Gas, Wasser, Shitstorm: Diese Bundeswehr-Kampagne ging nach hinten los

Deutschlands Streitkräfte suchen nicht nur verzweifelt nach neuen Rekruten, sondern auch nach Handwerkern. Um den knappen Fachkräfte-Nachwuchs in Richtung Armee zu lenken, rührt die Bundeswehr kräftig die Werbetrommel – mit einer Kampagne, die den Wortwitz etwas überstrapazierte. Ergebnis: Die Handwerkskammer ist sauer und statt in neuem Sanitär-Personal ertrinkt die Bundeswehr im Shitstorm.

two german soldiers salute each other
Die Bundeswehr braucht Rekruten und Handwerker. (Symbolbild: Getty Images)

Bei ihren Kampagnen setzt die Bundeswehr auf das Motto: Nur wer am lautesten schreit, bekommt auch die volle Aufmerksamkeit. Die Werbeplakate werden beherrscht von martialisch-markigen Sprüchen, groß und fett gedruckt auf armeegrünem Hintergrund. “Wir nehmen gerne auch Arschlöcher“ heißt es da etwa oder auch “Wir schießen die Bösen einfach ab“.

Fäkal-Kalauer provoziert Shitstorm

Schießen wird bei der Bundeswehr als Benefit verkauft. Statt Firmensport in der Mittagspause beim 08/15-Arbeitgeber, geht es bei der Armee an die Patronen. Mit dem Slogan “Gas, Wasser, Schießen“ zielt die Bundeswehr bei ihrer neuesten Kampagne auf eine spezielle Zielgruppe: Handwerker, speziell sanitäre Fachkräfte, im derben Berufs-Jargon auch “Gas, Wasser, Scheiße“ genannt. “Witz komm raus“, dachten sich bei dem Bundeswehr-Plakat wohl die entsprechenden Berufsvertreter und fühlten sich ganz und gar nicht angesprochen. Im Gegenteil.

“Abwerbung“ und “geschichtsvergessen“

Nach dem Sturm der Entrüstung in den sozialen Netzwerken Anfang Juni, kam jetzt sogar von höchster Zunft massive Kritik an der Kampagne. Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer äußerte sich gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: “Diese Bundeswehr-Kampagne empfinden wir schon als Geringschätzung gegenüber dem Handwerk. Der Werbespruch ist - finde jedenfalls ich – niveaulos. Das gehört sich einfach nicht.“ Bald wird auch Verteidigungsministerin von der Leyen die Kritik zu hören bekommen – in einem Brief, den Wollseifer geschrieben hat.

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Der Fachverband SHK Baden-Württemberg (Sanitär-Heizung-Klima) reagierte mit einem eigenen Plakat auf Facebook und musterte das der Bundeswehr aus:

Auf Twitter stieß die seltsame Kampagne der Bundeswehr Anfang Juni auf wenig Gegenliebe. Die Nutzer störten sich nicht nur am Abwerben der Fachkräfte, sondern auch an der “geschichtsvergessenen Haltung“, die Bezüge zum Gaskrieg von 1915 herstellt. Während des Ersten Weltkrieges setzte die deutsche Armee als erste Truppe giftiges Chlorgas gegen den Feind ein, in dem Fall gegen Frankreich bei der Zweiten Flandernschlacht im belgischen Ypern.

Selbst die Politik findet die Kampagne geschmacklos. So twitterte auch SPD-Bundestagsabgeordneter Karl Lauterbach seinen Unmut:

Nicht die erste fragwürdige Kampagne der Bundeswehr

Dass die Bundeswehr einen merkwürdigen Sinn für Humor hat, bewies die Truppe bereits in früheren Werbekampagnen. Als im April bekannt wurde, dass Autohersteller Ford in Köln und Saarlouis 5400 Stellen streicht, nahm das die Bundeswehr zum Anlass, einen alternativen Arbeitgeber vorzuschlagen: sich selbst. Mit dem Slogan “Job Fort?“ in der verschnörkelten Schriftart der bekannten Marke warb das Militär um die verprellten Ford-Mitarbeiter. Und weil Werbung nur dann wirkt, wenn sie die Menschen direkt vor der Nase haben, platzierte die Bundeswehr dreist ein weiteres riesiges Plakat direkt vor das Ford-Werk in Köln. Klar, dass Ford das überhaupt nicht zum Lachen fand. "Das ist absolut unangemessen und respektlos", sagte Martin Hennig, Betriebsratschef von Ford Europa zum Nachrichtensender “ntv”: "Die Bundeswehr instrumentalisiert auf geschmacklose Weise Schicksale für Werbezwecke."

Die Autobauer scheinen es der Truppe angetan zu haben. Denn auch bei Konkurrent VW in Wolfsburg, der in den nächsten Jahren 5000-7000 Stellen streichen will, spielte ein Plakat auf das Militär als neues Karrieresprungbrett an. Passend zur Marke standen da die Worte: “Einen Job fürs Volk Wagen“. Auch Volkswagen war über die Dreistigkeit verärgert. Ein Sprecher des VW-Konzernbetriebsrates sagte zu n:TV: "Werbung darf sicherlich frech sein, aber sie darf nicht zur Frechheit werden."

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Das Verteidigungsministerium beschwichtigte die aufgebrachte Wirtschaft und stellte klar, dass man auf gar keinen Fall die Firmen beleidigen, sondern den Arbeitnehmern lediglich eine andere Perspektive aufzeigen wollte.

“Gas, Wasser, Schießen“: Stellungnahme mit Trickfilmbezug

Wenn man Werbung andauernd erklären muss, sollte man die Wortwahl vielleicht noch einmal überdenken. Auch im Fall des aktuellen Fails von “Gas, Wasser, Schießen“ musste sich das Verteidigungsministerium, mal wieder, rechtfertigen. Mit dem Hinweis, woher der so gar nicht witzige Wortwitz kam, nämlich aus dem Trickfilm “Werner - Beinhart“ und der fäkalen Anspielung auf den “Gas, Wasser, Scheiße“-Berufsstand:

Schießen statt Scheiße wird es trotz Slogan auch bei der Bundeswehr nicht geben. Denn wo tausende Soldaten auf engstem Raum ihr Geschäft verrichten müssen, sind verstopfte Rohre an der Tagesordnung.

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