Französischer Experte für Serienmörder hat große Teile seiner Vita erfunden

Der französische Buchautor und Serienmörder-Experte Stéphane Bourgoin hat sich als Hochstapler herausgestellt. Gespräche mit Serienmördern, auf denen er seine Karriere gründete, haben nie stattgefunden. Auch seine angebliche Ehefrau, die von einem Serienmörder getötet worden war, kannte er in Wahrheit nur flüchtig.

Stéphane Bourgoin (links), damals Direktor des Fachbereichs Verhaltenswissenschaften am Internationalen Zentrum für Kriminalwissenschaften in Paris, im Rahmen des 6. Fantastic'Arts-Filmfestivals. Foto: FRANCK FIFE / AFP
Stéphane Bourgoin (links), damals Direktor des Fachbereichs Verhaltenswissenschaften am Internationalen Zentrum für Kriminalwissenschaften in Paris, im Rahmen des 6. Fantastic'Arts-Filmfestivals. Foto: FRANCK FIFE / AFP

Stéphane Bourgoin, ein französischer Bestseller-Autor, hat zahlreiche Bücher über amerikanische Serienmörder geschrieben und damit Millionenauflagen erreicht. Bis vergangene Woche galt er als weltweite Koryphäe auf diesem Gebiet. Dafür hat er selbst gesorgt: Nach eigenen Aussagen hat er seit dem Jahr 1979 insgesamt 77 Serienmörder interviewt, außerdem absolvierte er ein spezielles Training in der Zentrale der US-Bundesbehörde FBI in Quantico. Sein Interesse für das Themengebiet, das hat er oft wiederholt, begann mit dem Mord an seiner angeblichen Ehefrau im Jahr 1976.

Jetzt hat sich herausgestellt, Bourgoin hat große Teile seiner Vita und Erfahrungen mit Serienmördern, darunter das FBI-Training, erfunden. Selbst bei der Frau, die im Jahr 1976 von einem Mann umgebracht worden war, handelte es sich nicht um Bourgoins Frau. In Wahrheit hatte er sie nur wenige Male getroffen.

Nicht 77, sondern weniger als zehn Interviews mit Serienmördern

Ans Licht gebracht hat das eine Gruppe anonymer Blogger via Youtube, ihr Name lautet „4e Œil Corporation“. Erste Hinweise veröffentlichten sie bereits Ende Januar, aber erst vergangene Woche sind große französische Medien auf die Recherche eingegangen und haben damit den Druck auf Bourgoin erhöht. Am Sonntag hat dieser in einem langen Interview mit Le Parisien, der größten Tageszeitung in Paris, die Vorwürfe zugegeben. Darin spricht der 67-jährige Autor zunächst nur davon, die „Realität verstärkt“ zu haben. Dann aber sagt er: „Ich gebe meine Fehler zu. Ich schäme mich, gelogen zu haben.“

Zusammengefasst: Bourgoin, der über zahlreiche Serienmörder mehr als 40 Bücher geschrieben, regelmäßig Dokumentarfilme gedreht und auf Konferenzen sein angebliches Expertenwissen geteilt hat, hat weit weniger als 77 Serienmörder getroffen und interviewt. In Wirklichkeit waren es wohl unter zehn. Darunter war auch nicht, wie behauptet, der wohl berühmteste Serienmörder der Welt, Charles Manson. Dem sei er zwar begegnet, habe aber nicht mit ihm gesprochen, sagt Bourgoin. Auch zahlreiche weitere Serienmörder, deren Taten zu Buchvorlagen wurden, hat er nie getroffen. Stattdessen schrieb er bei anderen Werken ab und zog daraus sein Wissen.

Auch das Training beim FBI hat nie stattgefunden. Bourgoins angebliche Ehefrau hat er zudem nur „fünf- bis sechsmal getroffen und sie gemocht“ und er war auch kein professioneller Football-Spieler – eine Behauptung, die er ebenfalls in der Vergangenheit aufgestellt und im Interview mit Le Parisien widerrufen hat. Er sagt, er sei ein Pseudologe – ein Mensch, der krankhaft lügt und übertreibt. Als Grund gibt er an, er habe immer nur berühmt sein wollen.

Der Arbeits-Titel für sein neues Buch steht

Im Juni hätte Bourgoins neues Buch erscheinen sollen. Der Verlag hat mittlerweile reagiert und die Veröffentlichung „auf unbestimmte Zeit“ verschoben. Auch eine geplante Tournee mit bezahlten Filmvorträgen des angeblichen Crime-Experten in ganz Frankreich wurde gestoppt.

Zuletzt sagt Bourgoin im Interview: „All diese Lügen waren absolut lächerlich. Denn ich glaube, objektiv betrachtet, meine Werke hätten für sich selbst gestanden.“ Er möchte deshalb nun seine Autobiografie in Angriff nehmen. Sie soll heißen: „Nichts zu verheimlichen.“