Ein Fußball-Märchen, das seinesgleichen sucht
Den Traum von der Profi-Fußballkarriere hatte er begraben. Die Ärzte sprachen Kevin Spadanuda jegliche Art von Leistungssport ab. Doch heute steht der Aargauer mit den ganz Großen der ersten französischen Liga auf dem Platz. Ein Fußballmärchen, das seinesgleichen sucht.
Nicht immer sind es Erfolge, die den Sport so einzigartig machen.
Kevin Spadanuda ist ein herausragendes Beispiel dafür. Vor einigen Jahren wurde der Schweizer von Ärzten noch zum Invaliden erklärt. Heute steht er beim Ligue-1-Klub AC Ajaccio unter Vertrag.
Doch bis zu dem Moment, als er sein Debüt in der ersten französischen Liga neben Lionel Messi und Kylian Mbappé feierte, musste er durch tiefe Täler gehen. Spadanudas Geschichte reicht für zwei Leben
Der heute 26-Jährige begann in der Jugend des FC Aarau. Bei einem Auswärtsspiel verspürte er Schmerzen im Rücken und brach regungslos zusammen.
Brutale Diagnose nach Zusammenbruch
„Ich wollte zum Schuss ansetzen. Auf einmal merkte ich im Rücken einen stechenden Schmerz und spürte, wie ich zusammenbrach. Ich konnte mich über Minuten nicht bewegen. In solchen Situationen hast du Angst, du hast Panik, dir gehen die schlimmsten Gedanken durch den Kopf“, sagte Spadanuda bei transfermarkt.de.
Eine klare Diagnose habe es damals nicht gegeben. Auch nach seinem Krankenhausaufenthalt litt der Mittelfeldspieler weiter unter starken Rückenschmerzen, nahm Schmerzmittel, besuchte Spezialisten im Ausland.
„Meine Familie und ich haben zu dieser Zeit unglaublich viele Ärzte aufgesucht. Wir waren in Deutschland, in Spanien, in der Türkei, keiner konnte uns eine Antwort geben. Ich erinnere mich noch an einen renommierten Arzt, zu dem wir kurz vor Weihnachten gefahren sind. Dafür mussten wir bis ins Wallis und die Straßenverhältnisse waren katastrophal.“
Doch nichts half. Der Traum vom Profifußball rückte in weite Ferne. „Als auch dieser nichts feststellen konnte, mir deutlich machte, dass ich den Profifußball abhaken und lieber auf einen Plan B setzen sollte, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Wenn du deine ganze Jugend davon träumst, Fußballprofi zu werden, und dieser Traum innerhalb von Minuten platzt, bist du einfach nur fertig“, erinnerte sich der gebürtige Bülacher.
Schmerzen beherrschten sein Leben
Die Rückenschmerzen zwangen Spadanuda dazu, seine Ausbildung zum Haustechniker abzubrechen. Mental war er am Boden: „Für mich war das eine absolute Sinnkrise. Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Wenn ich meine Familie nicht gehabt hätte, die mich immer unterstützt hat, wäre ich an der Situation kaputtgegangen, weil mir der Halt gefällt hätte“, so Spadanuda und betonte seinen Respekt gegenüber jedem, den ein ähnlicher Schicksalsschlag ereilte.
Die Kehrwende kam durch einen Zufall, als ihn ein Bekannter mit ins Fitnessstudio nahm. „Ich wusste, ich kann mich nicht den ganzen Tag verkriechen. Erst habe ich leichte Übungen gemacht, auch um meinen Kopf zu beschäftigen, die Gedanken auszustellen. Mit der Zeit habe ich gemerkt, die Schmerzen im Rücken lassen nach, infolgedessen bin ich häufiger ins Fitnessstudio gegangen. Irgendwann sah ich wirklich wie ein kleiner Bodybuilder aus, aber die Rückenschmerzen waren so gut wie weg“, erklärte der Linksaußen.
Ein Hoffnungsschimmer: Er fand infolge dessen einen Ausbildungsplatz zum Logistiker. Der Wunsch, auf den Fußballplatz zurückzukehren, wuchs, wenn auch nur als Amateur. Sein Comeback feierte er schließlich beim FC Schinznach-Bad in der achten Schweizer Liga.
Spadanuda meisterte jede Station
„Bis heute konnte mir keiner sagen, was der Grund oder der Auslöser für die Rückenschmerzen war. Als ich den Ball wieder an meinem Fuß gespürt habe, war das ein so geiles Gefühl, das unbeschreiblich ist. Die Zeit bei Schinznach-Bad war genial. Ich habe mit vielen Freunden zusammen gekickt und es ist so, wie man sich Dorffußball vorgestellt. Manche Jungs kamen vor dem Spiel direkt aus der Diskothek, andere haben nach dem Spiel noch drei, vier Bier verdrückt. Es war wie eine Familie, es war gelebter Zusammenhalt“, erinnerte er sich.
Sein Ehrgeiz zahlte sich aus. Bereits nach einem halben Jahr gelang ihm der Sprung zum Fünftligisten SC Schöftland. „Als die Anfrage kam, waren schlagartig sofort grübelnde Gedanken da. Bringt der Wechsel überhaupt was? Mache ich mir damit nicht unnötigen Stress? Und hält der Rücken?“
„Am Ende habe ich mir gesagt, es gibt einen Grund, weshalb ich diese Anfrage bekommen habe und ich probiere diesen Schritt, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben. Noch heute ist die Angst da. Aber ich habe gelernt, mit der Angst zu leben, um im Kopf frei zu sein. Die wichtigste Lerneinheit über die vergangenen Jahre war es, die Angst nicht festzuhalten oder infolgedessen zu verkrampfen, sondern einfach loszulassen“, sagte Spadanuda.
"Es hat sich gelohnt für den Traum zu kämpfen"
Es ging weiter nach oben. Beim Viertligisten FC Baden stieg er zum Leistungsträger auf: elf Toren in 22 Partien. Spadanuda begann wieder zu träumen. Besonders als er vom FC Aarau zum Probetraining eingeladen wurde. Wenig später unterschrieb er dort einen Profivertrag.
Der Rechtsfuß dankte das Vertrauen. Bei seiner ersten Einwechslung gelang ihm nach sieben Minuten ein Treffer zum zwischenzeitlichen 1:4 gegen den FC Lausanne-Sport.
„Dieses Tor war unglaublich schön, aber einen größeren Stellenwert hatte für mich der damalige Anruf vom Aarauer Sportdirektor, der mir sagte, ich kriege einen Profivertrag. Auf einmal hatte ich Gänsehaut und habe voller Freude sofort meine Mutter angerufen. Ich weiß noch genau, wie meine Mutter am Telefon vor Glück weinte und sagte: ‚Kevin, siehst du, es hat sich gelohnt für seinen Traum zu kämpfen‘“, sagte Spadanuda.
Spadanuda testet in Ligue 1 Grenzen
Viel Motivation zog der 26-Jährige unter anderem aus der Musik: „Am Ende geht es darum, nicht aufzugeben, sondern weiterzukämpfen, auch wenn es schwere Zeiten gibt.“
Den Sport weiß er durch seine Verletzung noch mehr zu schätzen. „Klar könnte ich mir jeden Tag Marken- oder Designerkleidung kaufen, aber erfüllt mich das? Nein. Mich erfüllt es eher, wenn ich mit meiner Frau oder der gesamten Familie essen gehe. Wenn ich sehe, wie sehr sich unsere Tochter über ein neues Spielzeug oder Kuscheltier freut - das erfüllt mich. Wenn du nichts hast, wenn du aus dem Nichts kommst, ist für dich nichts selbstverständlich und deshalb bist du motiviert“, sagte er.
Nachdem Spadanuda beim FC Aarau mit 30 Toren sowie 16 Assists in 90 Zweitligaspielen zum Leistungsträger wurde, war nach dem verpassten Aufstieg in die Super League klar, dass der Klub seinen besten Spieler nicht halten kann. Der Offensivspieler entschied sich für einen Dreijahresvertrag beim französischen Erstligisten AC Ajaccio.
An 24 Spieltagen gelang ihm trotz zwölf Einsätzen noch kein Tor. „Der Wechsel in die Ligue 1 war auch ein Austesten meiner eigenen sportlichen Grenzen. Ich bin mit der Einstellung nach Frankreich gewechselt, dass ich nur gewinnen kann, nicht scheitern oder verlieren. Ich erinnere mich noch an meine erste Trainingswoche in Frankreich, ich war so kaputt, weil ich wirklich jeden Sprint versucht habe zu gewinnen, keinen Zweikampf gescheut und jedes 1:1 bewusst gesucht habe.“
„Ich wollte zeigen, wer ich bin und was ich kann. Mittlerweile habe ich auch eine bessere Balance gefunden und so lautet mein Ziel in der Rückrunde einen Stammplatz zu erkämpfen. Und vielleicht erklärt man mich für verrückt, aber für die Zukunft ist mein großer Traum, einmal das Trikot der Schweizer Nationalmannschaft tragen zu dürfen“, schaute Spadanuda voraus.
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