„Das ist ein Gamechanger“ - Ein mysteriöses Versprechen in New York soll ein neues Atom-Zeitalter starten

Bau eines Kernkraftwerks in der Türkei im April 2023 (Archivbild): Hat die Atombranche jetzt ihr Finanzierungsproblem gelöst?<span class="copyright">Ercin Erturk/Anadolu Agency via Getty Images</span>
Bau eines Kernkraftwerks in der Türkei im April 2023 (Archivbild): Hat die Atombranche jetzt ihr Finanzierungsproblem gelöst?Ercin Erturk/Anadolu Agency via Getty Images

Eine neue Ära? Mehr als ein Dutzend Staaten auf der ganzen Welt will neue Atomkraftwerke bauen - dem Klima zuliebe. Doch die Finanzierung der teuren Meiler ist ein Problem. Auf einem Event in New York sollen einige der weltgrößten Banken jetzt ein Versprechen abgegeben haben - zu dem sie sich aber öffentlich nicht äußern wollen.

Im „Rainbow Room“ des berühmten New Yorker Rockefeller Centers sollte am Montag eine neue Ära starten. Der Gebäudekomplex, erbaut mit den Öl-Millionen der berühmten Rockefeller-Familie, beherbergte anlässlich der New Yorker „Climate Week“ eine hochkarätig besetzte Veranstaltung. Anwesend waren unter anderem John Podesta, der Klimabeauftragte von US-Präsident Joe Biden, die schwedische Energieministerin Ebba Busch und der slowenische Premierminister Robert Golob.

Und die prominente Teilnehmerliste hatte Spektakuläres zu verkünden: Insgesamt 14 der weltweit größten Banken und Finanzinstitutionen hätten sich bereit erklärt, künftig die Kernenergie zu unterstützen - darunter so bekannte Häuser wie Barclays, Goldman Sachs, die Bank of America oder BNP Paribas. „Dieses Event wird ein Gamechanger“, sagte George Borovas vom Branchenverband World Nuclear Association im Vorfeld der „Financial Times“ .

Ambitionierte Atom-Absichten

Doch worum geht's genau? Eingeladen zu der Veranstaltung hatte die globale Atom-Allianz aus insgesamt 22 Staaten, die sich letzten Dezember auf der Weltklimakonferenz in Dubai formiert hatte . In einer Erklärung hatte sich die Allianz damals verpflichtet, die installierte Leistung der weltweiten Atomkraftwerke bis 2050 zu verdreifachen - und die internationale Finanzwelt dazu eingeladen, diesen Ausbau finanziell zu unterstützen.

Mit der Zusage des Finanzsektors scheint die Allianz ihrem ehrgeizigen Ziel einen großen Schritt nähergekommen zu sein. „Die Finanzinstitutionen erkennen an, dass zivile Kernenergie-Projekte weltweit eine wichtige Rolle in der Transformation zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft einnehmen“, hieß es in einer begleitenden Mitteilung der Allianz. Für das langfristige Ziel eines Ausbaus der Atomkraft hätten die Finanz-Akteure „ihre Unterstützung zum Ausdruck gebracht“.

Ohne den Staat geht nichts

Tatsächlich ist das größte Problem von Atomkraftwerken nicht der Müll, den sie hinterlassen oder die Gefahr einer Kernschmelze, wie Kritiker gerne behaupten. Es ist die Finanzierung: Ein Kernkraftwerk zu bauen, ist langwierig, teuer und aufwändig. Der im April 2023 ans Netz gegangene „Block 3“ des finnischen Kernkraftwerks Olkiluoto, seines Zeichens der leistungsstärkste Reaktor Europas, wurde erst mit zwölfjähriger Verspätung fertig, zum knapp Vierfachen der ursprünglich veranschlagten Kosten - elf Milliarden Euro statt drei Milliarden. Das jüngste mahnende Beispiel kommt aus dem US-Bundesstaat Georgia, wo im Juli 2023 und in diesem März zwei neue Reaktorblöcke in Betrieb gingen. Der Preis: 35 Milliarden Dollar, mehr als doppelt so viel wie veranschlagt.

Kein Wunder also, dass die Atomenergie ein Finanzierungsproblem hat - und in der Regel nur mit gewaltigen Staatshilfen gelingt. Private Investoren stecken ihr Geld lieber in Technologien wie die Solarenergie: Dort locken exponentielles Wachstum und höhere Gewinne. Und für Risiken müssen seit jeher die Staaten haften, weil sich kaum eine Versicherung findet, die gerne ein Atomkraftwerk versichern würde.

Seltsames Schweigen

Abseits dessen halten auch politische Gründe die Finanzbranche oft von einem Investment ab. Das Für und Wider der Kernkraft wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert, viele internationale Kreditgeber haben in ihren Statuten festgehalten, keine neuen Atomprojekte zu finanzieren. Die Weltbank etwa hat seit 1959 keinen Kredit mehr für ein Kernkraftwerk vergeben. „In den Chefetagen von Banken hat man einfach gesagt: Wir verstehen nichts von Atomkraft, wir wissen nur, dass es sehr kompliziert und sehr kontrovers ist“, sagt Verbandsvertreter Borovas. Die Zusage der 14 großen Finanz-Akteure könne helfen, dieses Stigma zu überwinden - und die Kernenergie als Teil der Lösung für den Klimaschutz zu begreifen.

Allerdings: Was genau die Banken nun beitragen sollen, ist unklar. Von den 14 beteiligten Instituten hat keines eine eigene Pressemitteilung herausgegeben, auch auf Nachfrage halten sie sich bedeckt. Der „Financial Times“ teilte immerhin BNP Paribas mit, man sehe die Kernkraft als wichtige Ergänzung zu Solar und Wind. Und von Seiten der Bank Barclays heißt es, die Wissenschaft sei sich einig, dass die weltweite Klimaneutralität bis 2050 nur mit der Atomkraft zu erreichen sei. Sonst: Funkstille.

Nach Angaben von Teilnehmern habe es bei der Veranstaltung am Montag zwar eine Podiumsdiskussion mit Vertretern der beteiligten Institute gegeben. Aber auch dort sollen die eingeladenen Teilnehmer der Branche nur betont haben, dass die Finanzierung ein komplexes Thema sei und dass es „Garantien“ brauche, damit sich ein Kredit auch lohnt - etwa in Form langfristiger Abnahmeverträge, sogenannter Power Purchase Agreements (PPA).

„Three Mile Island verändert alles“

Trotz allem ist der Optimismus groß. Das liegt vor allem am Siegeszug der künstlichen Intelligenz (KI), deren Energiehunger gigantisch ist. Die Hoffnung: Sollte der Energiebedarf durch KI deutlich stärker steigen als angenommen, hat es die Atomkraft leichter, sich als Alternative auf dem Markt zu positionieren. „Alle waren sich einig, dass Three Mile Island alles verändert“, sagte eine Teilnehmerin der Veranstaltung zu FOCUS online Earth. In dem stillgelegten US-Atomkraftwerk soll ein Reaktor wieder hochgefahren werden , um KI-Server des Technologie-Giganten Microsoft mit Strom zu versorgen. Das Projekt hat branchenweit für Aufsehen gesorgt.

„Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir die Entwicklung von geplanten Projekten hin zu fertigen Kraftwerken beschleunigen, nachdem dank Datencentern und KI-Technologien eine gewaltige Nachfrage auf uns zukommen wird“, sagte James Schaefer von der Investmentbank Guggenheim Securities, das einzige beteiligte Finanzinstitut, das sich äußern wollte. „Dafür werden Kernkraftunternehmen, Kraftwerksbetreiber, Datenzentren und Technologiekonzerne mit Banken und Finanzinstituten eng zusammenarbeiten müssen.“

Wie diese Zusammenarbeit aussehen kann, damit sie auch für die beteiligten Finanzinstitute Sinn ergibt, bleibt noch unklar. Aber in der Atombranche sorgte zumindest die Ankündigung einer Kooperation schon einmal für Zuversicht. Oder wie es der US-Klimabeauftragte Podesta ausdrückte: „Ich weiß, dass wir es schaffen können - solange wir zusammenarbeiten.“

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