Foreign-Accent-Syndrome - Nach Herzinfarkt spricht Georgina plötzlich mit schwedischem Akzent
Georgina Gailey war nach einem Herzinfarkt wieder auf dem Weg der Besserung, als sie erneut ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Ihre Schwester hatte sie in einem Telefonat auf ihr merkwürdiges Sprachverhalten aufmerksam gemacht, der Verdacht auf einen Schlaganfall lag nahe. Doch es kommt ganz anders.
Einige Monate nach ihrem Herzinfarkt ging es für Georgina Gailey wieder aufwärts. Die zweifache Mutter aus dem Großraum London fühlte sich allmählich wieder fit und wollte bald wieder arbeiten gehen. Doch dann der Wendepunkt.
„Eines späten Abends facetimete ich mit meiner Schwester und sie bemerkte, dass ich Wörter vertauschte“, berichtet Gailey im Gespräch mit „ Daily Mail “ über den Vorfall von vor drei Jahren. In Sorge darüber, dass sie womöglich einen unentdeckten Schlaganfall hatte, eilte die damals 57-Jährige sofort ins Krankenhaus. Auch die Ärzte hegten anfangs einen ähnlichen Verdacht und behielten die Britin in der Klinik.
Doch trotz der Untersuchungen konnten sie Gaileys Sprachproblem nicht beheben. Sie redete in einem langsamen Tempo, betonte Wörter merkwürdig – und sprach mit schwedischem Akzent. Dabei hatte sie keine Verbindung zu dem skandinavischen Land und war noch nicht einmal dort gewesen.
Weltweit sind weniger als 1000 Menschen vom Fremdsprachen-Akzent-Syndrom betroffen
Nach zwei Wochen entdeckten die Mediziner dann die Ursache für ihr Sprachverhalten: Gailey litt unter dem extrem seltenen Foreign Accent Syndrome, dem Fremdsprachenakzentsyndrom, von dem es weltweit weniger als 1000 Fälle gibt. Betroffene sprechen ihre Muttersprache plötzlich mit einem vermeintlich regionalen oder ausländischen Akzent.
Für Gailey eine Belastung. „Ich konnte mich immer sehr gut ausdrücken und jetzt klinge ich schwedisch“, sagt sie. Die Leute würden die heute 60-Jährige die ganze Zeit fragen, wo sie herkomme. Auf ihre Antwort hin, dass sie aus England stamme, würden die Menschen nur lachen und erwidern, dass sie Gailey für eine Schwedin gehalten hätten. „Wenn die Leute lachen, lächle ich nach außen hin, aber innerlich macht es mich traurig“, so die Londonerin. „Das alles hat mein Leben verändert. Es fehlt ein riesiger Teil von mir.“
Auch Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung, ist das Syndrom gut bekannt. Er selbst hatte bereits zwei Fälle in seiner Praxis, berichtet Erbguth im Gespräch mit FOCUS online. Bei beiden war ein Mini-Schlaganfall der Auslöser. Tatsächlich geht die veränderte Sprechweise in den meisten Fällen auf Zellschäden im Gehirn infolge eines Schlaganfalls oder einer Kopfverletzung zurück. Seltenere Ursachen seien unter anderem multiple Sklerose und Migräne. Auch Schizophrenie und damit psychische Erkrankungen können ein Auslöser sein, sagt Erbguth, sind aber seltener.
„Beim Fremdsprachen-Akzent-Syndrom liegt die Schädigung in der Regel in der Sprachausführung, konkret ist das motorische Sprachzentrum betroffen“, erklärt Erbguth. „Das sitzt bei Rechtshändern links und bei Linkshändern rechts im Gehirn.“ Ärztinnen und Ärzte könnten die Schädigung auch im Kernspin sehen.
Nach Herzinfarkt: „Es fühlt sich nicht gut an daran zu denken, dass der Akzent vielleicht nicht mehr weggeht“
Was bei Gailey das Syndrom ausgelöst hat, ist nicht öffentlich bekannt. Die Londonerin selbst vermutet, dass ihr zurückliegender Herzinfarkt damit zusammenhänge.
Um den Akzent wieder loszuwerden, der kurioserweise nur beim Sprechen und nicht beim Singen auftritt, habe Gailey bereits mehrere Neurologen aufgesucht. Bislang ohne Erfolg. „Ich weiß nicht, ob ich den Akzent für immer haben werde. Es fühlt sich nicht gut an daran zu denken, dass er vielleicht nicht mehr weggeht“, sagt sie. Besonders bereite ihr der Umstand Sorge, dass sich ihr Gehirn an den Akzent gewöhnen könne.
Laut Mediziner Erbguth ist das aber eher unwahrscheinlich. Das Foreign-Accent-Syndrome gehe von allein wieder weg, wenn Betroffene ein Sprechtraining absolvieren oder sich die Gehirnzellen erholen.