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Fume Events: Wie gefährlich ist verunreinigte Zapfluft im Flieger?

“Fume events” sind seit den 1950ern bekannt aber wurden nur wenig erforscht (Bild: Getty Images)
“Fume events” sind seit den 1950ern bekannt aber wurden nur wenig erforscht (Bild: Getty Images)

Stört Sie beim Flug in den Urlaub ein beißender Geruch nach alten Socken und Käsefüßen? Zweifeln Sie in diesem Fall nicht an der Hygiene Ihrer Mitreisenden, denn das Problem könnte deutlich gravierender sein: Nervengase gelangen ungefiltert über die Zapfluft aus den Triebwerken in das Innere der Maschine – erkennen können Passagiere das Gas laut Zeugenberichten nur an seinem Geruch nach Schweißfüßen. Vorfälle dieser Art sind im Luftverkehr als “fume events” oder “smell events” bekannt.

Sobald die Türen des Flugzeuges geschlossen sind, wird die Atemluft im Inneren von den Turbinen abgezapft und ungefiltert ins Flugzeug geleitet – inklusive verschiedener Schadstoffe, die aus dem Treibstoff freigesetzt werden. Die Zapfluft ist laut einer Studie der Hochschule Fresenius insbesondere dann für Passagiere und Crew gefährlich, wenn Öl im Triebwerk austritt, verdampft und die Emissionen ins Flugzeug gelangen.

Das Nervengift Trikresylphosphat (TCP) und andere Giftstoffe, die in die Kabinenluft strömen, führen laut der Studie zum sogenannten aerotoxischen Syndrom. Fatal: Dieses kann neben langfristigen Gehirn- und Nervenschäden bei der Crew auch direkte Symptome wie Übelkeit und Taubheitsgefühle auslösen, was die Sicherheit aller Reisenden stark gefährden kann.

So geschehen 2010 bei einem Germanwings-Flug von Wien nach Köln: Beide Piloten waren aufgrund von Taubheitsgefühlen und Übelkeit flugunfähig, Feuerwehr und Sanitäter warteten neben der Landebahn und waren auf das Schlimmste gefasst – der Albtraum eines jeden Reisenden und der Crew. Dank Atemmasken konnten die beiden Flugzeugführer die Maschine jedoch ohne Zwischenfall landen.

Dass dieses Szenario keine Seltenheit ist – möglicherweise gar von Airlines und Flugzeugbauern hausgemacht – belegen Zahlen der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU): Laut deren Studie kam es zwischen 2006 und 2013 zu 663 Unfällen und Störungen in Flugzeugen, die auf die mangelhafte Luft in Kabine und Cockpit zurückzuführen waren.

Flugbegleiter haben Angst vor Folgeschäden

“Welche Konsequenzen die verunreinigte Luft an Bord hat, wird auch verstärkt vom Flugpersonal wahrgenommen”, sagt die Stewardess Eileen Müller* Yahoo Nachrichten. Laut ihrer Aussage berichten Kollegen verstärkt von Vorfällen, bei denen Flugbegleiter und Piloten schwer krank oder gar flugunfähig wurden.

“Viele Flugbegleiter und Piloten sind enttäuscht, dass die Problematik von den Airlines unter den Teppich gekehrt wird – die Mitarbeiter fühlen sich nicht ausreichend aufgeklärt oder von ihrem Arbeitgeber geschützt. Und das, obwohl sie sich bei jedem Flug einem hohen gesundheitlichen Risiko aussetzen”, berichtet die Mitarbeiterin einer bekannten Airline weiter.

Bei fast allen Flugzeugmodellen wird Kabinenluft aus den Turbinen abgezapft (Bild: Getty Images)
Bei fast allen Flugzeugmodellen wird Kabinenluft aus den Turbinen abgezapft (Bild: Getty Images)

Ähnliche Worte findet der Flugbegleiter Christian Richter*. Auch er fühle sich machtlos und habe Angst vor den langfristigen Schäden, denen Mitarbeiter und Passagiere durch die schlechte Luft im Flugzeug ausgesetzt sind. “Klare Verantwortung darin, die aktuelle Situation zu ändern, sehe ich auf Seiten der Flugzeugbauer und der Airlines”, sagt Richter. Während erstere das Gesundheitsrisiko durch neue Technologien vollständig ausschließen könnten, würden die Airlines selbst in dieser Hinsicht zu wenig Druck ausüben.

Grund für die bisher ausbleibenden Maßnahmen vermutet der Mitarbeiter in den höheren Kosten, die auf Fluggesellschaften und Hersteller zukommen würden. “Das sind folglich Einsparungen, die gegen die Gesundheit von Mitarbeitern und Kunden abgewogen werden.”

Vereinigung Cockpit fordert Luftfilter

Obwohl die Problematik der kontaminierten Luft in Flugzeugen durch Zapfluft seit den 50er Jahren bekannt ist, ist der Boeing 787 Dreamliner weltweit aktuell das einzige Modell, in dem keine Zapfluft in das Flugzeug strömt. Staddessen wird die Kabinenluft aus der Umgebung des Flugzeuges angezogen und in das Innere geführt, ohne zuvor durch die Triebwerke zu strömen.

Laut der Vereinigung Cockpit (VC), dem Interessenverband der Flugzeugführer und Flugingenieure in Deutschland, ist es jedoch nicht möglich, Herstellern und Airlines vorzuschreiben, die Belüftung von Flugzeugen in dieser Weise umzusetzen. Daher fordert der Verband den umgehenden Einbau von Filtern, um die Luft in Kabine und Cockpit so gut wie möglich von den Trieböl-Schadstoffen zu befreien.

Viele Flugbegleiter zeigen sich besorgt über die Zapfluftproblematik (Bild: Getty Images)
Viele Flugbegleiter zeigen sich besorgt über die Zapfluftproblematik (Bild: Getty Images)

Fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse zur Gefährdung von Passagieren und Crew durch Kabinenluft sieht der Bundesverband der Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) indes bisher nicht bestätigt. 60 Testflüge, die mit Maschinen von Lufthansa und Condor durchgeführt wurden, haben keine erhöhten Werte an TCP oder anderen Nervengasen ergeben.

Obwohl die Sicherheit von Passagieren und Crew die oberste Maxime des BDLI sei, würden in Absprache mit der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) konkrete Befunde abgewartet, bevor es zu Änderungen der Luftversorgung in Flugzeugen komme.

Im Oktober 2018 wurde vom Arbeitsgericht Köln die Klage zweier Flugbegleiterinnen gegen ihren Arbeitgeber wegen eines “fume events” abgewiesen, da der Fluglinie für die Belastung kein vorsätzliches Verschulden nachzuweisen sei. Ob es einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen verunreinigter Zapfluft und gesundheitlichen Problemen gibt, wurde dabei nicht geklärt.

*Namen von der Redaktion geändert