Frank Thelen im Gespräch - „Es reicht jetzt!“ Top-Investor Thelen bleibt nur mit diesem Kanzler im Land
Auf der Veranstaltung „DieBusinessPunk“ in Frankfurt sprach FOCUS online mit Frank Thelen. Der Seriengründer und Technologie-Investor über Deindustrialisierung, Lilium, Klimaschutz, Scheitern in Deutschland, Auswandern und warum er in der Politik einen Lichtblick sieht.
FOCUS online: Herr Thelen, in Deutschland stehen die Zeichen auf Deindustrialisierung. Traditionsunternehmen wie Bayer##chartIcon oder Volkswagen##chartIcon stehen sinnbildlich für die Probleme ihrer Branche, Branchen wie Miele bauen Standorte im Ausland auf. Was kann getan werden, damit es wieder aufwärts geht?
Frank Thelen: Wir brauchen eine Industriepolitik. Normalerweise regelt der Markt, aber die Politik hat an anderer Stelle eingegriffen, zum Beispiel mit dem Atomausstieg. Jetzt sind die Energiepreise so hoch, dass wir in Deutschland nicht mehr wirtschaftlich produzieren können. Wir regulieren uns zu Tode. Das ist ein Problem. Wir brauchen nun ein Team, das zusammenarbeitet und diese Themen angeht, dann können wir auch wieder ein Industrieland sein.
Normalerweise sind Sie ein Freund der freien Marktwirtschaft und die Politik setzt nur die Rahmenbedingungen. Warum geht es nicht ohne Industriepolitik?
Thelen: Wir haben uns zu tief in die Sch… geritten.
Wer kann dafür sorgen, dass es wieder vorwärts geht?
Thelen: In der jetzigen Regierung, glaube ich, niemand. Damit der Markt sich wieder selbst regeln kann, ohne dass Deutschland abgehängt wird, brauchen wir wettbewerbsfähige Energiepreise. Außerdem müssen wir dringend entbürokratisieren. Deshalb müssen wir jetzt bestimmte Impulse setzen.
Was halten Sie vom deutschen Sonderweg, fünf Jahre früher klimaneutral sein zu wollen als alle anderen in Europa?
Thelen: Was wir jetzt gemacht haben, ist nicht im Sinne des Klimaschutzes. Wir verbrennen wieder mehr Kohle und sind auf ineffiziente LNG-Terminals angewiesen, um eine Alternative zum russischen Gas zu schaffen. Bei der Umwandlung des Erdgases in diesen Terminals wird viel Energie verschwendet. Dann nehmen wir einen Öltanker, der sehr ineffizient Schweröl verbrennt, um das LNG zu verschiffen und dann hier zu speichern. Dass diese LNG-Terminals keinen Sinn ergeben, kann ein Viertklässler ausrechnen.
Oder Wärmepumpen. Ich bin einer der größten Befürworter von Wärmepumpen. Tesla##chartIcon war einer der Ersten, der Wärmepumpen in Autos eingebaut hat. Aber sie haben ihre Grenzen und ich muss mir überlegen, wo ich sie sinnvoll einsetze. So, wie der Wirtschaftsminister Habeck es umgesetzt hat, bringt es einfach nichts. Das aktuelle Programm der Regierung ist alles andere als Umweltschutz, was auch durch den maßlosen Einsatz von A320 für Fußballspiele dokumentiert wird.
Apropos Verschwendung. Sie kritisieren auch das Vorgehen der Bundesregierung bei Lilium. Die Regierung wollte keine 50 Millionen Euro als Bürgschaft zur Verfügung stellen und jetzt wird es durch die Insolvenzausgleichszahlungen noch teurer.
Thelen: Lilium ist sicherlich ein sehr schwieriger Fall, weil a) ich da involviert bin und b) ich grundsätzlich gegen staatliche Hilfen und für eine freie Marktwirtschaft bin. Bei Lilium ging es um eine neue, nachhaltige Industrie und die Dekarbonisierung des Flugverkehrs. Es ist bislang noch kein erfolgreiches Flugzeugprogramm ohne staatliche Förderung ausgekommen. Jetzt hätte die Politik beurteilen müssen, ob das wirklich ein gutes Unternehmen ist. Die vollen Auftragsbücher, tiefen Partnerschaften mit Industrieakteuren und die über 500 Luftfahrt-Experten und Ex-Airbus-Manager, die bei Lilium arbeiten, dokumentieren die Erfolgschancen von Lilium...
Auch die Prüfung der KfW war positiv, aber am Ende des Tages konnte der Haushaltsausschuss keine Entscheidung treffen. Da hätte man wirklich kluge Köpfe gebraucht, die den Mut und auch die Macht haben, das durchzubringen. Allein die Tatsache, dass die bestehenden Investoren mit dem KfW-Kredit ebenfalls weitere Finanzierungen zugesichert hatten, zeigt, dass es nicht um eine staatliche Rettung ging. Es ging um ein Signal.
Sie haben auf der Bühne gesagt, dass viele Politiker keine Excel-Listen lesen können, sonst hätten sie anders entschieden.
Thelen: Ja, das war aus meiner Sicht eine ökonomische Fehlentscheidung. Lilium zahlt alleine 50 Millionen an Steuern jährlich. Es gibt Vorbestellungen im Wert von sechs Milliarden US-Dollar. Dagegen erscheinen mir die 50 Millionen Bürgschaft des Bundes als sehr attraktives Chance-Risiko-Verhältnis.
Kürzlich habe ich mit dem Astronauten Matthias Maurer gesprochen. Er sagt: Scheitern ist in Deutschland verpönt, während die USA viel innovationsfreudiger sind und Scheitern kein Problem. Sind wir hier zu vorsichtig?
Thelen: Auf jeden Fall. Und vor allem auch diese Schadenfreude, die man jetzt wieder bei Lilium sieht. Ich meine, da freuen sich Leute und dann muss man fragen: ‚Worüber freust du dich? Dass Arbeitsplätze vernichtet werden oder was? Nein, da sind wir jetzt zu vorsichtig. Und das bringt ja auch schon ganz viele Leute weg. Schauen Sie sich zum Beispiel IQM an - die Hoffnung für Quantencomputer. Produzieren in Frankreich. Oder Marvel Fusion. Die sind in der Fusionsenergie aktiv und liefern vielleicht die Antwort auf unsere Energieprobleme. Die sind in Deutschland, wo sie ein hervorragendes Team haben, so geärgert worden, dass sie jetzt in den USA produzieren. Das kann nicht sein.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, überlegen Sie selbst, Deutschland zu verlassen.
Thelen: Ja, ich liebe Deutschland, aber irgendwann reicht es mir. Industrien wandern ab, die Auto-Industrie kämpft um die Zukunft, unsere Kapitalmärkte sind dysfunktional, viele wollen eine 4-Tageswoche, … ich spüre wenig Begeisterung für Pioniergeist und Macher. Und die Frage ist, wie lange mache ich das als Frank mit und wann sage ich: „Have a nice day“?
Wovon hängt das ab?
Thelen: Im Moment gibt es einen Lichtblick, das ist Friedrich Merz, wenn er unser nächster Bundeskanzler wird und eine funktionierende Regierung aufstellt, bleibe ich gerne hier und unterstütze.
Und darauf warten Sie noch?
Thelen: Vielleicht setze ich mich auch dafür ein, mal sehen. Dann werden wir schauen, ob wir eine andere, bessere Regierung bekommen, ob Deutschland dann eine ganz klare Wende bekommt. Dann überlege ich es mir, aber wenn es so weitergeht, mit so einer Art von Leistungsunwilligkeit, dann ziehe ich für mich persönlich die Konsequenz: ‚Ich gehe in ein Land, wo investiert wird, wo sich Leistung lohnt und wo man eine andere DNA hat‘.
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