"Frankreichs Ausschluss von AUKUS-Pakt hat keinen Sinn"

Wenn die Europäische Union ihre Finanzkeule schwingt, werden die Leute wachsam - selbst die, die sonst fast alles hassen, wofür die EU steht. Eine Region im Süden Polens hat jetzt eine Anti-LGBT-Resolution zurückgezogen, aus Angst EU-Zuschüsse zu verlieren. Wie Dutzende polnischer Städte hatte sich die Region zur LGBT-freien Zone erklärt.

Überflüssig zu sagen, dass diese Resolutionen von der EU scharf kritisierte wurden und dass Brüssel Verhandlungen über die Auszahlung von Geldern eines Hilfsfonds suspendierte. Kein Respekt vor europäischen Werten, kein Geld – so einfach ist das.

Bei einem anderen Streit zwischen Brüssel und Warschau, nämlich dem Vorrang von EU-Recht vor polnischem Recht, vertagte sich das Oberste Gericht diese Woche. Die Vorsitzende Richterin erklärte, man brauche mehr Zeit, um sich mit der Sache zu befassen. Beobachter werteten das als gutes Zeichen für die Rechtsstaatlichkeit. Natürlich stehen auch hier EU-Gelder auf dem Spiel.

Natürlich gibt es Dinge, die europäisches Geld nicht kaufen kann - und das ist ein Platz am Tisch der wirklich Mächtigen.

Die Entscheidung der australischen Regierung, einen Mega-Auftrag für die Lieferung von U-Booten aus Frankreich zu stornieren, um einem Pakt mit den USA und Großbritannien beizutreten, löste eine ernste Vertrauenskrise zwischen historischen Verbündeten aus.

Für die Franzosen war es das sang- und klanglose Ende ihres "Vetrags des Jahrhunderts". Die Europäer waren ebenfalls enttäuscht, hatten sie doch gedacht, die Trump-Ära der bösen Überraschungen sei vorbei. In dieser Woche bot die jährliche UN-Generalversammlung Gelegenheit für persönliche Versöhnungsgespräche.

Dazu das folgende Interview mit David O'Sullivan, dem früheren EU-Botschafter in den USA.

Euronews: Macron und Biden sprachen diese Woche am Telefon miteinander und veröffentlichten anschließend eine versöhnliche Erklärung. Ist die Krise nun vorbei?

O'Sullivan: Also, die unmittelbare Krise ist vorbei, hoffentlich hat das Telefonat hier das Nötige getan. Der französische Botschafter wird nach Washington zurückkehren, das ist gut. Andererseits dürften die Auswirkungen dieser Krise noch Monate lang zu spüren sein.

Euronews: Die ganze Affäre wurde in Frankreich dargestellt als angelsächsisches Manöver gegen Kontinentaleuropa. Ist das nicht ein wenig übertrieben, angesichts der Tatsache, dass der angelsächsische Informationsaustausch seit dem Zweiten Weltkrieg eine Realität ist?

O'Sullivan: Ich denke, Frankreich hatte allen Grund wirklich wütend zu sein angesichts der äußerst ungeschickten Weise, mit der die Sache behandelt wurde.

Ich sehe es aber nicht als angelsächsische Verschwörung.

Natürlich haben Sie diese englischsprachige Welt mit den USA, Großbritannien und Australien und die, wie Sie gesagt haben, historische Zusammenarbeit unter ihnen.

Das war nicht absichtlich gegen Frankreich gerichtet, aber natürlich hatte Frankreich den ursprünglichen Vertrag, der dann zugusten des neuen Pakts gekillt wurde.

Ja, wäre ich Franzose, würde ich mich absolut getäuscht fühlen, vor allem wegen der schofligen Art und Weise, für die sich ja Präsident Biden entschuldigt hat.

Euronews: Fühlen sich die Franzosen erniedrigt, weil jemand sie auf ihre wahre Größe reduziert hat?

O'Sullivan: Was so frappierend hier ist, ist, dass Amerika, Großbritannien und die Australier Frankreich nicht als Partner haben wollten, wo doch Frankreich eines der wenigen EU-Länder ist mit Verbindungen in die Pazifik-Region.

Es gibt dort französisches Territorium, Truppen, die regelmäßig die Region patrouillieren. Frankreich ist eines der wenigen EU-Staaten mit ernsthaften militärischen Kapazitäten.

Und paradoxerweise nimmt Frankreich gegenüber China eine viel härtere Haltung ein als etwa Deutschland. Aus allen diese Gründen würde ich gedacht haben, man hätte Frankreich auf irgendeine Weise in den neuen Pakt integriert und nicht ausgeschlossen.

Zu Recht wundern sich die Franzosen nun, was die Logik hinter einer solchen Überlegung ist.

Und viele Kommentatoren, selbst in den USA, was die Angelsachsen hier eigentlich erreichen wollten.

Euronews: Die anderen Europäer haben sich pflichtgemäß auf die Seite Frankreichs geschlagen. Was ist die Lehre für Europa in dieser Affäre?

O'Sullivan: Ich denke, die Lehre ist die, die die Europäer schon seit einiger Zeit lernen - nämlich dass die USA unser wichtigster Verbündeter sind. Die NATO ist wichtig, aber die USA verändern sich. Sie sind zunehmend auf den Asien-Pazifik-Raum ausgerichtet, Asien und China. Auch werden sie immer selbstgerechter, selbst unter Präsident Biden. Und das müssen wir in Europa erkennen. Für uns bedeutet das die enorme Verantwortung, mehr für unsere Sicherheit und Verteidigung zu tun. Das soll nicht heißen, dass wir die NATO oder die transatlantische Allianz in Frage stellen, aber wir müssen mehr tun.