„Sie sind Gast in unserem Land!“ - 120 Flüchtlinge sollen deutsche Regeln lernen, doch viele wollen nur Taschengeld
Das Asylheim in Suhl gilt als Hotspot von Gewalt und Kriminalität. Jetzt klärt die Polizei Migranten über deutsche Gesetze auf. FOCUS online besuchte eine Lehrstunde für Flüchtlinge aus Afghanistan. Die Resonanz war dürftig. Viele holten sich lieber ihr Taschengeld ab.
Hier oben haben sie es nicht so mit deutschen Gesetzen. „Recht“, „Ordnung“, „Normen“ – für viele sind das Fremdwörter. Nie gehört.
Überhaupt Deutschland. Was soll das sein? Klar, ein reiches Land. Der Staat nimmt ganz viele Menschen aus aller Welt auf. Gibt ihnen Unterkunft und Essen und zahlt ihnen Geld, selbst wenn sie nichts dafür tun.
So haben sie es gehört in ihrer Heimat. In Afghanistan, Syrien, Irak, Iran, Marokko, Tunesien, Nigeria. Und genau deshalb sind sie hierhergekommen.
Dass es sie ausgerechnet nach Thüringen verschlagen hat, in eine ziemlich abgelegene und glanzlose Stadt wie Suhl, mitten im Wald, konnten die Asylbewerber nicht wissen zu Beginn ihrer langen Reise.
Asylbewerberheim in Suhl: Symbol für Migranten-Gewalt
Aber nun sind sie hier gelandet. In der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge. Es gibt schönere Orte auf dieser Welt, wahrlich.
Ein umzäuntes Gelände mit mehreren Plattenbauten aus finsteren DDR-Zeiten. Zimmer mit Kakerlaken und Schimmel. Zerstörte Türen, demolierte Betten, zertrümmerte Waschbecken. Tristesse. In manchen Monaten waren hier mehr als 1600 Flüchtlinge eingepfercht, weit mehr als erlaubt.
Der Hügel, auf dem das Heim steht, heißt Friedberg. Kriegberg würde besser passen.
Denn hier oben knallt und raucht es regelmäßig. Tumulte, brutale Kämpfe, Zerstörungsorgien, Brände, Angriffe auf Heimmitarbeiter, Blut, Schreie, Dauer-Alarm, Sirenen von Polizei-, Feuerwehr- und Krankenwagen – alles eher die Regel als die Ausnahme.
Auch in der Stadt Suhl selbst verbreiten Asylbewerber immer wieder Angst und Schrecken. Seit Jahren klagen die Bürger über Gesetzesbrüche und Respektlosigkeiten von Migranten, meist junge Männer aus Nordafrika oder dem Nahen und Mittleren Osten. Manche sagen, man könne seine Kinder nicht mehr allein auf die Straße lassen. Ein Albtraum. Weder Hilferufe noch Brandbriefe an die hohe Politik brachten Besserung.
Suhl gilt vielen Menschen in ganz Deutschland als Synonym für gescheiterte Integration, Migrantengewalt und einen wehrlosen, völlig überforderten Staat.
Irgendwann im vergangenen Jahr war die Geduld der Verantwortlichen aufgebraucht. Sie beschlossen, etwas gegen die kriminellen Auswüchse zu unternehmen.
Zuwanderer bekommen erste Lektion in Sachen „Deutschland“
Schon kurz nach ihrer Ankunft im Heim, so die Idee, sollen die Asylbewerber eingenordet werden. Sie sollen lernen, was die Formulierung „Recht und Ordnung“ bedeutet. Und dass sie sich in Deutschland zu benehmen haben.
Heute ist es wieder so weit.
Ein trüber Vormittag Ende September. Ein Sicherheitsmann schließt den Kinosaal der Asylunterkunft auf. 400 Klappstühle aus hellem Holz, Leinwand, schwere Vorhänge.
In den nächsten anderthalb Stunden sollen hier frisch angekommene Zuwanderer ihre erste Lektion in Sachen „Deutschland“ erhalten. Regeln, Normen, Gesetze, Pflichten, Erwartungen, No-Gos.
10.13 Uhr, 13 Minuten später als geplant, wird die Tür geschlossen. 51 Flüchtlinge vorwiegend aus Afghanistan haben sich nach und nach hingesetzt, der Großteil junge Männer, zwei kamen auf Krücken, einer mit FC-Bayern-Kappe. Aber auch ein paar Frauen mit Kopftüchern sind da, manche halten ihre Kinder im Arm.
Vor ein paar Tagen hatten die Leute vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), die im Heim die Sozialarbeit machen, 120 Handzettel verteilt, mit denen zu der Veranstaltung eingeladen wurde. „Verpflichtend“, wie Maria Schübel sagt. „Aber wir können die Leute nicht zwingen.“
Warum ist das Interesse so gering? „Heute war Zahltag für das Taschengeld, da haben viele wahrscheinlich gedacht: Ich hole mir lieber Geld, als mich über deutsche Gesetze zu informieren“, glaubt die ASB-Frau. Außerdem regnet es heftig. Da bleiben manche lieber auf ihren Zimmern.
120 schriftliche Einladungen - nicht einmal die Hälfte kam
Trotz des nur spärlich gefüllten Saals ziehen die Verantwortlichen auf der Bühne ihr Programm durch. Das beginnt mit der Aufforderung: Mützen vom Kopf! Kapuzen runter! Handys aus! „Und beim nächsten Mal pünktlich kommen!“
Stefan Paule-Freiwald von der Landespolizeiinspektion Suhl lässt keinen Zweifel aufkommen, wer hier das Sagen hat. Er verlangt von den Zuhörern „Respekt“.
Übersetzt werden seine Ansagen von Dolmetscher Abid, der aus Afghanistan stammt und hier im Heim als Wachmann arbeitet.
Stille im Saal. Ab und an wimmert ein Kind.
Der groß gewachsene Polizist in dunkelblauer Uniform macht nicht nur deutliche Ansagen, er klärt die Asylbewerber auch über Grundsätzliches auf. Er sagt Sätze wie:
„Es ist in Deutschland nicht normal, dass man spazieren geht und ein Messer dabei hat! Konflikte und Streits werden hier ohne Waffen gelöst!“
„Zeigen Sie Respekt gegenüber den Einheimischen, dann werden sie auch Respekt erhalten!“
„Sie dürfen eines nicht vergessen: Sie sind hier Gast in diesem Land!“
Zur Gastrolle gehört auch, die hier geltenden Vorschriften einzuhalten. Für manche Migranten, vor allem Jugendliche und junge Männer, scheint das jedoch alles andere als selbstverständlich.
Polizist: „Bei uns gibt es die sexuelle Selbstbestimmung“
Die Probleme durch Zuwanderer-Kriminalität machen Deutschland seit 2015 schwer zu schaffen. Dazu gehören auch die sexuellen Übergriffe bei Großveranstaltungen, Gruppenvergewaltigungen und das generell herabwürdigende Verhalten gegenüber Frauen.
Dass Frauen in Afghanistan weniger Rechte haben und sich Männern strikt unterordnen müssen, ist bekannt.
Hier, warnt der Polizeihauptkommissar, sei das anders.
„In Deutschland haben Männer, Frauen und Kinder die gleichen Rechte! Wenn eine Polizistin etwas sagt, hat das genauso viel Wirkung, wie wenn das ein männlicher Polizist sagt.“ Das gelte auch für Sozialarbeiterinnen und andere Frauen.
„Bei uns gibt es die sexuelle Selbstbestimmung. Jeder kann selbst entscheiden, ob er mit jemandem Sex haben möchte oder nicht. Wer nicht angefasst werden möchte, darf auch nicht angefasst werden. Bei uns gilt: Nein heißt Nein!“
Das Wort geht an Jörg Almeroth, bulliger Typ, kurzärmelig, kugelsichere Weste, Pistole, Handschellen am Mann. Ein gestandener Ermittler, Polizeihauptmeister.
Der Bundespolizist ist extra aus Erfurt angereist, gut eine Autostunde entfernt. Er kennt das Asylheim in Suhl gut. Die Bewohner auch. Von Kontrollen, durch Einsätze, aus Vernehmungen. Er weiß, wie schräg manche von ihnen ticken. Deshalb redet er Klartext:
„Wir erwarten von Ihnen ein höfliches und korrektes Auftreten uns gegenüber. Nicht aufbrausend oder herumbrüllend oder wild gestikulierend!"
„Wir wollen Ihre Hände sehen bei einer Kontrolle. Was wir nicht wollen, sind Waffen, Messer, Schlagringe oder andere gefährliche Gegenstände!“
Er warnt die Asylbewerber, bei polizeilichen Maßnahmen sollten sie „nicht zu nah an Polizeibeamte herankommen“. Sie müssten einen Sicherheitsabstand „von mindestens einer Armlänge“ einhalten. „Alles andere werten wir als Angriff!“
Almeroth und dessen Bundespolizei-Kollegen haben ungute Erfahrungen gemacht, insbesondere in Regionalzügen auf der Strecke Suhl – Erfurt. Dort, so der Beamte, würden Bewohner des Asylheims immer wieder durch übles Verhalten und zum Teil schwere Straftaten auffallen.
In den Zügen der Süd-Thüringen-Bahn kommt es regelmäßig zu Gewaltausbrüchen gegenüber Schaffnerinnen und Fahrgästen. „Es ist teilweise lebensgefährlich. Unsere Leute haben Angst, große Angst“, sagte Steffi Recknagel von der Eisenbahngewerkschaft EVG im Mai 2024 zu FOCUS online. Der Betriebsrat des Unternehmens sprach vom „Schlachtfeld Fahrgastraum“.
Wer in Deutschland Straftaten begehe, müsse mit ernsthaften Konsequenzen rechnen, warnen die beiden Thüringer Polizisten. Vorsorglich schildern sie den Ablauf eines Ermittlungsverfahrens von der Strafanzeige bis zum Gerichtsverfahren. Wer ohne Fahrschein im Bus mitfährt oder das 49-Euro-Ticket einer anderen Person nutzt, begehe „einen Betrug“. Und der werde „verfolgt“.
Im Übrigen erfolgten Polizeimaßnahmen – „anders als vielleicht in ihrem Land“ – aufgrund gesetzlicher Vorgaben und seien „nicht verhandelbar“, schärfen sie den Anwesenden ein.
Sozialbetreuerin: "Spülen und Klobürste benutzen!“
Auch die Sozialbetreuerin Nadja Horn findet deutliche Worte. Die zierliche Frau mit Brille und roter Fleecejacke mit dem gelben ASB-Logo arbeitet im Heim. Gemeinsam mit vielen Kolleginnen kümmert sie sich um die Flüchtlinge. Sie weiß, wo es hakt, welche Konflikte es immer wieder gibt. Eindringlich appelliert sie an die Asylbewerber:
„Was wir von Ihnen erwarten: ein friedliches Miteinander, gegenseitige Rücksichtnahme, keine Gewalt jeglicher Art, kein Diebstahl, keine mutwilligen Beschädigungen, Ordnung und Sauberkeit!“
Konkret bedeutet das: Kein Essen auf das Fensterbrett stellen, keine Ruhestörung in der Nacht, keinen Müll aus dem Fenster oder in Toiletten werfen. „Leider finden wir täglich verstopfte und sehr schmutzig hinterlassene Toiletten vor“, klagt die ASB-Mitarbeiterin.
Auf der Kino-Leinwand erscheinen drei Fotos von Kloschüsseln, die völlig versifft und „noch voll“ sind. Darunter in roter Schrift: „Spülen und Klobürste benutzen!“
Es folgt das Bild einer riesigen Kakerlake, verbunden mit der Aufforderung: Zimmer „regelmäßig kehren und wischen“.
Ende der Durchsage! Einen schönen Tag noch.
Die Flüchtlinge klatschen kurz in die Hände, stehen auf und schlurfen hinaus ins Septembergrau. Ihre Mützen und Kapuzen wieder auf den Köpfen, die Bayern-Kappe und die Kopftücher. Nach und nach sieht man sie in ihren Blöcken verschwinden.
Man fragt sich: Was ist bei den Asylbewerbern wirklich angekommen? Haben sie verstanden, worum es geht? Und werden sie sich daran halten? Oder haben sie sich nur berieseln lassen und insgeheim gedacht: Diese Deutschen, die können uns viel erzählen?
An manchen Stellen, etwa beim Thema sexuelle Selbstbestimmung, haben etliche der jungen Männer geschmunzelt, manche gefeixt. Warum bloß?
Auch, wenn viele Zuhörer in ihrer Heimat nie Lesen und Schreiben gelernt haben , nicht alle im Saal sitzenden Frauen und Männer werden Analphabeten sein. Aber kein einziger Flüchtling hat sich Notizen gemacht. Keiner hat eine der eingeblendeten Folien abfotografiert, um sich später noch einmal in Ruhe damit zu befassen.
Wenn jemand eine Frage stellte, dann meist im Ton der Beschwerde, der Anklage. Einigen missfiel sichtlich, dass sie während ihres laufenden Asylverfahrens nicht einfach frei in Deutschland herumreisen dürfen, sondern in Suhl bleiben müssen.
Hinzu kommt, dass nicht einmal die Hälfte der Eingeladenen erschienen ist. Vielleicht haben gerade diejenigen gefehlt, die man am dringendsten erreichen müsste.
Gemeint sind jene Migranten, die nur die Vorzüge Deutschlands ausnutzen wollen, aber nicht die geringste Absicht haben, unsere Gesetze zu befolgen. Jene jungen Männer, deren Namen bereits kurz nach ihrer Ankunft die Polizeicomputer füllen.
Warum dürfen Asylbewerber Termine ungestraft schwänzen?
Es bleibt zu hoffen, dass zumindest einige der in Suhl gestrandeten Zuwanderer gelernt haben, dass sie in Deutschland gewisse Pflichten haben, Normen akzeptieren und Respekt zeigen müssen.
Den Organisatoren der Aufklärungsveranstaltung möchte man nahelegen, ihren vernünftigen und absolut sinnvollen Ansatz unbedingt weiterzuverfolgen. Allerdings sollten sie sich fragen, ob es nicht doch möglich ist, dass alle Eingeladenen auch wirklich erscheinen.
In Deutschland sind die Bürger verpflichtet, Steuern abzuführen, Rundfunkgebühren zu zahlen, ihr Auto zum TÜV zu bringen oder den Behörden ihren Wohnsitz zu melden. Bei Verstößen drohen empfindliche Geldstrafen.
Warum sollte dieser Mechanismus nicht auch für Flüchtlinge in Suhl gelten? Wer die „Deutschland“-Lektion schwänzt, bekommt weniger oder gar kein Geld. So einfach wäre das.
Man kann fast sicher sein, dass dann viel mehr Migranten den Weg zum Kinosaal finden würden.
Auch bei Regenwetter.