Gastbeitrag von Dominik Enste - Warum das bedingungslose Grundeinkommen selbst für Empfänger ein Alptraum ist

<span class="copyright">IMAGO/Michael Gstettenbauer</span>
IMAGO/Michael Gstettenbauer

Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) fasziniert immer wieder. Eine US-Studie belegt nun die weitgehende Wirkungslosigkeit. Das BGE ist also nicht nur für die Steuerzahler, sondern auch für die Empfänger eher ein Alptraum als ein Traum.

Eine aktuelle, groß angelegte und methodisch anspruchsvolle Studie aus den USA zeigt - in ihrer Deutlichkeit durchaus überraschend - die weitgehende Wirkungslosigkeit sowohl in Bezug auf Lebenszufriedenheit, Stress und Gesundheit als auch in Bezug auf Investitionen in Aus- und Weiterbildung - trotz Fokussierung auf Personen aus den unteren Einkommensschichten.

Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens sind von den Vorteilen dieses radikalen Umbaus der Gesellschaft überzeugt (z.B. Bergmann, 2018; Häni/ Kovice, 2015). Auch in Deutschland wurde das Bürgergeld zum 1.1.2023 mit weniger Bedingungen ausgestaltet.

Während die Wirkungsanalyse dieser Reform noch aussteht und auch die Ergebnisse des Modellprojekts zum BGE in Deutschland erst für Januar 2025 erwartet werden, bestätigen die Ergebnisse der sehr umfangreichen experimentellen US-Studie um Sam Altmann mit Kontrollgruppe, dass die Kritik an bedingungslosen Transferzahlungen mehr als berechtigt ist (Enste, 2019) - und auch die Befürworter des BGE argumentieren mit ihrer Kritik an den Ergebnissen unfreiwillig für zielgenaue und bedarfsorientierte Sozialtransfers. Doch der Reihe nach.

Was ist ein BGE (Bedingungsloses Grundeinkommen)?

Die Idee ist, dass der Staat jedem, ob bedürftig, arbeitsfähig oder nicht, ein monatliches Einkommen zahlt, das alle grundlegenden Lebenshaltungskosten deckt. Dadurch werden viele bestehenden Sozialleistungen ersetzt. Das Ziel ist es, jedem einen grundlegenden Lebensstandard zu garantieren. Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder anderen Quellen wird entsprechend höher besteuert, um die Ausgaben, die in Deutschland je nach Ausgestaltung bei weit über einer Billionen Euro pro Jahr liegen würden, zu finanzieren (Enste/ Schneider, 2016).

Diese Idee stößt – wenig überraschend – vor allem bei jungen, einkommensschwachen Personen auf Zustimmung; und wenn es v.a. über höhere Einkommens- und Vermögensteuern finanziert wird (Busemeyer/ Rinscheid/ Schupp (2023).

Die Folgen der Bedingungslosigkeit

Abgelehnt wird diese Idee hingegen sowohl von Vertretern der Wirtschaft und von Ökonomen als auch von Sozialverbänden und Sozialpolitikern. Ökonomen fürchten eine Erosion der Arbeitsmoral, -zeit und -leistung und internationale Wanderungsbewegungen in das BGE. Sozialpolitiker fürchten hingegen, dass ein pauschales Einkommen zu Lasten von Bedürftigen geht und die Ungleichheit steigt Cremer (2019). Dass die zusätzlichen Belastungen für Steuerzahler und Erwerbstätige zu weniger Arbeitszeit und Wohlstand führen könnten, zeigen verschiedene theoretische Analysen (u.a. Fratscher, 2017), mit gravierenden Folgen für den Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel.

Schwerer wiegt noch die Aufkündigung des Solidarprinzip, das die Soziale Marktwirtschaft seit 75 Jahren prägt und erfolgreich gemacht hat: nur wer bedürftig ist, erhält Hilfe von anderen. Wer arbeiten kann, erhält entsprechend einen Lohn. Wenn das Erwerbseinkommen zur Ernährung der Familie nicht ausreicht, springt der Staat/ Steuerzahler ergänzend ein (Enste, 2019). Leistungen ohne Gegenleistung oder Nachweis der Bedürftigkeit vermindern hingegen die Steuermoral.

Nicht mal Empfänger profitieren vom BGE

In den USA wurden soeben die Ergebnisse einer großen, methodisch anspruchsvollen Studie vorgestellt, in der 1000 Personen mit niedrigem Einkommen drei Jahre lang monatlich 1000 US-Dollar als BGE erhalten haben. Das BGE entsprach dadurch durchschnittlich rund 40 Prozent des eigenen Einkommens. Eine Kontrollgruppe erhielt 50 Euro pro Monat. Informationen wurden in beiden Gruppen durch Befragungen, Auswertung von Verwaltungsdaten und per App erhobenen.

Die Kosten der Studie werden auf rund 60 Mio. US-Dollar beziffert – u.a. finanziert von Open-Ai Gründer Sam Altmann – einem Befürworter eines BGE. Damit zählt die Studie nicht nur zu einer der größten, sondern aufgrund des hochwertigen Forschungsdesigns auch besten, für die Analyse der kausalen Effekte eines BGE auf einkommensschwache Empfänger (Bartik, et al., 2024; Miller et al., 2024; Vivalt et al.,2024).

Mehr Konsum, weniger Arbeiten

Die Autoren kommen auf Basis ihrer bisher rund 300 Seiten umfassenden Veröffentlichungen zu sehr eindeutigen Aussagen: Die BGE-Empfänger zeichneten sich im Durchschnitt im Vergleich zur Kontrollgruppe aus durch:

  • Höhere Konsumausgaben, statt Investitionen in Weiterbildung

  • Höhere Verschuldung, so dass Kreditlimits, Zahlungsrückstände nicht verringert wurden;

  • Unveränderter Zahl von Insolvenzen und Konkursen.

  • Verringerung des individuellen Einkommen um rund 5 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe.

  • Verringerung der Arbeitszeit um rund 1,3 bis 1,4 Stunden pro Woche.

  • Zusätzliche Verringerung der Arbeitszeit anderer Haushaltsmitglieder um rund eine Stunde pro Woche und damit des Gesamteinkommens um rund 2.500 USD.

  • Die Freizeit wurde nicht für Sport, Kinderbetreuung etc. verwendet, sondern für Konsumzwecke.

  • Rückgang der Arbeitsmarktbeteiligung der Teilnehmer um 2,0 Prozentpunkte

  • Insgesamt keine Auswirkungen auf die Qualität der Beschäftigung, und die Autoren schließen selbst kleinste Verbesserungen aus.

  • Keine signifikanten Auswirkungen auf Investitionen in Humankapital (Weiterbildung)

  • Seltener Bewerbungen, längere Arbeitslosigkeit (ca. 1/7 länger).

Kein Einfluss auf Gesundheit und Schlaf

Kurzzeitig konnten einige positive Effekte beobachtet werden, wie weniger Stress, größere Ernährungssicherheit, mehr Besuche von Krankenhäusern, Notaufnahmen, (Zahn-) Ärzten und Mehrausgaben für medizinische Versorgung (20 Euro pro Monat), die in den USA nicht durch eine gesetzliche Krankenversicherung bezahlt werden. Die langfristigen Effekte waren jedoch ernüchternd:

  • Keine Verbesserung der Gesundheit oder Lebenszufriedenheit gemessen durch Fragebögen oder App

  • Keine Verbesserung der Gesundheit gemessen mit Blutuntersuchungen (!)

  • Weder körperliche noch psychische Gesundheit haben sich – über einen Kurzzeiteffekt nur im 1. Jahr hinaus – verbessert

  • Kein verbesserter Zugang zu Gesundheitsleistungen

  • nicht mehr sportliche Aktivitäten

  • nicht mal die Schlafqualität hat sich verbessert, wie die Autoren sichtlich konsterniert feststellen, denn schließlich wurde die Studie ja von einem Befürworter mitfinanziert.

Befürworter argumentieren unfreiwillig für ein bedingtes Grundeinkommen

Befürworter des BGE versuchen trotz der Eindeutigkeit der Ergebnisse dennoch entweder in Einzelfällen positive Effekte abzulesen und zu betonen, wie wichtig es sei, dass die Empfänger durch mehr Geld die Freiheit hatten, sich gegen Arbeit und für mehr Konsum und Freizeit zu entscheiden (Santes, 2024). Oder aber die Methode wird kritisiert (Standing, 2024), weil angeblich kein echtes BGE-Experiment durchgeführt wurden.

Leider ist beides abwegig. Erstens wird der Freiheitsgewinn für mehr Konsum der Empfänger in der Realität durch den Verlust der Freiheit derer bezahlt, die mit Steuern diese Freizeit finanzieren (Enste, 2019). Zweitens entspricht die Methode mit einer Kontrollgruppe höchsten wissenschaftlichen Standards und ermittelt so die kausalen Wirkungen der BGE-Zahlung. Übrigens: das deutsche Experiment (mit allerdings nur 120 Personen) ist ganz ähnlich konzipiert.

Santes (2024) scheint zudem die Methode der Kontrollgruppe misszuverstehen, denn er betont, dass die Beschäftigung der BGE-Empfänger während der Projektlaufzeit (2020-2023) doch zugenommen habe. Aber das ist trivial, da nach der Pandemie die Beschäftigung generell angestiegen ist. Zentral ist aber der Unterschied zwischen Kontrollgruppe und Versuchsgruppe – und der zeigt einen signifikant geringeren Anstieg.

Standing (2024) verweist auf Studien, die keine Arbeitsangebotsreduktion gezeigt hätten und beschreibt, ähnlich wie Santes (2024), dass es für bestimmte Gruppen durchaus Verbesserungen gegeben habe: zum Beispiel Alleinerziehende, die nach Aussagen in qualitativen Interviews sich besser fühlten. Aber kein Ökonom würde widersprechen, dass gezielte Hilfen für bestimmte, bedürftige Gruppen zielführend sind. Aber das widerspricht der Idee des „Geld für alle“ (Enste, 2019).

Fazit

Die Ergebnisse der Autoren (Bartik et al., 2024; Miller et al., 2024; Vivalt et al., 2024) sind ein weiterer Sargnagel für Konzepte, für eine Umgestaltung sozialer Sicherungssysteme in Richtung eines BGE. Wenn für die USA daraus etwas gelernt werden kann, dann das zielgenaue sozialen Transfers auf Bedürftige (wie Alleinerziehende, gering Verdienende oder bildungsferne Schichten) positive Effekte viel effektiver und effizienter erzielen. Die in den qualitativen Studien skizzierten Verbesserungen zum Beispiel für Drogensüchtige oder Alkoholiker sprechen für spezielle Hilfen und nicht für ein BGE für alle.

Insofern bleibt eigentlich nur der Schluss: Beerdigen wir endlich diese Idee und lösen die Probleme durch kleine, evidenzbasierte, evolutorische Verbesserung des bestehenden Systeme zum Beispiel in Richtung eines bedingten Grundeinkommens, welches viele Sozialleistungen zusammenfast und so Bürokratie reduzieren lässt. Das ist mühsamer, aber effektiver.

Prof. Dr. Dominik Enste ist Leiter des Clusters Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.