FOCUS Briefing von Thomas Tuma - Das Einzige, was hier in Amman tobt, ist der übliche Berufsverkehr
Manch ein Medienbericht über den Krieg in Gaza und im Libanon erweckt den Eindruck, dass der ganze Nahe Osten in Feuer und Flammen steckt. Dabei ist das an Israel benachbarte Jordanien friedlich und nimmt eine wichtige Rolle im derzeitigen Konflikt ein. Ein Perspektivwechsel.
Dieser Text erreicht Sie heute aus der jordanischen Hauptstadt Amman. Und wenn ich deutsche wie internationale Medien aus der Ferne richtig verstehe, sitze ich gerade mitten im Bombenhagel. Der ganze Nahe und Mittlere Osten um mich herum brennt demnach ja bereits.
Es sind schließlich nicht mal 150 Kilometer Luftlinie bis rüber in den Südlibanon, wo die Israelis vergangene Nacht ihre Bodenoffensive begonnen haben. Um das gleich vorweg zu sagen: Das Einzige, was hier in Amman tobt, ist der übliche Berufsverkehr.
Erlauben Sie mir deshalb, dass ich die Welt mal durch jordanische Augen betrachte. Perspektivwechsel helfen ja oft, zumal ich mir nie anmaßen würde, in dieser Region, wo so viel Terror und Fanatismus regieren, noch irgendein letztgültiges Urteil fällen zu wollen. Sie?
Jordaniens König Abdullah II. als Vermittler
Aber ich habe zum Beispiel gelernt, dass Jordaniens König Abdullah II. in all dem Chaos das Kunststück gelingt, eine Art diplomatische Vermittlerrolle einzunehmen. Das muss man ja erst mal schaffen, gleichzeitig mit Nachbarn klarzukommen wie Syrien, Irak, Saudi-Arabien, Ägypten und natürlich Israel, das in Amman nicht sonderlich beliebt ist, u.a. weil es einen Großteil des Wassers aus dem gemeinsamen Grenzfluss Jordan abzapft. Interessiert in Deutschland eher nullnetto.
Jordanien hat weder Öl noch Gas, setzt aber auf Bildung. Fast jeder Taxifahrer scheint englisch zu sprechen. Der Tourismus soll dringend nötige Devisen bringen. Doch seit der Eskalation im Gazastreifen fehlt ein Großteil der Urlauber aus den USA und Europa.
Freunde und Bekannte hatten mich verständnislos angestarrt. Aber ich wollte eben endlich mal die Felsenstadt Petra sehen. Und selbst das Auswärtige Amt sieht keinerlei Notwendigkeit für Reisewarnungen. Also bin ich nun hier und erlebe riesige Hotelkomplexe, die ähnlich tot sind wie das Meer, an dem sie stehen.
Bis runter in die einzige Hafenstadt Akaba steht vieles leer – oder wurde gar nicht erst fertig gebaut. Denn seit dem Ukrainekrieg sind obendrein die Russen verschwunden. Übrig bleibt ein Land mit viel Wüste und dem Wunsch, wenigstens seinen eigenen Frieden zu bewahren. Ein Land, das einen hohen Preis zahlt für die Kriege der anderen.
„Kein alternatives Heimatland für die Palästinenser werden“
Nicht nur Israel sähe es am liebsten, wenn Jordanien gleich das gesamte palästinensische Volk aufnähme. Es bot schließlich schon Millionen von Flüchtlingen Schutz – Palästinensern, aber auch Syrern. Sein Land könne „kein alternatives Heimatland für die Palästinenser werden“, mahnte Abdullah II. neulich vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York. Aber wer hört schon einem jordanischen König zu, wenn Israel gerade einen Krieg anzettelt? Sie womöglich?
Fliegen Sie mal hin! Ich habe ein sehr gastfreundliches Land kennengelernt. Und nicht nur Petra lohnt sich. Auch die antike Stadt Jerasch. Oder der Berg Nebo, von dessen Spitze Moses einst rüber aufs „Gelobte Land“ zeigte, das heutige Israel. Damit begann der ganze Ärger ja erst. Und – sind Sie schon bereit für einen Perspektivwechsel?
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