Die Freitagsabrechnung - Die Ampel verzwergt sich zur Fußgänger-Ampel – und die TV-Zuschauer lieben das!

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Robert Habeck bei Markus Lanz."Markus Lanz"

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen steht massiv in der Kritik. In der Zeit der Regierungskrise zeigen ARD und ZDF, was sie wirklich können – und sie werden mit Rekordquoten vom Publikum belohnt. Warnhinweis: Dieser Text wird von zwei frei erfundenen Werbeblöcken unterbrochen.

Drehen wir es doch einfach mal um. In aufgeregten Zeiten tut ein Perspektivwechsel manchmal ja gut. Da öffnet uns die so genannte Sonntagsfrage – „Wen würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre?“ - die Augen. 96,1 Prozent der Deutschen hätten nicht Christian Lindners FDP gewählt. 88,9 Prozent hätten sich nicht für die Grünen und Robert Habeck entschieden. 84,2 Prozent hätten kein Kreuz bei der SPD gemacht und Olaf Scholz nicht als Bundeskanzler gewollt.

Da wird wohl die Selbstdemontage der Ampelregierung bei der Mehrheit der Deutschen zum Ende dieser Woche den Stresspegel nicht hochtreiben. Im Gegenteil. Unterbrechen wir an dieser Stelle für einen kurzen Werbeblock: Bei anhaltenden Erregungszuständen empfehlen wir das Medikament „AAA Ampel Aus Akut“, es senkt zuverlässig den Blutdruck und bekämpft Aggressionsschübe. Zu Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Bundeskanzler, seine SPD-Vorsitzende oder in der Grünen-Parteizentrale.

Beste Erfolge – aber nur fürs Fernsehen

Wechseln wir von der Werbung ins Programm. Schlechte Quoten also für die Regierungsparteien und die Ex-Regierungspartei, gute Quoten bringt das Ampel-Aus nur den TV-Sendern. Da räumt Politik gerade bei den Öffentlich-Rechtlichen gründlich ab. Wenn FDP-Chef Christian Lindner am Donnerstag im ZDF über seine Zeit in der Koalition jammert – „Ich habe es menschlich kaum mehr ausgehalten!“ -, bestaunen sogar am Vorabend 3,56 Millionen Zuschauer, wie er die Rolle vom praktizierenden Ampel-Folterknecht zum Folter-Opfer mühelos meistert. „Notruf Hafenkante“ entfällt wegen seines „Notrufs Regierungspartner gesucht“.

Der gefeuerte Finanzminister wirkt angeschlagen, die Augen sind glasig. Bei seiner Entlassung wenige Stunden zuvor hat ihn der Bundespräsident zum „Hüter der Schuldenbremse“ ernannt. Als ihn die Moderatorinnen darauf ansprechen, kämpft Lindner einen Moment mit der Rührung.

Der Finanzminister auf seinem Weg zu den „Sonstigen“

Politik ist emotional. Politik ist spannend. Politik ist aufregend. Das würdigen die Zuschauer im Land. Und: Politik ist handfest. Am Donnerstag hat der Bundeskanzler seinen Noch-Finanzminister als „ideologisch“ öffentlich abgewatscht. Jetzt versichert Lindner: „Mir werden Steine hinterhergeworfen vom Bundeskanzler, ich werde mich nicht bücken und die zurückwerfen.“

Der Ton der beiden Interviewerinnen ist so, dass Lindner schon einmal ein Gefühl dafür bekommen kann, wie viel Unterschied es ausmacht, als mächtiger Finanzminister in einer Bundesregierung wahrgenommen zu werden oder als Chef einer Partei aktuell deutlich unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde. Willkommen in der Parteienlandschaft unter „Sonstige“.

Im „Brennpunkt“ kann es wirklich heiß werden

Schon der Tag des Showdowns in Berlin hat ARD und ZDF stark gemacht. Und: ARD und ZDF haben den Tag des Showdowns in Berlin stark gemacht. Die Öffentlich-Rechtlichen zeigen, was sie können. Nehmen wir WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni. Die hat gerade ihren ARD-„Brennpunkt“ über den neuen alten US-Präsidenten unfallfrei hinter sich gebracht und will an den Talk „Maischberger“ übergeben.

Wenige Minuten später erlebt Ehni, wie brennend heiß es inmitten eines „Brennpunkt“ wirklich werden kann. Vom Talk geht es zurück zur WDR-Chefredakteurin, und die müht sich redlich, den Zuschauern zu erklären, was sich zu dem Zeitpunkt niemand erklären kann. Parallel verabschiedet sich das ZDF vom Dauerbrenner „Aktenzeichen XY … ungelöst“ und beschäftigt sich ebenfalls lieber mit den Tätern und den Opfern im politischen Berlin. Das gelingt niemandem so souverän wie den Öffentlich-Rechtlichen.

Esken macht Lanz sprachlos – und glücklich

Die Fernsehzuschauer wissen den Unterhaltungs- und Informationswert zu schätzen, der ihnen in diesen Zeiten vor den Fernsehsessel geliefert wird. Die Ampel in Berlin, die sich gerade erfolgreich zur Fußgänger-Ampel degradiert, bringt Deutschland erfolgreich um den Schlaf. Markus Lanz holt sich mit seinem Donnerstags-Talk die höchste Quote seit zwei Jahren. Obwohl seine Sendung sich auf einen extraspäten Start um 23.18 Uhr verschoben hat, bleiben im Durchschnitt 2,35 Millionen Zuschauer wach und verfolgen das Beichtgespräch mit einem Robert Habeck, der am nächsten Morgen verkündet, dass er Bundeskanzler werden will.

Der grüne Wirtschaftsminister bereut seine Fehler und bittet voller (zumindest gespielter) Demut um Absolution. Die verweigert Markus Lanz der zugeschalteten SPD-Vorsitzenden Saskia Esken, weil die allzu dreist ihren Bundeskanzler schönredet, bis der Moderator unmoderat befindet: „Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen sprachlos.“

Dieser Kanzler plant sogar seine Wutausbrüche

Diese Sprachlosigkeit versteht, wer Olaf Scholz bei seinem öffentlich inszenierten Wutausbruch gegen Christian Lindner beobachtet hat, für den sich der Bundeskanzler seine Empörung wohlsortiert auf den Teleprompter hat vorformulieren lassen. „Kleinkariert“ nennt er da Lindner, beschimpft ihn, dass er „zu oft mein Vertrauen gebrochen hat“, wirft ihm Unseriosität und Verantwortungslosigkeit vor, „weil er sich in die Büsche schlägt, wenn es schwierig wird“.

Enden wir mit einem zweiten Werbeblock: „Sie wollen endlich einmal auf den Tisch hauen, es soll Ihnen aber nicht wehtun? Greifen Sie zum Schaumstoffverband O.L.A.F – damit Sie auch morgen noch kraftlos zuschlagen können!“