Gaming wird zum Breitensport

Angela Merkel eröffnet heute die Gamescom. Gezockt wird längst nicht mehr allein: Social Gaming und E-Sports sind zwei der großen Trends der Spielemesse in Köln. Doch auch die Politik spielt eine Rolle. Ein Überblick.

Zehntausende Gamer und eine Kanzlerin: Diese ungewöhnliche Kombination zeigt die große Bandbreite der Computer- und Videospielmesse Gamescom in Köln auf, die am heutigen Dienstag von Angela Merkel eröffnet wird und mit einem Fachbesuchertag beginnt: Die Messe ist einerseits Treffpunkt für Fans, die Spiele-Neuheiten entgegenfiebern und sich sogar im Stile ihrer Helden verkleiden. Aber sie ist auch eine Plattform für politische Diskussionen.

In ihrer Rede an die Gamer-Community zitiert Merkel dann nicht etwa einen Digitalstrategen der Gegenwart, sondern einen der bedeutendsten Dichter der Sturm-und Drang-Zeit des 18. Jahrhunderts, Friedrich von Schiller: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

Diese Devise nehmen sich auch in diesem Jahr zahlreiche Spielbegeisterte zu Herzen. Mehr als 900 Aussteller aus über 50 Ländern bringen ihre Highlights mit. Mit einem umfangreichen Rahmenprogramm wollen die Veranstalter unter dem Motto „Einfach zusammen spielen“ verschiedene Facetten digitaler Games ins Rampenlicht rücken. Die wichtigsten Themen im Überblick – von Social Gaming bis Jugendschutz.

Gemeinsam spielen: Social Gaming

Das Wort „sozial“ hat in der Welt des Digitalen mit Abnutzungserscheinungen zu kämpfen: Soziale Netzwerke, soziale Medien, soziale Plattformen. Nun hat auch die Spielebranche das Schlagwort für sich entdeckt: Social Gaming ist einer der bestimmenden Trends der Gamescom. Die Zeiten, in denen Computerspieler im abgedunkelten Raum alleine vor dem Bildschirm saßen, sind lange vorbei.

Heute taugen viele Spiele zum Partyspaß, wie es zum Beispiel schon „Guitar Hero“ vor Jahren vormachte. Die Hersteller setzen dabei vor allem auf Mehrspieler-Titel: Zu den erfolgreichsten Neuheiten der vergangenen Jahre zählten „Fifa 17“, „Grand Theft Auto 5“ oder „Mario Kart 8 Deluxe“. Sie alle verfügen über umfangreiche Mehrspieler-Modi, die überwiegend über das Internet genutzt werden – soziales Spielen eben.

Abtauchen in virtuelle Welten: Virtual Reality

Ein großes Thema ist wieder Virtual Reality. Das Abtauchen in programmierte Parallelwelten funktioniert mithilfe von Brillen, die von verschiedenen Anbietern bereitgestellt werden. Sie versprechen ein völlig neues Spielerlebnis: Dinosauriern ins Auge zu schauen oder in Mittelerde Jagd auf Orks zu machen - das wirkt fast beängstigend echt, wenn das Gerät über den Kopf gezogen wird.

Tatsächlich halfen die Versprechen der Hersteller bisher wenig – VR ist so etwas wie der ewige Trend, der nicht so recht vorankommen will. Dabei sind die Vorhersagen für die Holodeck-Technologie gar nicht schlecht: Der Marktforscher IDC schätzt, dass die Zahl der genutzten Geräte für Virtual und Augmented Reality von rund zehn Millionen 2016 auf rund 91 Millionen im Jahr 2021 steigen könnten – zum großen Teil für Computerspiele.

Dass sich die Technologie schwer tut, liegt nicht zuletzt an den hohen Preisen. Die Facebook-Tochter Oculus setzte im Rahmen einer Aktion auf eine drastische Preissenkung, kürzlich zog HTC nach. Am erschwinglichsten und wohl am weitesten verbreitet ist die Technologie von Sony, die sich zusammen mit der Playstation 4 nutzen lässt. Auf der Gamescom werden die Hersteller mit beeindruckenden Demonstrationen versuchen, die Spieler zu überzeugen – die gelten als „Early Adopter“ und sind bereit, für Technologie viel Geld auszugeben.


Unkaputtbares Nintendo

Aktiv auf dem Bildschirm: E-Sports

Wohl kaum ein Thema lässt derzeit das Herz von Markenverantwortlichen höher schlagen: E-Sports. Die Verlagerung der sportlichen Massenveranstaltung vom Stadion ins Digitale verspricht nicht nur hohe Umsätze für die Veranstalter von Turnieren, sondern auch für Marken. Die hoffen, bei solchen Veranstaltungen eine junge Zielgruppe zu erreichen, die nur noch selten klassische Medien nutzt. Die Gaming-Branche sieht E-Sports sogar schon auf dem Weg zum Breitensport – und fordert eine Gleichstellung mit klassischen Sportarten.

Nach Angaben von Taylor Wessing spielen 70 Millionen Menschen weltweit das Online-Spiel „League of Legends“. Bundesligaclubs wie der VfL Wolfsburg, FC Schalke 04 oder der VfB Stuttgart haben bereits eigene Teams für die Fußball-Simulation „Fifa“ aufgebaut. Das Marktvolumen soll in weniger als drei Jahren bereits etwa 130 Millionen Euro betragen, schätzt die Unternehmensberatung Deloitte. In dieser Woche kündigte zudem Mercedes-Benz an, zukünftig als Sponsor von E-Sports auftreten zu wollen. Auf der Gamescom ist zu sehen, warum: Auf großen Bühnen werden Profispieler ihr Können zeigen, während ihnen auf den Zuschauerrängen zahlreiche Fans zujubeln. Digitalsport ist ein Massenphänomen.

Unkaputtbares Nintendo: Spielkonsolen

Jeder liebt ein Comeback – und Nintendo ist immer gut dafür. Der japanische Konsolenhersteller hat mit der Switch ein Konzept entwickelt, das sich wieder einmal gründlich von der Konkurrenz abhebt. Die Konsole ist eine Mischung aus tragbarem und stationärem Gerät, Spieler können also im Wohnzimmer ein Level anfangen und unterwegs beenden. Die Nachfrage ist so hoch, dass der Hersteller mit der Produktion kaum hinterherkommt. Wer sehen will, welche Titel es gibt, bekommt auf der Gamescom einen Eindruck.

Eine Erfolgsgeschichte würde auch Microsoft gerne schreiben. Der Konzern will mit seiner Xbox One X die Nachfrage wieder ankurbeln – auf der Messe in Köln wird das Gerät erstmals einem größeren Publikum vorgestellt, im November soll es in den Handel kommen. Der Hersteller preist das neue Modell als „die leistungsfähigste Konsole der Welt“ an – ein Seitenhieb auf den großen Konkurrenten Sony mit der Playstation 4. So kann es Inhalte in Ultra-HD-Auflösung darstellen, die die Möglichkeiten vieler neuer Fernseher ausreizen. Davon können sich Besucher in Köln überzeugen. Marktführer ist und bleibt allerdings Sony mit der Playstation.


Hohe Politikerdichte

Im Wahljahr 2017 spielt die Politik eine wichtigere Rolle denn je, nicht nur weil Bundeskanzlerin Angela Merkel die Messe eröffnet und auf einem Rundgang an mehreren Ständen Station macht – eine Premiere in der neunjährigen Geschichte der Gamescom. In ihrem Podcast ließ sie wissen, dass die Branche eine „ganz wichtige“ sei. Ob sie sich für eine stärkere finanzielle Förderung einsetzt, wie es viele hoffen, ließ sie aber offen.

Doch auch unabhängig davon ist die Politikerdichte hoch. So diskutieren in einer Wahlarena die Generalsekretäre der Parteien über Digitalpolitik und Computerspiele. Youtube-Stars wie Le Floid und Pietsmiet moderieren die Veranstaltung, einen Teil der Fragen nehmen sie über soziale Netzwerke entgegen, und natürlich wird die Diskussion übers Internet gestreamt. Auch etliche Ministerpräsidenten, Minister und Abgeordnete haben sich angekündigt.

Das zeigt: Die Gamescom hat sich als Treffen für Diskussionen über Computerspiele etabliert. Zum einen gibt es mehrere Entwicklerkonferenzen, auf denen Fachleute beispielsweise erörtern, wie sie mit ihrer Arbeit am besten Geld verdienen, ein Spiel in Asien vermarkten oder virtuelle Assistenten wie Alexa und Siri für Spiele einspannen können. Zum anderen bietet ein Kongress ein Podium für Themen von Jugendschutz bis zum digitalen Lernen.

KONTEXT

Geschäftsmodelle der Spielebranche

Verkauf

Ein Entwickler arbeitet Monate oder Jahre an einem Spiel. Wenn es fertig ist, wird es zu einem festen Preis auf den Markt gebracht. Nach wie vor setzen viele Anbieter auf den klassischen Verkauf, ob Einzelkämpfer, die eine iPhone-App programmieren, oder große Studios mit Produktionen im Hollywood-Stil. Ob die Nutzer ins Geschäft gehen oder sich den Titel herunterladen, spielt dabei keine Rolle.

Abo-Modelle

Jede Stunde oder jeder Monat kostet - nach diesem Prinzip rechnen die Anbieter von Abo-Spielen ab. Wenn sie einen treuen Stamm von Spielern an sich binden können, schaffen sie einen stetigen Umsatzstrom. Dafür müssen sie allerdings auch ständig etwas Neues bieten, sonst sind die zahlenden Kunden weg. "World of Warcraft" ist der Prototyp dieses Geschäftsmodells.

Free To Play

Das Spiel an sich ist gratis, aber die Extras kosten. Die Anbieter von Free-to-play-Spielen verdienen ihr Geld mit virtuellen Zauberstäben, Raumschiffen oder Rüstungen. Obwohl nur ein Bruchteil der Nutzer zahlt, kann das lukrativ sein. Da die Einstiegshürde niedrig ist, gewinnen die Anbieter viele Gelegenheitsspieler. Vorreiter sind Unternehmen wie Zynga und Bigpoint, doch auch viele Branchen-Dinos setzen inzwischen auf dieses Modell.

Werbung

Bandenwerbung im Fußballstadion, Aufkleber auf Rennwagen, gesponsorte Figuren: Computerspiele sind eine Plattform für Reklame. Der Anteil am Gesamtumsatz der Branche ist allerdings noch klein.

Crowdfunding

Wer keinen großen Geldgeber findet, fragt einfach viele Kleininvestoren. Beim Crowdfunding - der Schwarmfinanzierung - versorgen sich Unternehmen über Plattformen wie Kickstarter mit Kapital; Nutzer können kleine Beträge zur Verfügung stellen und bekommen im Gegenzug das fertige Produkt oder Extras.