Früherer BA-Chef Scheele - „Gemessen daran ist das Bürgergeld schlicht nicht erfolgreich“

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Detlef ScheeleKay Nietfeld/dpa

Der langjährige Vorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Detlef Scheele, sieht in dem SPD-Projekt des Bürgergelds einen schwerwiegenden Fehler, der viele frühere Wähler verprellt habe.

„Die SPD hätte bei Hartz IV bleiben sollen. Man hätte das Konzept ja umbenennen können, statt es zu ändern“, sagte das SPD-Mitglied der „Süddeutschen Zeitung“. Im Vergleich zu den Hartz-IV-Zeiten würden heute nachweislich weniger Menschen in den Arbeitsmarkt integriert. Und das, obwohl es einen eklatanten Arbeitskräftemangel gebe. „Gemessen daran ist das Bürgergeld schlicht nicht erfolgreich“, sagte er.

Dadurch stiegen auch die Kosten. Das Bürgergeld dürfe „keine langfristige Alimentation“ sein. Das Ziel müsse wieder stärker sein, „den Bezug von Sozialleistungen umgehend durch Arbeitsaufnahme wieder zu beenden. Nichts anderes.“ Der Grundfehler sei gewesen, den Druck, eine Arbeit anzunehmen, deutlich zu mindern und die Leistungskürzungen, also Sanktionen, stark zurückzufahren. Es gebe hier leider viel Unwissen in der Partei, gerade bei jungen Abgeordneten, dafür aber viel Ideologie.

„Wohnen, Pflege, Krippe und Bildung - dafür würde die SPD gewählt. Aber nicht fürs Bürgergeld“

„Hartz IV wurde schlechter gemacht, als es war“, betonte Scheele. Eine bei dem Thema besonders eifrige Sozialdemokratin habe ihn gefragt, wie viel Geld man denn spare, wenn es gar keine Sanktionen mehr gebe. Er sei da fassungslos gewesen. „Nichts natürlich.“ Eher koste es mehr, weil viele länger im Bürgergeld blieben. Schon die Androhung von Sanktionen wirke, sagte Scheele. Daher sei die nun geplante Einführung einer Kürzung um 30 Prozent bei der Verweigerung von Termin- oder Jobangeboten ein Schritt in die richtige Richtung.

Gemessen an der Bevölkerung würden heute rund vier Prozent der Wahlberechtigten Leistungen nach dem Bürgergeldgesetz beziehen. Die SPD habe also jahrelang wahnsinnig viel Energie aufgewendet, um für diesen doch ziemlich kleinen Teil der Menschen Politik zu machen. „Dabei sollte doch klar sein, dass das kein Gewinnerthema ist.“ Die SPD habe mit dem 2019 erarbeiteten und in der Ampel-Koalition dann umgesetzten Konzept Sozialhilfeempfänger in den Mittelpunkt ihrer Politik gestellt. Warum habe die Partei ihren Fokus nicht auf die Menschen aus der täglich hart arbeitenden Mitte gelenkt, die ganz andere Probleme hätten, fragte Scheele. „Wohnen, Pflege, Krippe und Bildung – dafür würde die SPD gewählt. Aber nicht fürs Bürgergeld.“

Zudem kritisierte er, dass die aus der Ukraine geflüchteten Menschen in das teurere Bürgergeld aufgenommen worden seien. "Warum sind sie nicht in das Asylbewerberleistungsgesetz mit niedrigeren Sätzen gekommen“, fragte Scheele. Es sei absehbar gewesen, dass viele alleinerziehende Frauen mit ihren Kindern kommen, zuerst die Sprache lernen müssen. Zudem müssten sie sich um die Kinder kümmern und könnten deswegen ohnehin oft gar keine Arbeit aufnehmen.

Der aus Hamburg stammende Scheele war lange ein enger Wegbegleiter von Kanzler Olaf Scholz. Von 2008 bis 2009 war er Staatssekretär unter dem damaligen Bundesarbeitsminister, von 2011 bis 2015 unter dem Ersten Bürgermeister Scholz in Hamburg Hamburger Senator für Arbeit, Soziales, Familie und Integration. Von 2017 bis 2022 war er Vorsitzender der Bundesagentur für Arbeit.