FOCUS online exklusiv - Ermittler-Akten zeigen Brutalität der tödlichen Prügel-Attacke in Bad Oeynhausen

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Im Juni wurde Philipos Tsanis in Bad Oeynhausen totgeprügelt. Einfach so. FOCUS online erfuhr Details aus den Ermittlungsakten und. So schildern Zeugen die ganze Brutalität des Angriffs.

Philipos Tsanis, 20, wollte einen Moment mit seinen beiden Kumpels draußen auf einer Bank im Kurpark vor dem „Kaiserpalais“ in Bad Oeynhausen ausspannen. Es ist ein Uhr in der Nacht des 22. Juni. Drinnen feiert Schwester Melina auf einem Ball ihr Abitur. Wasserfontänen beherrschen den Platz im Kurpark. Drumherum gruppieren sich lange Bankreihen.

Etliche junge Männer und Frauen nähern sich plötzlich der Dreiergruppe. Die jungen Leute kommen vom nahegelegenen Stadtfest. Whiskey-Cola und Wodka haben den Alkoholpegel ordentlich angehoben.

Bad Oeynhausen: Opfer wurde einfach so totgeprügelt

Zuvor ist Mwafak Al S. auf dem Fest zu der Clique gestoßen. Man kennt sich zwar nicht, findet aber schnell zueinander. Der 18-jährige Syrer verspricht, neue Drinks zu beschaffen. Die Partytruppe trifft sich gegen 1 Uhr nachts an den Wasserfontänen im Park wieder. Dort beginnt das Drama.

Philipos Tsanis, ein Deutsch-Grieche, wird totgeprügelt. Einfach so, weil der junge Mann auf der Bank saß und dem mutmaßlichen Totschläger offenbar seine Nase nicht gefiel.

Mutmaßlicher Täter fiel bereits durch Gewalt auf

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat inzwischen den mutmaßlichen Täter Mwafak Al S. wegen Totschlags angeklagt, zwei deutsche Bekannte müssen sich ebenfalls wegen gefährlicher Körperverletzung vor einer großen Jugendstrafkammer verantworten. Die mutmaßlichen Komplizen sollen gleichfalls auf die Freunde des Todesopfers eingeschlagen haben.

FOCUS online hat sich auf Spurensuche begeben, um das Tatgeschehen im Detail zu durchleuchten. Auch finden sich neue Erkenntnisse zu dem Vorstrafenregister des Hauptangeklagten. Demnach ist Mwafak Al S. bereits zuvor wegen gewaltsamen Übergriffen aufgefallen.

Im Jahr 2016 eingereist, lebt er mit seiner Familie zunächst in Pforzheim. Seit 2020 fiel Mawfak Al S. achtmal wegen Diebstahls, davon einmal wegen schweren räuberischen Diebstahls auf. In zwei Fällen legt die Staatsanwaltschaft Karlsruhe die Verfahren zu den Akten.

Das Jugendgerichtsgesetz stellt den Erziehungsgedanken vor Strafe. Allein 2023 wurde fünfmal gegen den jungen Syrer wegen schweren Diebstahls ermittelt. Daneben stehen in seiner Polizeiakte Hausfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung.

Junger Syrer kommt wiederholt mit Verwarnungen davon

In einem Fall soll der damalige Jugendliche mit einem Schlagstock sein Opfer am Kopf verletzt haben. Zudem geriet Al S. wegen eines Drogendeliktes ins Blickfeld der Ermittler. Doch nur einmal muss Al S. wegen räuberischer Erpressung vor das Amtsgericht Pforzheim treten. Der junge Syrer kommt mit einer Verwarnung davon.

Nach dem Umzug der Familie nach Bad Oeynhausen Anfang Oktober 2023 kommt schwerer Diebstahl hinzu. Seine Schulzeit endete ohne Abschluss. Am 29. April 2024 verhängt der Amtsrichter in der Sache 60 Stunden gemeinnützige Arbeit. Knapp zwei Monate später rastet Mwafak Al S. laut Staatsanwaltschaft  aus und löscht mutmaßlich ein Leben aus.

Aggressives Auftreten

An jenem 22. Juni schlendert der Angeklagte mit der Partyclique die Bänke im Kurpark entlang, die meisten haben Philipos Tsanis und seine Freunde schon passiert. Nur Mwafak Al S. stoppt, wie die Ermittler zu wissen glauben. Laut brüllend macht er das Dreiergrüppchen an. Wer sie denn seien, woher sie denn kämen.

Die aggressiven Fragen donnern auf Philipos und seine Freunde völlig überraschend ein. Letztere aber suchen die Lage zu beruhigen, bitten darum, sie einfach in Ruhe zu lassen.

Ermittler: Täter rastet aus

Der syrische Teenager will nicht, er ist offenbar auf Stress aus, baut sich in großer Pose vor den drei Freunden auf und beginnt mit den Armen drohend herumzufuchteln. Philipos und ein Freund erheben sich, das zumindest ergeben Zeugenaussagen. Die Lage eskaliert. Die beiden mitangeklagten mutmaßlichen deutschen Komplizen wittern Ärger, bilden einen Halbkreis um Philipos und seine Begleiter.

Danach geht es ganz schnell. Unvermittelt schlägt Mwafak Al S. laut Staatsanwaltschaft den Deutsch-Griechen und einen Freund ins Gesicht. Während sich seine Kumpels um die Freunde von Philipos kümmern und sie zu Boden prügeln und treten, soll der Hauptangeklagte weiter auf sein Opfer losgegangen sein.

Front-Kick und Kopftritte gegen das Opfer

Verzweifelt stolpert Philipos zurück. Er ist solchen Angriffen nicht gewachsen. Ein Junge, der es zu etwas bringen will, intelligent erfolgreich, allseits beliebt mit einem Faible für Musik, der gerade eine Ausbildung zum Hotelfachkaufmann begonnen hat. Panisch weicht Philipos zurück zu einer Rampe mit Betonpflaster.

Sein mutmaßlicher Verfolger soll ihn dort mit einem so genannten Front-Kick den Kampfsportler gerne benutzen, die Beine weg getreten haben. Sein Opfer fällt, sucht sich mit einem Arm zu verteidigen. Laut Staatsanwaltschaft tritt der Angreifer Philipos massiv gegen den Kopf. Bewusstlos schlägt der junge Mann hart gegen das Betonpflaster.

Opfer kämpft drei Tage vergeblich um sein Leben

Doch sein Peiniger kennt laut den Strafverfolgern kein Ende: Gleich drei Mal soll Mwafak Al S. gegen den Schädel seines ohnmächtigen Opfers getreten haben. Philipos Tsanis beginnt aus dem Mund zu bluten. Seelenruhig soll ihm der mutmaßliche Schläger sein Portemonnaie abgenommen haben. Darin befinden sich einige Euro, Schlüssel, Ausweis und ein bisschen Marihuana. Anschließend verschwinden die mutmaßlichen Täter.

Philipos Tsanis kämpft noch drei Tage vergeblich um sein Leben. Er stirbt am Vormittag des 25. Juni an schweren Hirnverletzungen.

Mutmaßlicher Komplize belastet Syrer schwer

Nach FOCUS-online-Informationen hat einer der mutmaßlichen Komplizen den Hauptbeschuldigten schwer belastet. Der Anklagevorwurf stützt sich vornehmlich auf der Aussage des 19-jährigen Deutschen.

Andere Augenzeugen schildern den Tathergang etwas anders. Die Staatsanwaltschaft geht zumindest davon aus, dass Mwafak aus reinem Vernichtungswillen gehandelt haben soll.

Verteidigung widersprechen den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft

Seine Verteidiger Siegmund und Burkhard Benecken widersprechen diesem Vorwurf: „Aus den Ermittlungsakten ergibt sich ein diffuses Bild. Etliche Zeugen berichten nur von einem Schlag, den unser Mandant gegen den 20-jährigen Philipos geführt haben soll. Nur ein weiterer Beobachter will mehr gesehen haben.“

Aus Sicht der Anwälte muss nun der Prozess gegen Mwafak Al S. weisen, ob sich die Totschlagsvorwürfe bewahrheiten.