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Fotografin Hilla Becher gestorben

Hilla Becher 2008 im Musee d'Art Moderne de la Ville in Paris vor ihrer Fotoserie "Kühltürme". Foto: David Ebener

Bis heute werden Bernd und Hilla Becher in einem Atemzug genannt. Hunderte Hochöfen, Wasser-, Förder- und Kühltürme, Silos und Fabrikhallen in Europa und den USA fotografierte das Paar gemeinsam über Jahrzehnte.

Die Bechers begründeten die «Düsseldorfer Fotoschule», aus denen inzwischen weltberühmte Fotokünstler wie Andreas Gursky, Thomas Ruff, Thomas Struth und Candida Höfer hervorgingen.

Am vergangenen Samstag starb Hilla Becher im Alter von 81 Jahren in Düsseldorf - acht Jahre nach ihrem Mann Bernd. Hilla Becher hatte das gemeinsame fotografische Werk fortgeführt, das heute - so der Verlag Schirmer/Mosel - «ein unverzichtbarer Bestandteil der jüngeren Kunstgeschichte» sei.

Wie Naturwissenschaftler im 19. Jahrhundert sammelten die Bechers Aufnahmen und erstellten Typologien der architektonischen Industrie-Dinosaurier. Menschenleer, sachlich und kühl sind die Schwarz-Weiß-Serien, mit denen das Ehepaar weltberühmt wurde. Diese Ästhetik gaben sie an ihre Schüler weiter. Wie bei den Bechers sind auch bei Gursky, Höfer und Struth Distanz und Kühle prägende Stilmittel.

Die «Becher»-Klasse ist legendär und die «Düsseldorfer Fotoschule» heute ein Qualitätslabel auf dem Kunstmarkt. Aber sie wäre ohne den Beitrag und die enge Kooperation von Hilla Becher nicht denkbar gewesen. Beide zusammen entwickelten seit den späten 50er Jahren ein einzigartiges fotografisches Werk, das trotz der konservativen Haltung und ihres monolithischen Charakters heute zur modernen Kunst zählt. Der Kunsthistoriker Armin Zweite sprach von einem «epochalen Oeuvre, fern von jeglicher künstlerischen Egomanie und Hochmut».

Viele Preise, vom Goldenen Löwen der Biennale in Venedig bis zum Goslarer Kaiserring, hatten die Bechers gemeinsam entgegengenommen. Verganges Jahr wurde die am 2. September 1934 in Potsdam geborene Grand Dame der Fotografie noch mit dem hoch dotierten Großen Rheinischen Kulturpreis ausgezeichnet.

«Es ist klar, ich habe den Preis auch deshalb bekommen, weil ich übrig geblieben bin», sagte Hilla Becher bei der Preisverleihung in Düsseldorf mit einem unvergleichlich trockenen Humor. Und dann grüßte sie ihren Bernd - «wo immer er ist, oben oder unten». Bernd Becher stand immer etwas im Vordergrund, denn er hatte ab Mitte der 70er Jahre die erste Professur für künstlerische Fotografie an der Düsseldorfer Kunstakademie inne.

Schon mit 13 Jahren machte Hilla Becher ihre ersten fotografischen Versuche und wurde Anfang der 50er Jahre im renommierten Potsdamer Atelier Walter Eichgrün ausgebildet. 1957 fand sie eine Anstellung in einer Werbeagentur in Düsseldorf und lernte den Kunstakademie-Studenten Bernd Becher kennen. 1959 begann das Paar die fotografische Zusammenarbeit.

Die Dame mit dem schlohweißen Pagenschnitt erzählte bei der Verleihung des Kulturpreises von diesen Anfängen. Sie schleppte mit ihrem Mann die schwere Fotoausrüstung durch die Gänge abrissbedrohter Fabriken, in denen noch giftige, schläfrig machende Gase waberten. «Die Zusammenarbeit mit Bernd war insofern ergiebig, weil wir uns ganz gut ergänzt haben», sagte Hilla Becher, der jegliches Pathos fremd war. Fast immer seien sie einer Meinung gewesen.

Die wenigsten Menschen schenken Industrieanlagen in der Landschaft, erbaut von namenlosen Architekten, Beachtung. Für die Bechers aber war das fast enzyklopädische Ordnen von Formen und Strukturen der Bauten einer untergehenden Industrielandschaft ein Lebensthema. So gilt die Kunst der Bechers heute auch als fotografisches Gedächtnis einer industriellen Vergangenheit.

Schirmer/Mosel