Die Freitagsabrechnung von Josef Seitz - Von wegen nur Quatsch: Söders Döner-Auftritt ist ernstzunehmende Politik

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, holt sich in einem Dönerlokal einen frischen Döner an der Theke ab.<span class="copyright">Peter Kneffel/dpa</span>
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, holt sich in einem Dönerlokal einen frischen Döner an der Theke ab.Peter Kneffel/dpa

Normalerweise ist das Sommerloch die Zeit der Tiere. Doch in diesem jahr ist Markus Söder schon am Start, bevor ein politisches Vakuum auch nur entstehen hätte können. Eine Liebeserklärung an „meinen Markus“.

Ich habe mich verliebt. Das gebe ich zu. Wie bei jeder Liebe, gerade bei jeder neuen Liebe gilt: Es ist nicht rational. Vor allem auch deshalb, weil ich mich für durchaus heterosexuell halte, das Objekt meiner Liebe aber ein Mann ist. Markus heißt er. Nachname: Söder.

Von Beruf macht er irgendwas mit Politik, das ist für mich in meinem emotionalen Ausnahmezustand aber nicht so wichtig. Seit ich „meinen Markus“, so nenne ich ihn inzwischen, diese Woche erlebt habe, wie er livehaftig in einen Döner beißt und die ganze Welt medial teilhaben lässt, bin ich Fan. Bei Taylor Swift hätten wir gesagt: ein Swiftie. Bei „meinem Markus“ sage ich: Jawoll, herrgottsakrament und kreizkruzifix, jetzt bin ich ein Södsi.

Warum ich jetzt ein Södsi bin

Manchmal ertappe ich mich schon dabei, dass ich leise vor mich hinsumme: „Ja, der Markus, der hat Zähne. Und die trägt er im Gesicht.“ Aber der Altlinke Bertolt Brecht als „Mackie Messer“-Liedtexter ist vielleicht bei einem Kreizkruzi-Christsozialen nicht so angemessen. Außerdem trägt „mein Markus“ die Zähne ja nicht nur im Gesicht, er weiß sie auch einzusetzen.

Falls es tatsächlich Menschen geben sollte, die das noch nicht gesehen haben: „Döner gehört zu meinen drei Lieblingsessen“, hat er in eine SAT.1-Kamera geschwärmt – also Nürnberger Rostbratwürste, Hendl und dann Döner. 45.000 Menschen sollen sich auf Instagram bei #söderisst an seinem Döner-Gewinnspiel beteiligt haben, 40 Gewinner hat er zum Döner-Söder-Treff eingeladen. Ganz großkoalitionär übrigens mit Rotkohl-Garnitur und grünen Gurken. Um, selbstverständlich vor laufender Kamera, seine Zähne in den Döner und politische Mitbewerber zumindest einen Sommer lang aus dem Feld zu schlagen.

Die 44.960 Verlierer macht er zu möglichen Gewinnern eines T-Shirts mit dem Aufdruck „Söder Kebab“. So isst, äh: ist er, „mein Markus“. Mit den Zähnen immer ganz, ganz dicht am Puls des Volkes. Sein Bayern ist längst nicht mehr nur das Land von Laptop, Lederhose, Leberkäs‘. Auch für den Döner mit seinem Migrationshintergrund gibt es eine echte Willkommenskultur. Dafür steht „mein Markus“. Für eine Politik mit Nährwert. Also: food-technisch.

Berliner Löwe? Platzhirsch Markus schafft den locker

„Mein Markus“ hat es also einmal mehr allen gezeigt, wer der Platzhirsch in diesem Sommerloch ist. Da brauchen wir keinen Berliner Löwen wie im vergangenen Jahr, der in der Hauptstadt losspringt und dann doch nur als Wildschwein in der Realität landet. Auch kein Känguru Skippy wie 2015, dem zeigt „mein Markus“ ganz klar, wer in Bayern die größten Sprünge macht.

Der Killer-Wels Kuno von 2001 ist im Vergleich auch nur ein lahmer Karpfen. Und selbst der Kaiman Sammy vor 30 Jahren bekommt Beißhemmung, wenn der bayerische Platzhirsch als Sommerloch-Tier dieses Jahres sein Röhren anstimmt. Ich bin mir sicher: Das hört man auch jenseits der engen Grenzen des Freistaats Bayern.

Standfest auch im fremden Revier

Da wird sich unser Bürokraten-Kanzler Olaf Scholz erinnern, wie sich Söder ausgerechnet in seinem Stammrevier Hamburg bei Ina Müller mit einem Schluck „Küstennebel“ ganz nordisch Mut angetrunken hat, um sich dann über seine Stärken als Lover befragen zu lassen.

So einen Auftritt kann und will man sich nicht vorstellen bei einem politisch überkorrekten CDU-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst. Und auch nicht bei einem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, den erst der Bundeswehr-Düsenflieger mit seinen 74.000 PS so richtig in Schwung bringt. Um nur die wichtigsten Rivalen aufzuzählen, die aus dem Weg zu räumen wären, wenn Platzhirsch Markus sein Revier verlässt und sein Geweih in Berlin aufragen lassen will.

Eine selten gewordene Kunst in der Politik

Ja, der Markus, der hat Zähne – und die will er sicher sehr gerne eines Tages auch im Kanzleramt zeigen. Da sollten sie gewarnt sein, der Scholz, der Wüst, der Merz, denen die Einsilbigkeit schon in den Namen geschrieben ist. Weil: A Hund is a scho, mein Sommerloch-Hirsch Markus.

Und ausnahmsweise zum Schluss ganz im Ernst: Die Verbindung von Unterhaltungswert und Politik ist eine selten gewordene und oft unterschätzte Kunst. Sie kann sehr relevanten Nutzen bringen, um Menschen für Demokratie zu begeistern, die mit Sachthemen allein nicht zu erreichen wären. Da sind Söders „Quatsch-Auftritte“, über die sich viele lustig machen, durchaus ernstzunehmende Politik. Und das ist die Qualität im Quatsch.