Frauenärztin Sabine Miltenberger - Lebensverbesserer oder Risiko-Therapie? Der große Check zur Hormonersatztherapie
Die Hormonersatztherapie ist eine gängige Behandlungsmethode für Frauen in den Wechseljahren. Frauenärztin Sabine Miltenberger klärt auf, welche Hormone zum Einsatz kommen und welche Vor- und Nachteile diese Therapie mit sich bringt.
Was ist eine Hormonersatztherapie und welche Hormone werden dabei verwendet?
Heutzutage nutzen wir in erster Linie sogenannte „bioidentische Hormone“, die eben der Baustruktur der weiblichen Geschlechtshormone gleichen, um die Verträglichkeit zu verbessern und die Nebenwirkungen zu minimieren. Hierbei wird das Östrogen über die Haut der Arme appliziert (als Creme, Gel oder Spray), um eine Leberbelastung zu vermeiden und das Progesteron vaginal oder oral genommen.
Selten haben Patientinnen noch den Bedarf an anderen Hormonen, die als Tablette geschluckt werden. Der Anspruch für uns besteht darin, individuell das richtige Präparat, die richtige Dosis und das individuell richtige Level der Hormone im Blut der jeweiligen Patientin herauszufinden. Da wir aber immer nur Momentaufnahmen des Hormonstatus machen können, ist hier Geduld auf allen Seiten notwendig.
Welche gesundheitlichen Vorteile bietet die Hormonersatztherapie bei Wechseljahresbeschwerden?
Im besten Fall können wir die auftretenden Mangelsymptome vollständig therapieren: Schlafstörungen und Hitzewallungen verschwinden, Gelenkbeschwerden und Muskelschwäche lösen sich in Luft auf, die Frauen erlangen wieder ihre gewohnte Energie, die sie zuvor hatten. Der Leidensdruck wird dadurch minimiert oder gänzlich genommen, die Lebensqualität steigt für die Betroffenen.
Einige Krebserkrankungen kommen bedeutend seltener bei Frauen unter Hormonersatztherapie vor (zum Beispiel Magen-Darmkarzinome) und auch demenzielle Erkrankungen im späteren Alter sind seltener zu sehen als bei Frauen, die keine Therapie erhielten. Gleiches gilt für Herz-Kreislauferkrankungen.
Ein riesiges Thema ist die Knochendichte der Frauen, die sich durch eine rechtzeitige adäquate Ersatztherapie erhalten lässt und somit die Osteoporose verhindern kann.
Welche Risiken sind mit der Hormonersatztherapie verbunden und wie werden sie in der Praxis abgewogen?
Hormonrezeptor-positive Krebse, allen voran der Brustkrebs, bzw. einige Arten hiervon, sind als Kontraindikation für die Hormonersatztherapie zu nennen. Auch einige bestimmte Blutgerinnungsthemen und Erkrankungen von Organen können den Einsatz von Hormonen in der Praxis unmöglich machen.
Frauen, die per se sehr „hormonsensibel“ sind, können auch bei kleinsten Dosierungen stark oder gar überreagieren, zum Beispiel mit Kopfschmerzen, Brustschmerzen, Wassereinlagerungen.
Eine vernünftige Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) und im besten Fall eine bereits bestehende langjährige Betreuung der Frauen hilft uns dabei, die Risiken mit der Frau zusammen abzuschätzen und hier in der Beratung mit Augenmaß vorzugehen und nicht übers Ziel hinauszuschießen. Die Einstellung der Therapie erfordert aber, wie gesagt, etwas Zeit. Drei Monate dürfen das im Schnitt schonmal sein.
Wie hat sich die Wahrnehmung der Hormonersatztherapie in den letzten Jahren verändert?
In Deutschland gibt es zwei Lager: die einen, die den Einsatz der Hormone, vor allem der natürlichen, zur Verbesserung der eigenen Lebensqualität gerne in Anspruch nehmen und die anderen, die diesen aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen und/ oder Einstellung ablehnen.
Wir sind keine Missionarinnen und versuchen, die Hilfestellung zu geben, die die betroffenen Frauen auch in der Lage sind mitzugehen. Verordnete Medikamente, die dann final im Müll landen, sind definitiv falsch.
Derzeit sind die Frauen peri- und menopausal, die bereits in ihrer Jugend ganz selbstverständlich die Pille genommen haben zur Verhütung. Hier ist eine gewisse Offenheit wahrzunehmen, was den Einsatz einer Hormontherapie betrifft.
Gibt es Alternativen zur Hormonersatztherapie bei der Behandlung von Wechseljahresbeschwerden?
Wir haben eine breite Palette von homöopathischen, pflanzlichen Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln zur Verfügung. Auch regelmäßige Bewegung hat ihren Stellenwert, genauso wie autogenes Training oder andere Entspannungs- oder Achtsamkeitsübungen. Bei Kontraindikationen haben wir zudem einige zentral wirksame Präparate auf dem Markt, die die besonders lästigen Hitzewallungen gut behandeln können.
Wie wird der Erfolg einer Hormonersatztherapie überwacht und welche Nachsorge ist erforderlich?
Bei einer Neueinstellung sind wir eng im Kontakt mit unseren Patientinnen. Je nachdem kontrollieren wir den Erfolg innerhalb der ersten Wochen, spätestens nach zwei Monaten. Einmal pro Jahr im Rahmen der gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung werden die Werte dann nachgemessen.
Eine Brustkrebsvorsorge inklusive Mammographie alle zwei Jahre ist ohnehin verpflichtend. Zu den ausgelesenen Werten ist aber immer noch das Wichtigste: wie geht es meiner Patientin? Denn wir therapieren kein Laborblatt, sondern Menschen mit Bedürfnissen!