Göktan: Mein Bruder musste mir erst die Nase brechen

Berkant Göktan ist zurück im Leben. Nicht als Fußballer, aber als Mensch. Bei der Familie in seiner Heimatstadt München.

2008 hatte er seine schwärzeste Stunde erlebt. Da wurde ihm wegen nachgewiesenen Kokainmissbrauchs bei 1860 München fristlos gekündigt. Anschließend verschwand er für Jahre von der Bildfläche.

Im zweiten Teil des großen SPORT1-Interviews spricht Göktan über seine Zeit in Thailand, seine Therapie, eine gescheiterte Rückkehr zu Sechzig - und Finanzprobleme. (Hier geht's zu Teil 1 des Interviews)

SPORT1: Herr Göktan, Nachdem 1860 München Ihnen 2008 fristlos gekündigt hatte, verschwanden Sie nach Thailand. Wie haben Sie dort gelebt?

Göktan: Ich bin in einem Gästehaus untergekommen wie die Backpacker. Ich wollte erstmal ganz weit weg und war in diesen Tagen frei, denn mich kannte dort keiner. Ich musste alles erst mal verarbeiten. Nach zwei Monaten habe ich meine jetzige Frau kennengelernt. Später haben wir in Deutschland geheiratet. Unsere beiden Kinder sind dann in Thailand zur Welt gekommen.

SPORT1: War Sie Ihre große Rettung in dieser Zeit?

Göktan: Definitiv ja. Ein starker Mann braucht immer eine starke Frau an seiner Seite. Vielleicht wäre mein Leben anders gelaufen, wenn Sie schon während meiner Karriere an meiner Seite gewesen wäre. Aber es ist unsinnig, darüber nachzudenken. Ich bin gerade sehr glücklich und schaue nach vorne. Allein die Gegenwart und die Zukunft zählen für mich.

SPORT1: 2009 hat Ihnen 1860 eine Rückkehr in Aussicht gestellt. Warum haben Sie abgelehnt?

Göktan: Ich war einfach nicht bereit dazu. Miki Stevic (damaliger 1860-Sportchef, d. Red.) hat mich extra zu Hause besucht und wollte, dass ich von unten wieder ganz neu anfange und mich fit mache - ohne Stress. Für diese Geste bin ich ihm immer noch sehr dankbar. Herr Stevic hätte mir die Chance gegeben, bei 1860 wieder spielen zu können. Aber ich hatte damals einfach noch zu viele Probleme, es war zu viel passiert in der Vergangenheit.

SPORT1: Wie war Ihre Rückkehr nach München im Sommer 2012?

Göktan: Es war nicht schön, weil ich immer noch einen Stein im Herzen fühlte. Die Rückkehr in meine Geburtsstadt München hat viele Erinnerungen zurückgebracht. Damals war ich noch depressiv. Ich habe zu der Zeit auch noch getrunken. In dieser Phase war mir Michael Matejka (damaliger Manager des SV Heimstetten, d. Red.) eine sehr große Hilfe. Er hat mir angeboten mitzutrainieren und mich fit zu halten. Das habe ich auch gerne gemacht. Er hat mich auch bei der Wohnungssuche unterstützt. Auch bei ihm möchte ich mich sehr bedanken.

SPORT1: Im März 2013 haben Sie beim SV Heimstetten begonnen. Wollten Sie wirklich noch mal zurückkommen?

Göktan: Ja, aber ich hatte bereits im Training gemerkt, dass es körperlich einfach nicht mehr geht. Der Rücken hat nicht mehr mitgemacht. Ich hatte Oberschenkelprobleme und mir ist klar geworden, dass meine Zeit als Fußballer vorbei ist.

SPORT1: Wie haben Sie Ihre Sucht bekämpft?

Göktan: Ich habe in München eine Therapie wegen des Alkohols gemacht, weil ich alle zwei bis drei Tage getrunken hatte. Der Alkohol machte mich sehr depressiv und aggressiv. Ich danke meinem Bruder, der mir im Urlaub nach einem heftigen Streit mit einem Kopfstoß die Nase gebrochen hat. Da habe ich gemerkt, dass sich auch meine Familie plötzlich von mir abwendet. Ab diesem Moment hat es bei mir klick gemacht.

SPORT1: Wie sehen Sie Ihre beiden Ex-Vereine 1860 und den FC Bayern?

Göktan: Ich habe eine besondere Verbindung zu Sechzig, das ist wie die Liebe zu einer Frau. Ich interessiere mich nur für die Blauen. 1860 ist für immer in meinem Herz. Natürlich habe ich aber auch nicht vergessen, dass ich beim FC Bayern groß geworden bin. Dort habe ich in der Jugend gespielt und später meinen ersten Profivertrag unterschrieben.

SPORT1: Vor zwei Wochen hatten Sie wieder Kontakt zu Marco Kurz. Wie war das für Sie?

Göktan: Ich bin dankbar, dass der Kontakt wiederaufleben konnte. Ohne Kurz hätte ich es bei 1860 als Profi nicht geschafft.

SPORT1: Wollen Sie sich noch bei anderen Menschen entschuldigen?

Göktan: Natürlich. Zuerst mal bei den tollen Fans von 1860, die mich immer unterstützt und gefeiert haben. Bei all meinen ehemaligen Mitspielern wie Michael Hofmann, Daniel Baier, Jose Holebas und Daniel Bierofka (heute 1860 Chefcoach, d. Red.), um nur einige zu nennen. Ich kam mit den Jungs ins Training, war mit ihnen in der Kabine, wir haben uns fast täglich gesehen. Es tut mir wirklich leid, dass ich den Jungs das damals angetan habe. Durch mich hatten sie viele negative Momente.

SPORT1: Was sind Sie heute für ein Mensch und wie leben Sie?

Göktan: Ich bin heute sehr dankbar dafür, dass ich eine Familie habe, die zu mir steht und mir in der schwierigsten Zeit meines Lebens geholfen hat. Vor allem meine Eltern. Mir ging es finanziell oft nicht gut.

SPORT1: Sie haben keine finanziellen Reserven mehr aus Ihrer Zeit als Profi?

Göktan: Nein, das ganze Geld ist weg. Aktuell bin ich 496 Euro im Minus. Ich habe neben dem Koks und dem Alkohol einen weiteren großen Fehler gemacht. Ich hatte zwei Immobilien und habe diese verkauft, um meinen Lebensstandard zu finanzieren. Nun ist alles aufgebraucht.

Die Highlights der 3. Liga am Montag ab 23.30 Uhr in Bundesliga Pur im TV auf SPORT1

SPORT1: Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

Göktan: Ich würde gerne Trainer werden. Ich habe mein ganzes Leben nur Fußball gespielt, ich wollte nie etwas anderes machen. Für diesen Sport brenne ich und hoffe, dass dort meine berufliche Zukunft liegt und ich eine zweite Chance bekomme.