"Gabe medialer Präsenz": Ex-Bundespräsident Gauck vergleicht bei Lanz Trump und Hitler

Altbundespräsident Joachim Gauck zog hinsichtlich
Altbundespräsident Joachim Gauck zog hinsichtlich "medialer Präsenz" bei "Markus Lanz" einen gewagten Vergleich zwischen Nazi-Diktator Adolf Hitler und dem ehemaligen US-Präsidenten und jetzigen Kandidaten Donald Trump. (Bild: ZDF)

Das deutsche Grundgesetz wird in diesem Jahr 75 Jahre alt. Zu diesem feierlichen Anlass hatte sich Markus Lanz am Dienstagabend Ex-Bundespräsident Joachim Gauck in seinen ZDF-Talk eingeladen, um über die Verfasstheit des Landes sowie den allgemeinen Zustand der Welt zu sprechen - auch über Kanzler Olaf Scholz (SPD), über die AfD, über Joe Biden und Donald Trump.

Zunächst fragte Lanz den Politiker und Theologen jedoch: "Was denken Sie über das Alter?" Gauck antwortete trocken, dass das Alter "relativ" sei, er jedoch selbst aufgrund seines Alters darauf verzichtet habe, eine zweite Amtszeit anzustreben. "Ich wollte nicht Gott versuchen und so tun, als wüsste ich, wie stark und präsent ich noch nach der 80er-Jahre-Schwelle wäre. Das kam mir irgendwie vermessen vor", so Gauck ehrlich. Er habe daher das Gefühl gehabt, "ich habe das Meine getan". "Haben Sie es mal bereut?", hakte der Gastgeber interessiert nach. Der Altbundespräsident wiegelte mit einem schnellen "Nein!" ab und erklärte: "Es war mir nicht klar, wozu ich noch imstande wäre."

Eine Steilvorlage für Lanz, der auf US-Präsident Joe Biden zu sprechen kam, welcher am vergangenen Wochenende verkündete, auf eine zweite Amtszeit verzichten zu wollen. Gauck zollte ihm Tribut: "Der Mann hat eine wichtige und gute Politik gemacht. Wir brauchten wieder eine amerikanische Alternative der Verlässlichkeit. Und er hat uns dies ermöglicht." Lanz merkte daraufhin an, dass Trump zwar in derselben Altersliga spiele, aber seine mentale Fitness nie öffentlich diskutiert werde.

Gauck nickte und erklärte, dass Trump ein "besonderes Vermögen" habe, "mit seiner Daseinsform an eine bestimmte Schicht in der Wahl-Bevölkerung anzudocken. Die sehen in ihm etwas, was ich für fast unerklärbar halte." Der Ex-Bundespräsident wagte in dem Zusammenhang einen Vergleich mit Adolf Hitler und sagte auch, der Diktator habe "eine Gabe medialer Präsenz" gehabt, "die unglaubliche (...) und verführerische Auswirkungen hatte, sodass ein ganzes Land nicht nur geführt, sondern verführt wurde".

"Es war mir nicht klar, wozu ich noch imstande wäre", erklärte Gauck Gastgeber Lanz (links) zu seinem Rückzug und seinem Alter. (Bild: ZDF)
"Es war mir nicht klar, wozu ich noch imstande wäre", erklärte Gauck Gastgeber Lanz (links) zu seinem Rückzug und seinem Alter. (Bild: ZDF)

Daraufhin lenkte Markus Lanz das Gespräch auf den Kommunikationsstil der Ampel-Regierung und fragte: "Haben wir diese Fähigkeit, zu kommunizieren? Haben wir die im Kanzleramt?" Joachim Gauck lachte: "Das musste ja nun kommen!" Der Ex-Bundespräsident erklärte daraufhin ehrlich: "Ich sehe natürlich die Kritikpunkte, die Olaf Scholz zu hören bekommt. Einen norddeutschen Typen wie ihn wird man nicht grundsätzlich verändern."

Dennoch forderte er in Bezug auf die große Unzufriedenheit im Land: "Um den Vertrauensverlust einzudämmen, wäre eine Kommunikationsstrategie hilfreich, die auch dann, wenn sie nicht eine völlig erfolgreiche Politik abliefern kann, mit uns als Erwachsene ins Gespräch geht und nicht irgendwelche Ausflüchte sucht." Im fehlenden Vertrauen in die Bundesregierung sah Gauck auch Grund für den Aufstieg von Parteien wie der AfD.

Angela Merkels Satz "Wir schaffen das" ist inzwischen ikonisch, damit drückte die Kanzlerin ihre Haltung zur Flüchtlingskrise 2015 aus. Gauck dazu: "Der Satz ist an und für sich richtig. Dann kommt aber ein Raum der Vermutungen, weil nicht mehr erkennbar wird, wann und mit welchen Methoden wir was schaffen wollen." Die daraus entstandene "Erwartungshaltung" könne Misstrauen wachsen lassen, wenn nicht reagiert werde. "Wenn da in der politischen Landschaft Probleme und Ängste nicht bearbeitet werden von den demokratischen Parteien, dann finden sich welche, die das bearbeiten. Und genau dieses Problem haben wir in ganz Europa gesehen in den letzten Jahren." Deshalb hätten sich die Nationalpopulisten 2015 über die Flüchtlingskrise "total gefreut". Sie seien "im Grunde Trostelemente für die, die sich vor dem Wandel fürchten. Aber was sie an Zukunftsangeboten haben, ist äußerst dürftig - manchmal überhaupt nicht vorhanden", so Gauck.

Der Ex-Bundespräsident fügte zum Thema Rechtspopulisten hinzu: "Sie haben eine Botschaft, die die Verunsicherten tröstet und die sagt: Wir verstehen euch und wir sorgen dafür, dass es wieder so wird, dass ihr euch wieder wohlfühlt. Das ist irrational." Mit Blick auf die Bundesregierung forderte er deshalb klare Ansagen und Strategien, denn: "Indem man die Wirklichkeit schönt (...), verliert man Vertrauen."

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Einen "norddeutschen Typen" wie Olaf Scholz werde man nicht grundsätzlich ändern, so der Politiker und Theologe Gauck, der sich auch zu den öffentlichen Kritikpunkten am Kanzler äußerte. (Bild: ZDF)

Ähnlich argumentierte Joachim Gauck auch, als es um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ging. Dass besonders im Osten des Landes viele Menschen mit Russland und Putin zu sympathisieren scheinen, überraschte den Politiker wenig. Er erklärte: "Wir haben eine relativ große Minderheit, die befangen ist durch Erfahrungen der Unterdrückung. Und die sich fürchten, mit denen, die früher Macht über uns hatten, sich anzulegen." Rechtspopulistische Parteien wie die AfD griffen genau diese Angst bewusst auf und nützten sie politisch.

Dennoch forderte der Altbundespräsident: "Wir dürfen niemals diesen Teil der Ostdeutschen, die jetzt AfD wählen oder andere schräge Parteien, für die Mehrheit halten." Einen weiteren Aufstieg der Partei wollte er jedoch nicht ausschließen, denn: "Sie haben das Potenzial." Aus diesem Grund blickte der Ex-Bundespräsident auch sorgenvoll in Richtung der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Eine Koalition der Union mit der AfD und dem BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) schloss Gauck zwar aus, eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei unter Bodo Ramelow hielt er jedoch für denkbar. Laut Gauck könne die Union daher "gezwungen sein, in Koalitionen einzuwilligen, von der man jetzt denkt: Hoffentlich bleibt es uns erspart."