"Ganze Familien vernichtet": Zahl der Todesopfer in Libyen steigt dramatisch
Fünf Tage nach der verheerenden Flutkatastrophe in der Stadt Derna im Osten Libyens ist die Zahl der Todesopfer auf 11,300 gestiegen. Das teilte der Libysche Rote Halbmond mit. Zuvor meldeten libysche Gesundheitsbehörden 5500 Todesopfer in Derna. Weitere 10,000 Menschen sind als vermisst gemeldet.
Rettungsteams suchten auch Tage nach dem Unglück weiter in den Trümmern nach Überlebenden. Doch die Hoffnung schwindet von Stunde zu Stunde.
Die Zahlen konnte Libyens ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, Taher EL-Sonni, nicht bestätigen. "Ich kann die endgültigen Zahlen noch nicht wirklich bestätigen, aber es ist tatsächlich ein hohes Ausmaß. Und ich fürchte, wir werden wirklich große Zahlen hören, vielleicht sogar mehr als das, was bisher bestätigt wurde." Ganze Familien sind vernichtet worden, fügte El-Sonni hinzu.
Die Regierung im Osten Libyens, eine der zwei rivalisierenden Regierungen im Bürgerkriegsland, will knapp 2 Milliarden US-Dollar als Hilfe für die betroffenen Regionen bereitstellen. Das Parlament hat zudem einen Arbeitskreis ins Leben gerufen, der den Fortschritt der Hilfsmaßnahmen verfolgen soll.
Hilfszusagen gibt es auch u.a. von der EU und der Weltgesundheitsorganisationen (WHO). Ein Sprecher der Europäischen Union bestätigte, dass die EU 500,000 Euro als Soforthilfe freigegeben hat, um den dringendsten Bedarf zu decken, und fügte hinzu, dass in den kommenden Stunden und Tagen möglicherweise zusätzliche Hilfe gesendet werde.
Die Weltgesundheitsorganisation gab am Donnerstag bekannt, dass sie 2 Millionen US-Dollar aus ihrem Notfallfonds für Notfälle zur Unterstützung Libyens freigibt. Viele weitere Länder haben bereits Hilfsgüter auf den Weg gebracht. Frankreich hat ein Feldkrankenhaus in die Krisenregion geschickt.
Wie konnte es dazu kommen?
Beobachter befürchten, dass sich die Wut über die Katastrophe auf den Straßen entladen könnte. "Der Schock, der in den kommenden Wochen in offene Wut umschlagen könnte, ähnelt dem, was die Aufstände Anfang 2011 auslöste", schreibt der Experte Jalel Harchaoui auf X.
Der Generalsekretär der Weltwetterorganisation, Petteri Taalas, sieht die Opferzahlen auch im Fehlen eines funktionierenden Frühwarnsystems begründet. Der Wetterdienst habe zwar vor einem herannahenden Unwetter gewarnt, aber nicht das Risiko genannt, das die alten Dämme, die später brachen, darstellten. Dann hätten die Rettungsdienste Evakuierungen vornehmen können, hatte Taalas zuvor gesagt. "Wir hätten die meisten der Opfer vermeiden können."