Werbung

Analyse: Der lange Arm der US-Justiz im FIFA-Skandal

Als unabhängige Juristin hat Lynch Terroristen, Mafiosi und korrupten öffentlichen Bediensteten den Prozess gemacht. Foto: Justin Lane/Archiv

«Soccer» gilt im Land von Football, Baseball und Basketball immer noch als eine Art Mädchensport - doch nun rütteln ausgerechnet die Amerikaner mit ihren Enthüllungen an den Grundfesten des Fußball-Weltverbands FIFA.

Im Internet sorgt das für reichlich Spott und Häme. Tenor: Die USA können zwar keine Weltmeisterschaft gewinnen, aber in brisanten Ermittlungen sind sie Champions.

Selten kommt das Bild des amerikanischen «Weltpolizisten» und Saubermanns in Sachen Korruption so deutlich zutage wie bei den Festnahmen hoher FIFA-Funktionäre in einem Züricher Nobelhotel. Doch wie kann der Arm der US-Justiz über den Atlantik reichen? Überschreitet Uncle Sam seine rechtlichen Grenzen, wie das russische Außenministerium in einer aufgebrachten Mitteilung feststellt? Maßen sich die USA nicht etwas viel an?

Juristisch gesehen braucht es einen kleinen Trick, eine Art Anker, um ausländischen Bürgern im Ausland an den Kragen zu können. Etwa: Ein Teil der Straftat muss innerhalb der US-Gerichtsbarkeit begangen worden sein, erklärt Jura-Professorin Jessica Tillipman von der George Washington University Law School. Das kann etwa ein Telefonat mit jemandem in den USA sein, ein Besuch in den Vereinigten Staaten oder eine E-Mail, die über einen Server innerhalb der USA geleitet wird, sagt sie der «Washington Post».

Manchmal reicht schon ein Flug zum New Yorker Flughafen John F. Kennedy International, da dieser in den Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft in Stadtteil Brooklyn fällt. Es müsse nur einen «Berührungspunkt» geben, so Tillipman.

Im Fall FIFA ist es der Fluss illegaler Gelder durch Banken mit Sitz in New York. «Im Lauf der 1990er und zunehmend in den 2000er und 2010er Jahren verließen sich die Angeklagten und ihre Mitverschwörer stark auf das Finanzsystem der Vereinigten Staaten», heißt es in der 161 Seiten langen Anklageschrift. Die FIFA habe Millarden Dollar von ihren Konten aus der Schweiz an Empfängerkonten in den USA und in anderen Teilen der Welt gezahlt. Teile der Bestechungsgelder seien an New Yorker Korrespondenzkonten von JPMorgan und Citibank geflossen.

Auch von mehreren Treffen in Miami und im New Yorker Stadtteil Queens ist in der Anklageschrift die Rede. Bei diesen sollen laut Staatsanwaltschaft Absprachen über die Schmiergelder getroffen worden sein. «Wenn Sie unsere Ufer mit Ihren korrupten Unternehmen berühren, ob durch Treffen oder durch Gebrauch unseres Weltklasse-Finanzsystems, werden Sie dafür zur Rechenschaft gezogen», sagt FBI-Direktor James Comey dem «Wall Street Journal» zufolge.

Ob das betroffene Land mit den Amerikanern dann auch kooperiert, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Im Fall FIFA dürfte die Schweiz die USA wohl unterstützt haben - ob die Festgenommenen auch ausgeliefert werden, ist allerdings offen. Allgemein arbeiteten Regierungen bei solchen Straftaten aber zunehmend zusammen, sagt Juristin Tillipman: «Wir sehen eine Art Internationalisierung des Strafrechts.»

Schon jetzt wertet die Regierung in Washington das Durchgreifen als Erfolg. Sie habe nie Skrupel gehabt, Anklage in den USA zu erheben, obwohl viele der Straftaten im Ausland begangen worden seien, sagt Justizministerin Loretta Lynch der «New York Times». Sie vergleicht die FIFA-Ermittlungen mit Fällen rund um Mafia-Mitglieder in Rom oder Sizilien. Das US-Bankensystem sei Teil des Systems der Fußball-Funktionäre gewesen: «Sie dachten eindeutig, dass die USA für sie ein sicherer Finanzhafen sind.»

Anklageschrift

Washington Post

Wall Street Journal

Jessica Tillipman