Beiß-Skandal durch Suárez - Urteil nach TV-Bildern

Luis Suárez (r) hielt sich nach seinem Biss die Zahnleiste, der Italiener Giorgio Chiellini dagegen die Schulter. Foto: Emilio Lavandeira Jr

Im ersten großen Skandal der Fußball-WM schaltet Luis Suárez in Brasilien auch noch auf stur und will nicht vor der FIFA aussagen.

Die Disziplinarkommission des Weltverbandes wertet aber bereits die TV-Bilder von der weltweit mit Abscheu und Entsetzen kommentierten Wiederholungstat von Uruguays Rekordtorschützen aus. Dem 27 Jahre alten Stürmer, der seine dritte Beißattacke in vier Jahren in ersten Äußerungen verharmloste, droht eine drakonische Strafe. «Bannt dieses Monster», forderte der «Daily Telegraph».

Selbst in England, wo Suárez noch vor wenigen Wochen nicht nur als Torschützenkönig der Premier League gekrönt, sondern auch zum besten Spieler gewählt wurde, gibt es für den «Dr.-Jekyll-and-Mr-Hyde» des Weltfußballs kein Erbarmen mehr. «Macht Beißer Suárez zum Geächteten», hieß es bei der Zeitung «Mail».

Vor dem Mannschaftshotel in Natal patrouillierte am Mittwoch laut Medienberichten sogar berittenes Militär, um mögliche Übergriffe erboster Fußball-Fans zu verhindern. Suárez nahm am Training der Nationalmannschaft am Mittwoch nicht teil. Und er wird auch nicht vor den Ermittlern der FIFA auftreten. Das kündigte Uruguays Verbandspräsident Wilmar Valdez im heimischen Sender «Sport 890» an.

Der Übeltäter, über den sich im Internet eine Welle von Spott und Häme ergoss, hatte den Tatort schon kommentarlos verlassen, nachdem er beim Spiel in Natal gegen Italien (1:0) Giorgio Chiellini in die Schulter gebissen hatte. «Wir sind Fußballspieler, wir wissen, was auf dem Platz passiert, man sollte dem keine Bedeutung beimessen», sagte Suárez. «Das passiert im Spiel und auf dem Platz», meinte er.

Stimmt, aber vornehmlich bei ihm: 2010 biss er bei einem Spiel von Ajax Amsterdam Otman Bakkal und wurde sieben Partien gesperrt. 2013 vergrub sich sein markantes Gebiss bei einem Spiel seines aktuellen Arbeitgebers FC Liverpool im Oberarm von Branislav Ivanovic. Und wie die brasilianische Zeitung «Globo» berichtete und mit einem Foto belegte, hatte es Suárez vor einem Jahr beim Confederations Cup schon einmal auch bei Chiellini zumindest versucht.

Diesmal biss er richtig zu. «Man sieht sogar die Bissspuren», betonte das Opfer des neuerlichen, scheinbar unerklärlichen Suárez-Ausrasters. Weil Schiedsrichter Marco Rodriguez die Szene in der 79. Minute nicht gesehen hatte, konnte die FIFA nachträglich ihre Ermittlungen aufnehmen unter Berufung auf Artikel 77 a ihres Disziplinarkodex.

Das Gremium habe das TV-Material angefordert und werde es bewerten, sagte eine FIFA-Sprecherin am Mittwoch. «Der Spieler hat das Recht, gehört zu werden. Wir können nicht darüber sprechen, was passieren könnte. Die Disziplinarkommission sammelt und analysiert alle Informationen, die sie bekommen kann.»

Uruguays Nationalspieler stellten sich demonstrativ vor ihren Kollegen. «Die Bilder zeigen nichts, es war ein Zweikampf. Wenn man das Foto von Ciellini sieht - wie heißt er, Chiellini? Das sind alte Narben, man muss schon sehr dumm sein, um nicht zu merken, dass es alte Narben sind», sagte der verletzte Kapitän Diego Lugano. Chiellini solle sich wie ein richtiger Mann benehmen, die Niederlage annehmen und seine Fehler eingestehen, forderte er.

«Es geht um die WM, nicht um die Moral», meinte Nationaltrainer Óscar Tabárez. Die Treue verwundert nicht: Suárez ist nicht nur Rekordtorjäger des Landes, er legte mit seinem sensationellen Doppelpack zum 2:1-Sieg über England vier Wochen nach seiner Knieoperation den Grundstein für das Erreichen der K.o.-Runde.

Nun aber hat sich einer der besten und zumindest bis Dienstag begehrtesten Stürmer der Welt wieder einmal ins Abseits gestellt. Seine Zukunft in Liverpool ist nicht nur angesichts zuvor kolportierter Angebote europäischer Top-Clubs ungewiss. «Die meisten Liverpool-Fans lieben ihn als Spieler, aber er hat den Namen des Vereins beständig in den Schmutz gezogen», sagte Vereins-Legende Robbie Fowler dem Radiosender Talksport. «Es ist nicht richtig, besonders nachdem sie ihm das letzte Mal so geholfen haben. Sie haben versucht, ihn zu rehabilitieren. Ich wäre nicht überrascht, wenn Suárez jetzt geht.»

Er wurde auch schon für acht Spiele gesperrt, weil er den Franzosen Patrice Evra beleidigt hatte. Und im Nationaltrikot hatte er 2010 wegen eines höchst unsportlichen Handspiels auf der Torlinie im WM-Viertelfinale gegen Ghana - nur - ein Spiel aussetzen müssen. Nun könnte er national und international aus dem Verkehr gezogen werden. Die FIFA-Regeln sehen eine Mindeststrafe von zwei Spielen vor, die Höchststrafe liegt aber bei 24 Spielen oder einer Sperre von zwei Jahren.

Erste Leidtragende wären seine Nationalmannschaftskollegen, die am Samstag (22.00 Uhr MESZ) in Rio de Janeiro um den Viertelfinaleinzug gegen die bärenstarken Kolumbianer antreten müssen. Wahrscheinlich ohne den 41-fachen Torschützen in 79 Einsätzen für die «Celeste».

Porträt Italien

Porträt Uruguay

Toronto Star

ESPN

Bericht O Globo