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"Wie ein Gang durch das Gehirn des Königs": Neuschwanstein-Doku will letzte Geheimnisse lüften

Schloss Neuschwanstein - ein sagenumwobenes Schloss eines nicht weniger geheimnisvollen Königs. Ludwig II. erbaute ein Mysterium in luftigen Höhen. Die National Geographic-Dokumentation "Die Geheimnisse von Neuschwanstein" blickt hinter die Kulissen. Welche Rätsel gibt es zu lösen? (Bild: 2015 Getty Images/Sean Gallup)
Schloss Neuschwanstein - ein sagenumwobenes Schloss eines nicht weniger geheimnisvollen Königs. Ludwig II. erbaute ein Mysterium in luftigen Höhen. Die National Geographic-Dokumentation "Die Geheimnisse von Neuschwanstein" blickt hinter die Kulissen. Welche Rätsel gibt es zu lösen? (Bild: 2015 Getty Images/Sean Gallup)

Ein Röntgenblick auf König Ludwigs Lieblingsschloss Neuschwanstein macht es möglich: Der Mythos um den Grundstein einer der bekanntesten deutschen Sehenswürdigkeit wurde enträtselt.

Optisch erinnert das Gemäuer an eine märchenhafte mittelalterliche Burg, ein Traumschloss, erbaut in luftigen Höhen. Vor mehr als 150 Jahren wurde oberhalb der Pöllatschlucht bei Füssen das prunkvolle Schloss Neuschwanstein errichtet - von 1869 bis 1884 dauerte die Bauzeit des mythenumrankten, kalkweißen Gemäuers, ursprünglich als "Neue Burg Hohenschwangau" bezeichnet und Lieblingsort seines ersten Bauherrn König Ludwig II. (1845-1886). Die außergewöhnlich kühne Architektur des "Kini" ist heute weltberühmt, Tag für Tag kommen tausende Touristen, um das besondere Flair Neuschwansteins zu erleben, jenes Schlosses, das auf dem eigens durch kontrollierte Sprengungen geebneten Felsplateau thront. Aber "das Faszinierende daran ist nicht nur die Lage", weiß Prof. Dr. Rainer Drewello, ein Experte für hochauflösende 3D-Vermessung. "Diese Architektur ist aufgeladen mit Sinn und Idealen." Was er meint, zeigt nun eine außergewöhnliche TV-Dokumentation auf National Geographic - sie will die letzten offenen Fragen zu diesem Spektakel von einem Bauwerk beantworten.

"Die Geheimnisse von Neuschwanstein" heißt der Film, der im Zuge der Renovierungsarbeiten im vergangenen Jahr gedreht wurde und einen Blick hinter die Kulissen der Baustelle und einer der bekanntesten deutschen Sehenswürdigkeiten gewährt. Der Beitrag wird am Sonntag, 25. September, 21.00 Uhr, auf National Geographic als TV-Premiere ausgestrahlt. Kommendes Jahr soll er auch international gezeigt werden. Schließlich hat das Königsschloss im Allgäu einen Weltruf.

Die Restauratoren und Restauratorinnen müssen unter einem enormen Zeitdruck besonderes Fingerspitzengefühl beweisen: Über die Jahre blätterte beispielsweise Wandfarbe ab. Es bedarf eines geübten Auges, die Malereien im ursprünglichen Glanz erstrahlen zu lassen. (Bild:  National Geographic)
Die Restauratoren und Restauratorinnen müssen unter einem enormen Zeitdruck besonderes Fingerspitzengefühl beweisen: Über die Jahre blätterte beispielsweise Wandfarbe ab. Es bedarf eines geübten Auges, die Malereien im ursprünglichen Glanz erstrahlen zu lassen. (Bild: National Geographic)

Wissenschaftler als "Actionhelden"

Unter der Leitung von Produzentin Jutta Pinzler, Gründerin und Geschäftsführerin der sagamedia Film- und Fernsehproduktion, begleitete das Filmteam Restauratoren, Handwerker und Statiker bei ihrem Arbeitsalltag im Schloss. Es war im Sommer ein Wettlauf gegen die Zeit. Bis Anfang August musste der Dreh abgeschlossen sein, denn der Bayerische Finanzminister Albert Füracker (CSU) setzte am 4. August die Schere an, um den Thronsaal feierlich freizugeben. Aber alles ging glatt. Die Eröffnungsfeier war, wie im fertigen Film zu sehen ist, ein voller Erfolg.

Gezeigt wurde "Die Geheimnisse von Neuschwanstein" bereits einige Tage vor der TV-Premiere im exklusiven Kreis bei einem Previewevent in der Cinema Lounge im Bayerischen Hof in München. Bei der anschließenden Podiumsdikussion betitelte Moderatorin Katty Salié ("aspekte") Prof. Drewello und sein Team als "Actionhelden". Denn den Experten gelang es, den Mythos um den Grundstein von Schloss Neuschwanstein zu lösen. Bislang war bekannt, dass eine kleine Metallkapsel, umschlossen von eben diesem Grundstein, den ursprünglichen Bauplan, Porträts des Königs sowie ein paar Münzen enthalten soll. Und tatsächlich: "Erstentdecker" Drewello lokalisierte den Grundstein mithilfe modernster Röntgentechnik und mit Unterstützung des Landeskriminalamts. "Man wurde eben angeturnt durch die Filmarbeiten, noch mal etwas genauer hinzusehen", erinnert sich der Restaurationswissenschaftler im Interview an den im Zuge des Drehs entwickelten Ehrgeiz.

Metalldetektoren, Minensuchgeräte und Röntgenstrahlen machten es schließlich möglich, die Position zu lokalisieren. Dieses Unterfangen war topsecret, weshalb es davon keine Aufnahmen gibt. Und: Aus Denkmalschutzgründen bleibt die Kapsel vorerst an Ort und Stelle, in der Nähe des Feierabendziegels im Westteil des Gemäuers.

Das erste Mal seit der Erbauung sind Restauratoren an den Fresken Neuschwansteins am Werk, um Risse und Abnutzungsspuren auszubessern. Restauratorin Ramona Proske versucht, die Schäden zu beheben und stabilisiert die Malschicht. (Bild:  National Geographic)
Das erste Mal seit der Erbauung sind Restauratoren an den Fresken Neuschwansteins am Werk, um Risse und Abnutzungsspuren auszubessern. Restauratorin Ramona Proske versucht, die Schäden zu beheben und stabilisiert die Malschicht. (Bild: National Geographic)

Mythos um den Grundstein Neuschwansteins gelöst?

Besonders genau nahmen die Experten auch das Innenleben der "gebauten politischen Ideen", wie es Kunsthistorikerin Prof. Dr. Christine Tauber beschreibt, unter die Lupe. Sowohl das massive Mauerwerk als auch die geheimnisvollen Wandmalereien generieren besonderes Interesse. Einen Blick "unter die Oberfläche" einiger Wände wagt der Wissenschaftler Professor Paul Bellendorf an der Seite von Professor Drewello. Es galt, das Rätsel um verschollene Wandmalereien zu lösen. "Beim 3D-Scanner sehen wir die Topografie, die Oberfläche. Wir sehen, wo mehr Material auf die Wand aufgetragen wurde als an anderer Stelle", so Bellendorf. Mit der Thermokamera könne man die Materialunterschiede erkennen. Das Team musste dabei jedoch warten, bis es stockfinster war, um die Technik effizient einzusetzen. Und tatsächlich: Im Dunkeln hockend filtern die Experten zahlreiche geometrische Formen heraus. Dass erste Bilder übermalt wurden, zeugt vom zwanghaften Perfektionismus des "Kinis". Das sei ein "Spitzenergebnis", mit dem die staunenden Wissenschaftler "gar nicht gerechnet" hätten.

All das wird in der neuen Neuschwanstein-Doku selbstredend ausgiebig nacherzählt. "National Geographic hat beispiellosen Zugang zum gesamten Restaurierungsprozess erhalten, wofür wir der Bayerischen Schlösserverwaltung sehr dankbar sind, wir konnten so die Experten vor Ort und die spektakulären Erkenntnisse während der Arbeiten am weltberühmten Schloss begleiten", jubelt Eun-Kyung Park, Senior Vice President & General Manager Media (GSA) von "The Walt Disney Company". Auch Walt Disney selbst soll sich ja einst von Neuschwanstein inspiriert haben lassen.

Der 800 Kilogramm schwere Kronleuchter wird mehrere Tage lang restauriert. In knapp zwölf Wochen steht die Eröffnungsfeier an. (Bild:  National Geographic)
Der 800 Kilogramm schwere Kronleuchter wird mehrere Tage lang restauriert. In knapp zwölf Wochen steht die Eröffnungsfeier an. (Bild: National Geographic)

1,5 Millionen Besucherinnen und Besucher jährlich

Heimlich still und leise gingen die akribischen Arbeiten im Zuge der Restauration vonstatten. Oft mussten die Handwerker auch nachts schuften. Elf Monate lang herrschte auf der Baustelle Tag und Nacht Betrieb. Oberste Priorität hatte dabei aber der Publikumsverkehr: Die Besucherinnen und Besucher sollten sich keineswegs gestört fühlen. "Morgens von 7.00 Uhr bis 9.00 Uhr konnten wir immer in Ruhe drehen", so Jutta Pinzler. "Das Expertenteam um den Bauleiter Christoph Weber hat mit großer Kreativität einen unglaublich anspruchsvollen Job erledigt. Unter erschwerten Bedingungen, denn während der gesamten Zeit musste das Schloss für hunderttausende Besucher geöffnet bleiben."

Die Menschenmassen (1,5 Millionen Gäste pro Jahr!) sind größtenteils jedoch auch die Ursache für diverse Schäden und Abnutzungsspuren an dem Baudenkmal. Restauratorin Tina Naumovic erklärt im Film Erstaunliches: "Die Menge der Besucher und die Feuchtigkeit, die sie durchs Stoffwechseln abgeben, sind unser Hauptproblem." Mit versteckten Klimadatenloggern messen die Experten bereits seit 2011 die Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit. Während des Lockdowns habe man feststellen können, dass sich das Klima signifikant beruhigt habe.

Acht Monate vor der Thronsaaleröffnung können die Handwerker die Arbeiten an der Kuppel abschließen. Der Gerüstabbau stellt einen Meilenstein dar. Es ist jedoch besondere Vorsicht geboten, um keine weiteren Schäden mit den schweren Metallstangen zu verursachen. (Bild:  National Geographic)
Acht Monate vor der Thronsaaleröffnung können die Handwerker die Arbeiten an der Kuppel abschließen. Der Gerüstabbau stellt einen Meilenstein dar. Es ist jedoch besondere Vorsicht geboten, um keine weiteren Schäden mit den schweren Metallstangen zu verursachen. (Bild: National Geographic)

20 Millionen gerechtfertigt?

Für die notwendigen Ausbesserungsarbeiten war nicht nur besonderes Engagement der Mitwirkenden gefragt, es bedurfte auch eines enormen finanziellen Aufwandes, um die Restaurierungsarbeiten in diesem Umfang stemmen zu können. "Es ist ein außergewöhnliches Gebäude, und die Maßnahmen, die erforderlich waren und sind, sind extrem schwierig. Sie werden sich auf jeden Fall amortisieren", rechtfertigt Professor Drewello den Einsatz von über 20 Millionen Euro für das Projekt. "Das spielt sich so schnell wieder rein, da brauchen wir uns keine Gedanken zu machen. Dem Steuerzahler wird es nicht auf der Tasche liegen", ergänzt Professor Tauber im Interview.

König Ludwig II. scheut keine Kosten und Mühen, um sein Traumschloss zu erbauen. Es sollte aussehen wie im Mittelalter. (Bild:  National Geographic)
König Ludwig II. scheut keine Kosten und Mühen, um sein Traumschloss zu erbauen. Es sollte aussehen wie im Mittelalter. (Bild: National Geographic)

"Die Gemäuer haben eine utopische Wirkung"

Dank äußerst präziser Arbeiten hätten die Gemäuer nach wie vor eine "utopische Wirkung" auf jeden Betrachter und Besucher. Durch die einzelnen Räume zu wandern, sei wie "ein Gang durch das Gehirn des Königs", befindet Professor Drewello. Die ganze Story rund um das Königsschloss sei weiterhin "eine ganz heiße Geschichte". Ein Techniker sehe etwas anderes als ein Architekt, der sehe wiederum etwas anderes als ein Kunstrestaurator, erklärt er.

Und Ludwig II? Was waren seine Motive beim Bau dieses kühnen Traumschlosses? - "Sein gebautes Herrschaftskonzept sollte es ihm ermöglichen, sich von der Bodenhaftung des Alltags zu lösen", beschreibt es die "Kini"-Expertin Tauber. Die Bilderzyklen, die in den verschiedenen Räumen zu finden sind, waren von den Opern Richards Wagner inspiriert und bieten noch heute einen unglaublichen Interpretationsspielraum.

"Faszinierend war für uns während der Dreharbeiten, dass es in einem über 150 Jahre alten, weltberühmten Denkmal noch immer Neues zu entdecken gibt und Geheimnisse gelüftet werden", konstatiert die Produzentin Jutta Pinzler. Mit dem Begriff "Geheimnis" hadern die Professoren Tauber und Drewello jedoch. "Es ist auch irgendwie klar, dass ein Film breitenwirksam angelegt wird. Da muss man dann eben ein 'Geheimnis lüften", resümiert Tauber augenzwinkernd. "Das Gebäude ist fantastischer Historismus, die Mysterien sind noch lange nicht ausdiskutiert", so der Vermessungsexperte.

(Nach der Premiere am Sonntag, 25. September, ist der Film auch am Sonntag, 2. Oktober, 12.35 Uhr, sowie am Sonntag, 30. Oktober, 21.50 Uhr, bei National Geographic im Programm - empfangbar unter anderem via Sky, Vodafone, 1&1 und der Deutschen Telekom.)

Jutta Pinzler (von links), Prof. Dr. Rainer Drewello und Prof. Dr. Christine Tauber diskutieren während der Podiumsdiskussion im Bayerischen Hof in München im Rahmen der Filmpremiere über das geheimnisvolle Leben des König Ludwig II. Moderatorin Katty Salié (rechts) stellt einige Fragen die herausfordernden Restaurierungsarbeiten betreffend. (Bild:  National Geographic/Holger Rauner)