FOCUS online kennt die Anklage - Schumacher-Erpresser gab vertrauenswürdigen Makler - doch spielte ein doppeltes Spiel

Täter sollen versucht haben, Michael und Corinna Schumacher mit privaten Fotos zu erpressen. (Archivbild)<span class="copyright">Fredrik von Erichsen/dpa</span>
Täter sollen versucht haben, Michael und Corinna Schumacher mit privaten Fotos zu erpressen. (Archivbild)Fredrik von Erichsen/dpa

15 Millionen Euro: So viel Geld wollten offenbar Erpresser mit Fotos der Formel-1-Legende Michael Schumacher erbeuten. Der Coup misslang, nun beginnt der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter. Die Anklage offenbart, wie der Erpressungsversuch abgelaufen ist.

Der Anrufer ließ, davon gehen die Ermittler aus, keinen Zweifel an seinen Absichten. Am 3. Juni 2024 soll Yilmaz T. ,53, die Geschäftsführerin der Schweizer Firma „Michael Schumacher Office“ kontaktiert haben. Der türkische Türsteher soll ihr erklärt haben, dass er über Fotos und Videos verfüge, die den Gesundheitszustand des seit einem Skiunfall vor elf Jahren verunglückten mehrfachen Formel-1-Weltmeisters dokumentieren. Falls die Familie Schumacher nicht an dem Material interessiert sei, werde er die Aufnahmen im Darknet veröffentlichen, soll er gedroht haben.

Zwei Tage später meldete sich Yilmaz T. demnach erneut. Zum Beweis seiner Angaben soll er angekündigt haben, eine Probe an die Firmenchefin zu schicken,  Sein Sohn soll für diese Aktion eigens einen E-Mail-Account angelegt haben. Diese Adresse sollte verhindern, die Spur zum Vater zurückzuverfolgen.

Michael Schumacher: Erpressung sollte 15 Millionen Euro bringen

Über diese Schiene sollen vier Fotos von der Rennfahrer-Ikone in die Schweiz versandt worden sein. Yilmaz T. soll der Firmenchefin gesagt haben, dass er über 1500 Fotos und 200 Videos verfüge, die Michael Schumacher häufig nach dem Skiunfall zeigten. Im Telefonat am 17. Juni soll der vielfach vorbestrafte Gauner aus Wuppertal die Höhe seiner Geldforderung dargelegt haben: 15 Millionen Euro sollten die Schumachers aufwenden. Im Gegenzug sollten beide Festplatten wieder in den Besitz der Familie gelangen. Doch der Coup scheiterte kläglich.

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Corinna Schumacher hatte längst die eidgenössische Polizei eingeschaltet, den deutschen Behörden gelang es letztlich die mutmaßlichen Erpresser mit digitalen Fahndungsmethoden in Wuppertal zu orten. Am 19. Juni wanderten Vater und Sohn in Untersuchungshaft. Insgesamt wurden 900 Bild- und gut 580 Videodateien beschlagnahmt.

So steht es in der Anklage der Staatsanwaltschaft Wuppertal , die FOCUS online einsehen konnte. Vom kommenden Dienstag an müssen sich die beiden Tatverdächtigen sowie ihr mutmaßlicher Hintermann wegen versuchter Erpressung vor dem Schöffengericht in Wuppertal verantworten.

Angeklagter begleitete auch Krankentransporte

Bei der Schlüsselfigur handelt es sich laut Anklage um Markus F., von März 2012 bis Frühjahr 2021 bei einer Security-Firma tätig, die das Anwesen der Schumachers in der Schweiz bewachte. Der Angeklagte begleitete seinerzeit auch Krankentransporte Schumachers oder arbeitete als IT-Experte. Deshalb sollte er etwa die Fotos und Videos der Rennfahrer-Familie digitalisieren. Vor dreieinhalb Jahren endete der Job jäh. Sein Chef warf ihn raus. Angeblich aus fragwürdigen Gründen

In jenem Zeitraum soll sich der 53-jährige Markus F. brisantes Material bis hin zur Medikamentenliste des verunglückten Formel-1-Piloten besorgt haben. Laut Anklage zeigen die Aufnahmen den Ex-Weltmeister in sehr privaten Situationen. Die Bilder stammten häufig aus den Krankenakten des prominenten Patienten.

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Im Frühjahr 2022 kontaktierte der mutmaßliche Datendieb laut Staatsanwaltschaft seinen alten Kumpel Yilmaz T.. Die beiden kannten sich schon lange, arbeiteten auch in früheren Zeiten gemeinsam als Türsteher der Diskothek „Grey“ in Konstanz am Bodensee. Der türkische Freund sollte, so sieht es die Staatsanwaltschaft, zwei Jahre später die gestohlenen Dateien bei der vermögenden Familie Schumacher versilbern.

Angeklagter legte ein Geständnis ab

Den Millionenerlös wollte man sich demnach teilen. Doch Yilmaz T., das lässt sich aus der Anklage entnehmen, schien sich selber nicht seiner Sache sicher zu sein. In den Telefonaten mit der Schumacher-Seite soll er sich als eine Art vertrauenswürdiger Mittelsmann ausgegeben haben. Von Erpressung könne keine Rede sein, soll der Angeklagte während seiner Anrufe beteuert haben. Er soll von einem sauberen Deal gesprochen haben. Sollte die Gegenseite das Gefühl haben, unter Druck gesetzt zu werden, dann würde er das Ganze beenden und das Material an seinen Lieferanten zurückgeben. Alles solle sauber ablaufen. Es gebe auch keine Kopien.

Tatsächlich soll es sich anders verhalten haben. Yilmaz T. soll, außer den beiden Festplatten, auch vier USB-Sticks mit vielen Bilddateien versteckt haben. Diese, so der Verdacht, sollten erst später eingesetzt werden. Womöglich für eine weitere Erpressung. Derzeit ist noch unklar, ob sich diese Ermittlungsthese erhärten lässt.

Laut Anklage  standen die beiden Angeklagten aber in dem Fall im Austausch. In Handy-Posts prahlte Yilmaz T. demnach damit, bald sein eigener Herr zu sein. Sein mutmaßlicher Datenträgerlieferant aus Wülfrath wünschte ihm viel Glück dabei.

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Letztlich lief das Unternehmen komplett schief. Nach seiner Festnahme legte Yilmaz T. ein Geständnis ab und lieferte den Ermittlern den Hinweis zu seinem mutmaßlichen Hintermann in Wülfrath.

Schumachers werden durch Anwälte vertreten

Am 3. Juli wurde auch Markus F. verhaftet. Sein Verteidiger Harald Benninghoven erklärte gegenüber FOCUS online, dass sein Mandant sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert habe. Ob sich dies in der Hauptverhandlung ändert, ließ er offen. Der Sohn von T. war nur geständig was eine Beihilfe zur Erpressung angeht. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt für alle Angeklagten die Unschuldsvermutung.

Die Schumachers werden durch Anwälte als Nebenklagevertreter vertreten.   Seit dem Skiunfall sucht die Familie Details zum Gesundheitszustand des einstigen Formel-1-Titelträgers aus den Medien herauszuhalten. Folglich werden die Opfer-Anwälte in erster Linie darauf dringen, dass die Erpresserdateien als Beweismittel nicht in öffentlicher Sitzung zu sehen sind. Wie das Gericht entscheidet, wird sich weisen.