Gastbeitrag von Carsten Maschmeyer - Drei Maßnahmen bringen Deutschland mehr Fachkräfte als Steuer-Rabatt für Ausländer

Deutschland braucht Fachkräfte. Doch wie wirbt es sie am besten an? Carsten Maschmeyer hat drei Ideen.<span class="copyright">Getty Images/Westend61; TVNOW / Bernd-Michael Maurer</span>
Deutschland braucht Fachkräfte. Doch wie wirbt es sie am besten an? Carsten Maschmeyer hat drei Ideen.Getty Images/Westend61; TVNOW / Bernd-Michael Maurer

Die Ampel will ausländischen Fachkräften vorübergehend Steuern nachlassen. Grundsätzlich eine gute Idee. Aber warum bei Ausländern aufhören? Mit drei Maßnahmen lösen wir den Fachkräftemangel und sorgen dafür, dass alle etwas davon haben.

Niemand kann den Fachkräftemangel ernstlich bestreiten. Daher ist es auch nur gut, dass sich die Ampelregierung Gedanken macht, wie Deutschland für echte Fachkräfte attraktiv wird, die wir dringend benötigen: Pflegekräfte genauso wie Computerfachleute, Ingenieure und viele mehr.

Es wäre besser, die Steuern dauerhaft zu senken

Weniger gut ist, wie die Ampel Deutschland für Fachkräfte attraktiver machen möchte. Offensichtlich hat die Regierung den einen entscheidenden Aspekt ausgemacht, warum Deutschland als Arbeitsort so abschreckend ist: Die Steuern auf Arbeit sind viel zu hoch und im internationalen Wettbewerb nicht konkurrenzfähig. Jetzt für Fachkräfte die Steuern wenigstens in den ersten drei Jahren ihrer Tätigkeit in Deutschland senken zu wollen, klingt daher erst einmal vernünftig.

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Aber leider ist es zu kurz gedacht: Richtig wäre eine grundsätzliche Vereinfachung des Steuersystems und eine Absenkung der Steuerlast, wenigstens für Einkommen bis 100.000 Euro. Mit dem aktuellen Vorschlag aber sollen Fachkräfte einfach nur schrittweise an das Hochsteuerland herangeführt werden, ohne an der grundsätzlichen Fehlentwicklung, dass wir überhaupt ein Hochsteuerland sind, etwas zu ändern.

Deutschland muss auch seine hochqualifizierten Arbeitskräfte hier halten

Viele Menschen ziehen daraus Jahr für Jahr Konsequenzen. Im Jahr 2023 haben 265.000 Deutsche Deutschland verlassen. Der mdr meldete, dass das häufigste Ziel dieser Wegziehenden die Schweiz, Österreich und die USA gewesen seien. Es sind also nicht hauptsächlich Rentner, die ihren wohlverdienten Ruhestand unter spanischer Sonne verbringen wollen, sondern Menschen, deren Arbeitskraft, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge uns verloren gehen.

Der Migrationsforscher Wido Geis-Thöne vom Institut der Deutschen Wirtschaft schätzt, dass es sich bei diesen Wegzügen vor allem um Hochqualifizierte handelt. Also um genau die, die wir mit den Steuerrabatt-Plänen zu uns locken wollen. Von den Menschen, die uns jährlich verlassen, halten wir mit den aktuell diskutierten Steuerrabatt-Plänen leider niemanden im Land, denn diese profitieren überhaupt nicht davon.

Bleiben Fachkräfte mit der neuen Regel länger als drei Jahre?

Es mag sein, dass einige ausländische Fachkräfte Deutschland wegen der vorübergehenden Steuererleichterungen attraktiver finden. Fraglich ist jedoch, wie nachhaltig diese Attraktivität ist. Denn der aktuelle Plan sieht vor, dass der Steuervorteil innerhalb von drei Jahren schrittweise abgebaut wird. Im vierten Jahr werden die ausländischen Fachkräfte dann genauso hoch, oder im Falle Deutschlands sogar zu hoch, besteuert wie ihre inländischen Kolleginnen und Kollegen.

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Bleiben diese Fachkräfte und Hochqualifizierten dann im deutschen Hoch-Steuersystem oder ziehen sie weiter? Ihre Mobilität und grundsätzliche Bereitschaft zum Umzug über Staatsgrenzen hinweg haben sie ja schon unter Beweis gestellt.

Die Niederlande nehmen ihre Steuererleichterungen für Ausländer wieder zurück

Richtig ist, dass andere Länder solche und ähnliche Regelungen haben, wie sie bei uns diskutiert werden. Der Vorschlag der Ampel scheint dem niederländischen Modell nachempfunden. Ausgerechnet die Niederlande jedoch haben Ende 2023 beschlossen, ihre Steuerbegünstigung für ausländische Fachkräfte ab 2024 zu begrenzen und deutlich abzuschmelzen.

Das kann nicht daran liegen, dass der Fachkräftemangel dort behoben ist. Der Deutschlandfunk meldet noch Ende 2022, er sei so groß wie nie zuvor und die Deutsch-Niederländische Handelskammer vermeldete noch Ende 2023, als die Kürzungspläne schon längst bekannt waren, zahlreiche offene Stellen für Fachkräfte.

Die neue Regel wirkt auf viele ungerecht

Was mir aber wirklich Sorge bereitet: Die Ungleichbehandlung kann schnell zu gesellschaftlichem Unmut führen. Es scheint, als hätte Robert Habeck wenig Gespür für Volkes Stimmungslage, wie er es schon beim Heizungsgesetz vermissen ließ.  Denn wie soll der Pflegekraft erklärt werden, dass die neue Kollegin nur auf 70 Prozent des Bruttolohns Steuern zahlen muss, während sie selbst 100 Prozent versteuert?

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Yasmin Fahimi, die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sieht darin „gesellschaftlichen Zündstoff“. Ich fürchte, sie hat Recht. Das einfach als „Neiddebatte“ abzutun, greift meines Erachtens zu kurz. Denn es handelt sich weniger um Neid als um ein Gefühl der Ungerechtigkeit. Das ist nicht dasselbe.

Diese drei Maßnahmen lösen den Fachkräftemangel tatsächlich

Wie aber bekommen wir dringend benötigte ausländische Fachkräfte dazu, hier bei uns in Deutschland arbeiten zu wollen?

Erstens , indem wir aufhören, Leistung zu bestrafen und jede Brutto-Lohnerhöhung zu einem Netto-Trauerspiel zu machen. Arbeit muss sich lohnen und der Blick auf die Brutto-Netto-Abrechnung muss Freude statt Schmerz bereiten. Für alle, die jetzt schon hier arbeiten und alle, die hoffentlich bald bei uns arbeiten werden.

Zweitens , indem unsere Behörden ausländische Fachkräfte nicht weiter als Bittsteller behandeln, sondern als echte Bereicherung für unsere Wirtschaft und unser Land. Beim ersten Kontakt mit deutscher Bürokratie und verbeamteter Unlust, in englischer Sprache zu kommunizieren, vergeht vielen die Bereitschaft, hier zu arbeiten. Auch die schnellere und unkompliziertere Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse und Qualifikationen wäre ein großer Schritt.

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Drittens , indem wir endlich eine ordentliche Kinderbetreuung schaffen, die es auch Eltern und vor allem Müttern ermöglicht, aus der Teilzeitfalle zu entkommen. Hier lassen wir so viel Arbeitskraftpotential ungenutzt, das mit keinen Steuervorteilen aufgewogen werden kann.

Ja, wir brauchen Fachkräfte, auch aus dem Ausland. Wir können Deutschland aber auch attraktiv machen, ohne die Gesellschaft weiter zu spalten.