Frontex-Direktor: "NGOs sind kein Pull-Faktor"
Hans Leijtens' Position steht in krassem Gegensatz zu einem vertraulichen Frontex-Dokument, das 2022 an die Öffentlichkeit gelangt war und von der italienischen Regierung oft zitiert wurde, um die Aktivitäten von NGOs zu kritisieren.
Gegenüber Euronews stellte Leijtens klar, dass er die Schiffe von NGOs, die Migranten im Mittelmeer retten, nicht für einen "Pull-Faktor" hält. Sie würden niemanden zum Aufbruch ermutigen.
Leijtens ist seit 2023 Direktor von Frontex und hat am Mittwoch dem EU-Parlament von den Aktivitäten der Agentur berichtet. Was auffällt: Leijtens scheint die Rechte der Migranten mehr im Blick zu haben als sein Vorgänger Fabrice Leggeri, der mittlerweile für die rechte "Fraktion Patriots for Europe" im EU-Parlament sitzt.
Ein Paradigmenwechsel bei Frontex?
Ende letzten Jahres hatte Leijtens bei einer Anhörung im Europäischen Parlament ein ähnliches Konzept geäußert. Die Position von Frontex zur "Pull-Faktor"-These (das heißt, dass NGO-Rettungsboote Migranten dazu bringen, in See zu stechen) scheint sich mit dem Wechsel des Direktors der Agentur geändert zu haben.
Der vorherige Direktor Fabrice Leggeri, wurde beschuldigt, einige nach europäischem Recht illegale Massenabweisungen von Asylbewerbern durch die griechische Polizei in der Ägäis mit der stillschweigenden Zustimmung von Frontex-Agenten gedeckt zu haben.
Leijtens trat sein Amt im März 2023 an, fast ein Jahr nach dem Rücktritt von Leggeri, der inzwischen Europaabgeordneter der rechtsradikalen Partei Rassemblement National geworden ist.
Die beiden trafen sich am 4. September bei einer Anhörung, bei der Leijtens den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten des Europäischen Parlaments, dem Leggeri jetzt angehört, über die Aktivitäten von Frontex informierte. Für mehrere Abgeordnete, die sich während der Debatte zu Wort meldeten, scheint der neue Direktor dem Schutz der Grundrechte von Migranten mehr Aufmerksamkeit zu widmen als sein Vorgänger.
Für unsere Agenten geht es in erster Linie darum, Leben an Land und auf See zu retten. Was wir tun können, hängt auch von den Ressourcen ab, aber wir versprechen zumindest immer, es zu tun. Ich wiederhole: Alle Frontex-Agenten haben einen Eid abgelegt und versprochen, zu dienen und zu schützen. Das ist es, was wir tun, die Priorität ist immer die erste", sagte Leijtens gegenüber Euronews.
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Irreguläre Migranten in Europa rückläufig
Das Treffen mit den Europaabgeordneten war auch eine Gelegenheit, die neuesten Frontex-Daten zur irregulären Migration in die EU zu präsentieren.
In den ersten sieben Monaten des Jahres 2024 sind die irregulären Grenzübertritte in Europa im Vergleich zum Vorjahr um 36% zurückgegangen, vor allem durch den Rückgang auf der Balkanroute (-75%) und der zentralen Mittelmeerroute (-64%). Aus den im Juli verzeichneten 32.000 irregulären Anlandungen wurden nach Angaben des italienischen Innenministeriums Anfang September knapp über 43.000: weniger als die Hälfte der 115.000 im Jahr 2023.
Mehr als verdoppelt haben sich dagegen die Anlandungen auf den Kanarischen Inseln, die in den letzten Wochen besonders unter Druck standen, und fast verdreifacht haben sich die Einreisen aus Belarus in die baltischen Länder.
Insgesamt beläuft sich die Zahl der von Frontex von Januar bis Juli 2024 erfassten irregulären Grenzübertritte auf 113.400: Die Zahl der Migranten, die tatsächlich in das Hoheitsgebiet der Union eingereist sind, könnte geringer sein, da ein und dieselbe Person mehrmals für verschiedene Grenzübertritte registriert werden könnte.