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1,2 Millionen Inder flüchten vor Flut in Notunterkünfte

Ein Soldat verteilt Hilfsgüter aus einem Helikopter. Der südindische Bundesstaat Kerala ist nach Regierungsangaben von der verheerendsten Flut der letzten 100 Jahre getroffen worden. Foto: AP
Ein Soldat verteilt Hilfsgüter aus einem Helikopter. Der südindische Bundesstaat Kerala ist nach Regierungsangaben von der verheerendsten Flut der letzten 100 Jahre getroffen worden. Foto: AP

Der Regen hat nachgelassen, doch das Ausmaß der Flutkatastrophe in Indien wird erst allmählich deutlich: Weit mehr als eine Million Menschen mussten ihr Zuhause verlassen. Geschichten von dramatischen Rettungsaktionen und aufopfernden Fischern machen die Runde.

Thiruvananthapuram (dpa) - Die Wasserstände sinken allmählich im südindischen Kerala - die Zahl der Toten dürfte aber weiter steigen. Sie lag am Montag bei 351, wie der Chef der Katastrophenschutzbehörde des Bundesstaates, P.H. Kurien, auf Anfrage mitteilte.

Mindestens 30 Menschen wurden noch vermisst. 191 der Todesopfer kamen seit dem 8. August ums Leben. Der Monsunregen, der seit dem Tag besonders heftig gewesen war, ließ am Wochenende nach, und für diese Woche war nur leichter Regen vorhergesagt.

Die meisten der zwischenzeitlich mehr als 100.000 Menschen, die von der Außenwelt abgeschnitten waren, wurde Kurien zufolge inzwischen gerettet. Etwa 600 Boote der Streitkräfte, unterstützt von lokalen Fischern, seien in der Nacht im Einsatz gewesen.

Videos von dramatischen Rettungen machten im Fernsehen und in sozialen Medien die Runde. Eines davon soll eine schwangere Frau im Rollstuhl zeigen, die von einem Retter an einem Seil von einem Dach geholt und dann in einen Hubschrauber hochgezogen wird. Um ihr Haus herum sind Baumwipfel zu sehen, die aus dem braunen Wasser ragen.

Die inzwischen gut 1,2 Million Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten und in mehr als 3600 Notunterkünften in dem Bundesstaat an Indiens Südwestküste ausharrten, müssen laut Kurien allerdings voraussichtlich noch ein paar Tage dort bleiben. Wegen der hygienischen Verhältnisse machten sich die Furcht vor dem Ausbruch von Krankheiten breit.

Indiens Nachrichtenmedien berichteten in den vergangenen Tagen beinahe pausenlos über die «Jahrhundertflut». Die Fischer Keralas wurden für ihre Teilnahme an den Hilfseinsätzen als Helden gefeiert. Einer von ihnen bekam besonders viel Lob: Ein Video zeigt, wie er sich im Flutwasser hinkniet, damit Frauen auf seinen Rücken und von dort in ein Gummiboot steigen können.

Die Regenfälle der Monsunzeit von Juni bis September verursachen jedes Jahr Überschwemmungen und Erdrutsche. Mit insgesamt knapp 1000 Toten in ganz Indien ist die diesjährige Monsunzeit bislang verheerend gewesen. Im vergangenen Jahr waren es allerdings rund 1700 Todesfälle. Damals war die mediale Aufmerksamkeit deutlich geringer.

Ein Grund, warum es diesmal anders ist: Kerala ist ein bei Touristen beliebter Bundesstaat, dessen Bildungsniveau als das höchste Indiens gilt. Die Bewohner sind besser in der Lage, auf die Not in ihrer Region aufmerksam zu machen, als viele andere Inder. Trotzdem sind es auch hier arme, sozial benachteiligte Menschen, die es am schlimmsten erwischt - etwa weil sie in einfachen Hütten oder an Hängen leben, wo Erdrutschgefahr herrscht.

Kerala hat mit knapp 20 Prozent seiner rund 33 Millionen Bewohner mehr Christen als jeder andere indische Bundesstaat - die meisten von ihnen sind Katholiken. Die katholische Hilfsorganisation Caritas international nutzt das Netz christlicher Organisationen in Kerala, um von lokalen Partnern Lebensmittel und Hygienepakete verteilen zu lassen. Sie will auch den Wiederaufbau unterstützen.

An der Küste - der sogenannten Malabarküste am Arabischen Meer - seien die Schäden an der Infrastruktur besonders groß und wegen der dichten Besiedlung viele Menschen betroffen, sagte Peter Seidel, Referent für Südasien von Caritas international. «Nichtsdestotrotz ist die Situation für die arme Bevölkerung, die oben in den abgelegenen Bergregionen lebt, wahrscheinlich noch dramatischer - wobei man da im Moment noch wenig davon weiß, weil die Region relativ unzugänglich ist.»