionen Übernachtungen allein in Füssen eindrucksvoll belegen. Wer sich nicht in die Warteschlangen an Schloss Neuschwanstein einreihen will, besucht Kempten. Die 70.000-Einwohner-Stadt liegt etwas nordwestlich, zwischen Memmingen und Oberstdorf. Vor rund 2000 Jahren siedelten sich hier am Hochufer der Iller die Römer an, was heute im Archäologischen Park zu bestaunen ist: Tempelbezirk, Thermen und ein Forum mit Basilika.
Doch Kempten hat noch viel mehr zu bieten: eine mittelalterliche Burg, barocke Prunkbauten, majestätische Kirchen und den Mariaberg. Im historischen Stadtkern beeindruckt die Basilika St. Lorenz, die als erster großer Kirchenbau Süddeutschlands nach dem Dreißigjährigen Krieg gilt. Die Residenz mit Prunkräumen und Park sowie die erste barocke Klosteranlage Deutschlands zeugen vom Wohlstand des katholischen Adels im 18. Jahrhundert. Über sanfte Steigungen, Wälder und Wiesen geht es hinauf auf den Hausberg, den 900 Meter hohen Mariaberg. Mit großartigem Blick auf die Allgäuer Alpen.
Görlitz: Schatzkiste im äußersten Osten
Leipzig, Dresden und Meißen heißen die bekanntesten Reiseziele in Sachsen. Wer sich abseits der Touristenpfade bewegen will, fährt weiter in den äußersten Osten, in die Oberlausitz, direkt an die polnische Grenze. In die 54.000-Einwohner-Stadt Görlitz. Sie wartet mit einer prächtigen Altstadt auf — mit rund 4000 Baudenkmälern aus verschiedenen Epochen. Die Lage an der alten europäischen Handelsstraße (Hohe Straße), die Leipzig mit Breslau verbindet, bescherte Görlitz im 15. Jahrhundert eine wirtschaftliche Blüte: Viele Renaissancehäuser, die später durch prächtige Barockbauten ergänzt wurden.
In der evangelischen Kirche Sankt Peter und Paul wird noch heute auf der Sonnenorgel aus dem Jahr 1703 gespielt. Aufgrund ihrer Vielfalt an Architekturstilen diente Görlitz schon oft als Kulisse für internationale Filmproduktionen wie für Quentin Tarantinos „Inglorious Bastards“ oder Wes Andersons „The Grand Budapest Hotel“. Sehenswert ist auch das 14 Kilometer entfernte Zisterzienser-Kloster Marienthal, das mit dem Fahrrad auf dem Oder-Neiße-Radweg schnell zu erreichen ist.