Festnahme von Marokkaner nach Tötungsdelikt befeuert Frankreichs Migrationsdebatte
Die Festnahme eines marokkanischen Verdächtigen ohne Bleiberecht nach dem gewaltsamen Tod einer Pariser Studentin hat in Frankreich die Debatte um die Einwanderungspolitik befeuert. "Wir müssen unser juristisches Arsenal ausbauen", schrieb Innenminister Bruno Retailleau am Mittwoch im Onlinedienst X, noch bevor der in der Schweiz festgenommene Verdächtige nach Frankreich ausgeliefert worden war. Die Staatsanwaltschaft nahm Vorermittlungen wegen "Tötung und Vergewaltigung" auf.
Die Leiche der 19 Jahre alten Studentin Philippine war am vergangenen Samstag im Pariser Stadtwald Bois de Boulogne gefunden worden. Die junge Frau wies Spuren einer Vergewaltigung auf. Am Dienstagabend wurde ein 22-jähriger Verdächtiger am Bahnhof von Genf festgenommen.
Nach Angaben aus Justizkreisen handelt es sich um einen gebürtigen Marokkaner, der wegen einer Vergewaltigung bereits eine Haftstrafe abgesessen hatte und anschließend abgeschoben werden sollte. Da Marokko aber - wie in vielen Fällen - nicht die nötigen Papier ausstellte, wurde der junge Mann in Frankreich laut offiziellen Angaben schließlich unter Auflagen frei gelassen.
Nach der Tat in Paris wurde der Verdächtige nun in der Schweiz festgenommen. Die Festnahme fand vor dem Hintergrund der ersten Stellungnahme des neuen französischen Innenministers statt, der dabei eine verschärfte Abschiebepolitik angekündigt hatte. Retailleau hatte zudem indirekt der französischen Justiz vorgeworfen, zu lasch zu handeln.
Zahlreiche Politiker meldeten sich zu der Affäre zu Wort - ohne eine Äußerung der Justiz abzuwarten. "Dieser Einwanderer hatte nichts bei uns zu suchen, er ist unbehelligt zum Wiederholungstäter geworden. Unser Justiz ist zu lasch, der Staat funktioniert nicht", kommentierte der Parteichef des rechtspopulistischen Rassemblement National, Jordan Bardella.
"Noch ein illegaler Einwanderer, noch eine nicht durchgeführte Abschiebung", schrieb die rechtsextreme Europaabgeordnete Marion Maréchal, die dem Staat vorwarf, die junge Frau "einem importierten Vergewaltiger ausgeliefert" zu haben.
Der sozialistische Parteichef Olivier Faure kritisierte seinerseits die Freilassung des Verdächtigen, bevor die nötigen Papiere für die Abschiebung aus Marokko eingetroffen waren. "So einen darf man nicht frei lassen, bevor man nicht sicher ist, dass er ausreisen wird", sagte er dem Sender BFM. Tatsächlich verweigern Marokko und weitere Staaten regelmäßig die notwendigen Papiere für die Abschiebungen ihrer Landsleute. Das Thema zählt zu den diplomatischen Dauerkonflikten Frankreichs.
Die Grünen-Politikerin Sandrine Rousseau zeigte sich empört über den "Femizid", der eine "harte Bestrafung" nach sich ziehen müsse. Sie warnte zugleich vor der politischen Instrumentalisierung des Falls. Die Rechtsaußen-Parteien würden "versuchen, es zu nutzen, um ihre rassistischen und fremdenfeindlichen Positionen zu verbreiten", erklärte sie.
Der neue Innenminister Retailleau hatte in den vergangenen Tagen mehrfach erklärt, dass er die Einwanderungspolitik verschärfen wolle. Dabei denke er sowohl an ein neues Gesetz als auch an Erlasse, mit denen er etwa die Reduzierung der ärztlichen Versorgung von Migranten durchsetzen wolle.
Der 63-Jährige gilt als eines der wenigen politischen Schwergewichte in der neuen Regierung, deren Überleben davon abhängt, dass die rechtspopulistische Partei Rassemblement National künftige Misstrauensvoten der Linken nicht unterstützt.
kol/lt