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Filmkritik zu "Avengers: Infinity War": Ein Blockbuster zum Dahinschmelzen

Wie auch immer die Schlacht ausgeht: “Avengers: Infinity War” hat realistische Chancen, zum weltweit erfolgreichsten Film aller Zeiten zu avancieren. (Bild: Marvel Studios)
Wie auch immer die Schlacht ausgeht: “Avengers: Infinity War” hat realistische Chancen, zum weltweit erfolgreichsten Film aller Zeiten zu avancieren. (Bild: Marvel Studios)

So einen Film hat es noch nie gegeben. Das mag übertrieben, vielleicht sogar abgedroschen klingen, zumal “Avengers: Infinity War” alles andere als ein avantgardistischer Arthaus-Film ist. Die Russo-Brüder, die bei dem Blockbuster Regie führten, möchten keine formalen Grenzen sprengen, ihre Inszenierung bewegt sich im Rahmen dessen, was wir vom großbudgetierten Action-Kino aus Hollywood kennen. Und doch wagen sie sich hier an ein geradezu monströses Unterfangen, das 18 vorangegangene Filme und ein nie dagewesenes Ensemble unzähliger Protagonisten zu einem kohärenten Ganzen zusammenführt. Mit Erfolg.

Eine Filmkritik von Carlos Corbelle

“This is it”, stellt Tony Stark alias Iron Man konsterniert fest, als er von der Bedrohung erfährt, der sich die Menschheit stellen muss. Thanos, ein imperialistischer Außerirdischer, der seit seinem kurzen Debüt im ersten “Avengers”-Film wie ein Damoklesschwert über dem Haupt des eisernen Helden hängt, ist auf dem Weg zur Erde. Sein Ziel: die fehlenden Infinity Stones zu finden, die ihm unbegrenzte Macht verleihen würden. Das Problem: Zwei der begehrten Edelsteinchen befinden sich auf unserem Planeten. Um Thanos aufzuhalten, müssen sich Tony Stark und die anderen Superhelden des Marvel Cinematic Universe zusammenraufen. Sonst ist die Welt dem Untergang geweiht.

“It’s the end of the world as we know it…”

Die Erde droht also einmal mehr unterzugehen. Been there, done that. Jeder zweite Blockbuster handelt vom drohenden Ende der Menschheit, die in letzter Sekunde eh wieder gerettet wird. “It’s the end of the world as we know it – and I feel fine”, sang schon R.E.M. – einfach zurücklehnen und entspannen, wird schon schief gehen. Nur, dass man sich bei “Infinity War” eben nicht so sicher sein kann, dass alles gut wird. Die ungeheure Bedrohung, die von Thanos ausgeht, bleibt keine bloße Behauptung – sie ist tatsächlich spürbar.

Die Russos inszenieren das Blockbuster-Spektakel in keiner Sekunde als stumpfe Materialschlacht, die ihre Charaktere in ärgerlicher Michael-Bay-Manier zu Action-Statisten degradiert. Stattdessen ordnen sie die allgegenwärtige Action ihres unaufhaltsam vorwärts preschenden Katastrophen-Szenarios stets den Figuren unter. Was die zahlreichen Protagonisten antreibt, ihre Wut, ihre Ängste, ihr Egoismus, ihre Besessenheit, gibt den Takt dieses wuchtig orchestrierten Action-Opus vor. Jede Schlacht hat hier ihre Berechtigung, jede dramatische Geste erscheint zwingend und verleiht dem Geschehen auf der Leinwand eine Dringlichkeit, der man sich nicht entziehen kann.

Wanda Maximoff alias Scarlet Witch ist nur eine von unzähligen Protagonisten in “Avengers: Infinity War”. (Bild: Marvel Studios)
Wanda Maximoff alias Scarlet Witch ist nur eine von unzähligen Protagonisten in “Avengers: Infinity War”. (Bild: Marvel Studios)

Was Christopher Nolan zuletzt mit seinem Weltkriegs-Drama “Dunkirk” vormachte – eine Atmosphäre der Unmittelbarkeit zu erzeugen, die den Zuschauer von Beginn an unweigerlich ins Geschehen zieht – demonstrieren in gewisser Weise auch die Russos unter umgekehrten Vorzeichen. Nolans ironiefreier, dem Realismus verpflichteter Stoff jongliert mit wenigen Protagonisten, bricht aufgrund seiner verschachtelten Chronologie aber mit dramaturgischen Konventionen. Die Russos erzählen dagegen vom Krieg einer spekulativen, trotz aller Dramatik vom Witz ihrer schlagfertigen Helden geprägten Welt und bändigen den schwindelerregend komplexen Überbau des figurenreichen Marvel-Kosmos dank ihrer extrem klaren, geradlinigen Erzählweise.

“…and I feel fine”

Dass man auch ohne Kenntnis der vorhergehenden Filme mühelos in diese Welt eintauchen und sich vom Erlebten berauschen lassen kann, wie es nur das Kino vermag, spricht für die inszenatorische Leistung der Russos. Die emotionale Intensität des Kunsterlebnisses werden aber nur diejenigen Zuschauer in ihrer ganzen Tragweite nachvollziehen können, die die entsprechenden Vorkenntnisse mitbringen. Das gilt ebenso sehr für den pointierten Dialog-Witz, der meist in den Super-Egos der Superhelden begründet ist, wie für das Innenleben der Figuren, das angesichts der Handlungsdichte mit nur wenigen, feinen Pinselstrichen vor uns entfaltet wird. Wer nichts vom Vorleben dieser Menschen weiß, wird auch die unterschwellige Verzweiflung Tony Starks nicht wirklich nachvollziehen können. Die mitunter verbittert wirkende Haltung Steve Rogers’ zu deuten wissen oder erahnen können, wie viel die junge Wanda Maximoff über Verlust weiß.

Nein, einen Film wie “Avengers: Infinity War” hat es tatsächlich noch nie gegeben. Und wie bei jedem guten Film, der neue Wege geht, wird er uns nach dem Abspann noch weit mehr beschäftigen als vor dem Kinobesuch.

Kinostart: 26. April 2018

Im Video: Die “Avengers: Infinity War”-Stars und -Filmemacher im Yahoo-Interview