Die Freitagsabrechnung - Mir reicht es! Wir Wähler werden behandelt wie die kleinen Kinder

Habeck, Merz und Scholz: Joko & Klaas geben Politikern Sendezeit<span class="copyright">imago images/dts Nachrichtenagentur / imago images/photothek/Kira Hofmann / imago images/Bernd Elmenthaler</span>
Habeck, Merz und Scholz: Joko & Klaas geben Politikern Sendezeitimago images/dts Nachrichtenagentur / imago images/photothek/Kira Hofmann / imago images/Bernd Elmenthaler

Wahlen und Weihnachten haben eines gemeinsam: Da werden die Wunschlisten lang und länger. Die Parteien überbieten sich in Versprechungen. Die Finanzierung interessiert gerade kaum jemanden. Wer die Zahlen durchsieht, reibt sich die Augen – und singt allenfalls: Wunder gibt es immer wieder!

Meine persönliche Woche hatte einen frühen Tiefpunkt. Es war eine dieser Fernsehwegsehsendungen. „Über Geld spricht man doch!“, hieß sie. Darin ging es um einige Promis, die man ganz prominent nicht kennen muss. Und die lassen bestenfalls halbehrlich einen Blick auf ihre Finanzen zu - was sie einnehmen (wenig) und was sie ausgeben (viel).

Bei der Sendung habe ich einiges gelernt. Erstens: Vor dem TV-Abendprogramm funktioniert der Mensch wie der Autofahrer beim Verkehrsunfall - man will nicht hinschauen, tut es irgendwie aber doch. Zweitens: Dieser TV-Tiefpunkt hat sehr viel zu tun mit dem Wahlkampf-Höhepunkt, dem wir gerade in Rekordzeit entgegenhecheln. Was da versprochen wird ist viel. Was dafür eingenommen werden muss, um die Versprechungen zu finanzieren? Wenig.

Wähler werden behandelt wie kleine Kinder

Es ist wie vor Weihnachten. Und wir Wähler werden behandelt wie die kleinen Kinder, die fest an Christkind und Weihnachtsmann glauben. Was uns die Parteien nicht alles auf die Wunschzettel für die Wahl schreiben! „Mehr für Dich“, plakatiert die SPD gerade flächendeckend zu einem Foto von Bundeskanzler Olaf Scholz .

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Tatsächlich verspricht die Partei mit ihrem Wahlprogramm, 95 Prozent der Arbeitnehmer künftig bei der Einkommenssteuer zu entlasten. Dazu kommt noch die Ankündigung, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel senken zu wollen. Auch Stromsteuer und Netzentgelte sollen sinken. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat das durchgerechnet. 30 Milliarden Euro im Jahr würde das den deutschen Staat an Einnahmen kosten.

Damit wir „wieder stolz sein können“?

Geht natürlich noch besser. Das Christkind passt gewissermaßen systemimmanent ideal zu den christlichen Parteien. Für die Entlastungsvorschläge von CDU und CSU errechnet das Institut der deutschen Wirtschaft 89 Milliarden Euro. Auch hier läppern sich die Steuerversprechen: Senkung des Einkommenssteuertarifs, Spitzensteuersatz von 42 Prozent erst, wenn deutlich mehr auf der Gehaltsabrechnung steht.

Das Wundermittel, auf das die Union setzt? Schon ein Prozent Wirtschaftswachstum bedeutet zehn Milliarden höhere Staatseinnahmen, versichert Kanzlerkandidat Friedrich Merz. „Für ein Land“, plakatiert die Union, „auf das wir wieder stolz sein können.“

Bekanntlich geht es für die Union als Hauptbotschaft „Wieder nach vorne“. Im Vergleich nehmen sich die 48 Milliarden Euro für die Pläne der Grünen fast schon bescheiden aus. „Zuversicht.“ plakatieren die Grünen gerne mit einem Foto von Wirtschaftsminister Robert Habeck, dazu: „Ein Mensch. Ein Wort.“ Das macht dann für den, der mitgezählt hat, schon drei Schlusspunkte für die Grünen in der Bundesregierung.

Schuldenbremse als Überlebensaufgabe?

Noch haben wir nicht die Spitzenplätze in der IW-Berechnung erreicht. Da gibt es die Ex-Regierungspartei FDP, die sich die Verteidigung der Schuldenbremse zur Überlebensaufgabe gemacht hat. Trotzdem macht gerade die kleine Partei ganz große Versprechungen. Einkommenssteuer?

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Entlastung um 95 Milliarden Euro. Steuerbelastung der Unternehmen? Absenken auf 25 Prozent. Unterm Strich? 138 Milliarden Euro im Jahr. „Alles lässt sich ändern.“, verspricht die FDP vollmundig auf ihren Plakaten, was ein wenig erstaunt, weil die Partei ja bis vor wenigen Wochen noch Regierungsmacht in den Händen hielt. Nur zwei Dinge lassen sich bei der FDP nicht ändern: Christian Lindner und Steuerversprechen.

Die AfD greift ganz tief in die Tasche

Und dann ist da natürlich auch noch die AfD. Ihre Alternativen für Deutschland summieren sich zu den teuersten aller Parteien – zumindest nach den Berechnungen des zugegeben arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. 149 Milliarden Euro Einnahme-Ausfälle stehen unterm Schlussstrich.

Die Großzügigkeit bremst das nicht. Vor allem die Rentner werden im Entwurf massiv umworben. 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens, also „eine signifikante Erhöhung“, nimmt sich die Partei als „ferneres Ziel“. Als Baustein, um die Rente langfristig zu stabilisieren, setzt die Partei auch auf eine „Willkommensprämie von 20.000 Euro für neugeborene Babys“. Alles bestens also.

Für die ganz Jungen. Für die ganz Alten. Und für die dazwischen? „Wir wollen ein Volk von Eigentümern werden“, verheißt die AfD da, denn: „Eigentum ist Freiheit, schützt vor Altersarmut und vor Mietsteigerungen.“ Ganz viel Förderung bei ganz wenig Einnahmen: Da müssen Christkind und Weihnachtsmann schon Hand in Hand arbeiten, um das möglich zu machen. Ist natürlich nur eine Meinung. Aber es ist ja auch „Zeit für freie Meinung.“ So zumindest steht es auf den Wahlplakaten der AfD.

Über Geld spricht man doch, erleben wir in diesen Wochen bei allen Parteien. Ausgegeben wird viel. Eingenommen wenig. Da wird es nach der Wahl schnell Zeit werden für ein neues altes Fernsehformat. Es heißt „Raus aus den Schulden“. Bei RTL lief die Doku-Soap von 2007 bis 2019 sehr erfolgreich. Durch seinen Tod im Sommer vergangenen Jahres steht Schuldnerberater Peter Zwegat zwar nicht mehr zur Verfügung. Aber vielleicht braucht Schuldenbremser Christian Lindner nach dem Wahlsonntag am 23. Februar einen neuen Job.