Früherer FDP-Chef Wolfgang Gerhardt mit 80 Jahren gestorben
Der frühere FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt ist tot. Der aus Hessen stammende Politiker starb nach Parteiangaben am Freitag im Alter von 80 Jahren in Wiesbaden. FDP-Chef Christian Lindner würdigte den Verstorbenen: "Fast 60 Jahre hat er sich mit der FDP gemeinsam für eine freie und starke Gesellschaft eingesetzt", erklärte Lindner. "Sein Tod macht mich zutiefst traurig." In Gerhardts Amtszeit fiel die Abwahl der schwarz-gelben Koalition unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) 1998 und der Gang der FDP in die Opposition.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte Gerhardt als Politiker, der sich "um Deutschland verdient" gemacht habe. "So habe auch ich Wolfgang Gerhardt erlebt: klar in der Sache, standfest aus Überzeugung und immer besonnen im Ton", schrieb der Bundespräsident in einem Kondolenzschreiben. Gerhardts Wirken habe "der politischen Kultur in unserem Land gut getan".
Der als Politiker der bedächtigen Töne bekannte Gerhardt war von 1995 an für sechs Jahre Bundesvorsitzender der FDP. Im Jahr 2001 wurde er nach internen Streitigkeiten von Guido Westerwelle abgelöst, der als Gerhardts Nachfolger für eine neue Generation und einen neuen politischen Stil an der FDP-Parteispitze stand. Bis 2006 führte Gerhardt noch die FDP-Bundestagsfraktion. Auch diesen Posten gab er schließlich an Westerwelle ab.
"Er war nie ein Machtpolitiker, sondern blieb auch in Spitzenpositionen ein belesener, feiner und großzügiger Mensch", würdigte FDP-Chef Lindner den Verstorbenen. "In einer schwierigen Phase unserer Geschichte hat er die FDP zusammengehalten und wieder aufgerichtet." Zeit seines Lebens habe Gerhardt "für Eigenverantwortung und unabhängiges Urteilsvermögen geworben", schrieb Lindner weiter.
Gerhardt war jahrzehntelang für die FDP engagiert. Vor seinem Wechsel in die Bundespolitik war der studierte Erziehungswissenschaftler in der hessischen Landespolitik aktiv. 1982 übernahm er den Vorsitz der Hessen-FDP. Von 1987 bis 1991 war er hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst. Von 2006 an war er zudem Vorstandsvorsitzender der FDP-nahen Naumann-Stiftung, seit 2018 deren Ehrenvorsitzender.
Sein Bundestagsmandat behielt Gerhardt bis 2013, als die FDP bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Der aktuelle FDP-Fraktionschef Christian Dürr erinnerte am Freitag daran, dass Gerhardt "die Liberalen auch nach seiner aktiven Zeit in einer schwierigen Phase zusammengehalten und dazu beigetragen hat, die Partei in der außerparlamentarischen Opposition wieder aufzurichten". Dürr fügte hinzu: "Sein Wirken, sein feiner Charakter und seine Freundschaft werden uns fehlen."
Auch in anderen Parteien wurde Gerhardts Wirken gewürdigt. "Er war einer der herausragenden Parlamentarier in einer Zeit, als viele von uns noch nicht im Bundestag waren", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Bundestag. "Das Andenken sollte dementsprechend sein."
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) würdigte Gerhardt als "Mann der leisen Töne, dessen Rat sehr viele gerne gehört haben". Der Liberale sei "ein herausragender Politiker" gewesen, "der sich mit Leidenschaft und Hingabe für die Belange unserer Gesellschaft eingesetzt hat".
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