Gastbeitrag von Gabor Steingart - Herr Habeck, Ihre Gebete wurden erhört, doch das reicht nicht für Deutschland

Kraikatur zeigt einen betenden Robert Habeck vor einem Bild von Christine Lagarde<span class="copyright">The Pioneer</span>
Kraikatur zeigt einen betenden Robert Habeck vor einem Bild von Christine LagardeThe Pioneer

Zu Beginn seiner Amtszeit war es Naivität, mittlerweile ist es Vorsatz. Robert Habeck hofft gern.  Auf das grüne Wirtschaftswunder. Auf die globale Vorbildfunktion seiner Energiepolitik. Auf den Aufschwung.

Jede Enttäuschung wird mit einer neuen Hoffnung bekämpft. So setzt er inmitten der Stagnation, die seine Amtszeit wie ein böser Fluch überschattet, auf die belebende Wirkung einer Zinssenkung. So wie andere zur Jungfrau Maria beten, betet er seit Wochen zu EZB-Chefin Christine Lagarde.

Die Geldgöttin hat Habeck erhört

„Die Baukonjunktur schwächelt, liegt darnieder. Dies kann sich lösen, indem die EZB jetzt wieder den Zins senkt und dann wieder mehr gebaut wird.“ So hoffte er im August. Denn, so hatte er es im Lehrbuch gelesen: „Wenn die Zinsen runtergehen, dann senken die Hausbanken die Zinsen.“

Im jüngsten Monatsbericht von Habecks Bundeswirtschaftsministerium wurde die Hoffnung bereits zur Gewissheit transformiert: „Die eingeleitete Zinswende der Europäischen Zentralbank dürfte sich im weiteren Jahresverlauf zunehmend bemerkbar machen.“

Gestern um 14:15 Uhr war es so weit. Die EZB verkündete ihre zweite Zinssenkung in diesem Jahr. Der Leitzins wird um einen viertel Prozentpunkt nach unten gepegelt. Die Geldgöttin hatte Habeck erhört. Das Hoffen hat sich gelohnt.

Doch die schlechte Nachricht folgt der guten auf dem Fuße. Einen Aufschwung der Realwirtschaft dürfte die Verbilligung der Kreditkosten nicht auslösen. Inmitten einer überregulierten Volkswirtschaft, die ihre Unternehmen mit Berichtspflichten, hohen Steuern und Energiepreisen sowie einer fehlgeleiteten Zuwanderungspolitik quält, ist der Impuls der Geldpolitik zu schwach:

#1 Viele Investoren sind mittlerweile deutschlandfeindlich gestimmt

In der Theorie sind Habecks Hoffnungen berechtigt: Durch Zinssenkungen werden Kredite günstiger, Unternehmen können besser investieren und der Euro wertet ab, was die Exportwirtschaft anschiebt.

In der Praxis aber herrscht unter den Investoren mittlerweile eine deutschlandfeindliche Haltung. Produktionsverlagerungen und Jobabbau kennzeichnen die Situation der Jahre 2023 und 2024. Ein Nettoabfluss von Kapital ist zu beklagen. Gunther Schnabl, Ökonom an der Universität Leipzig, weiß auch warum:

„Die Wirtschaft leidet unter einer hohen Steuer- und Abgabenlast sowie einer wuchernden Regulierung. Die Bauindustrie krankt an hohen Immobilienpreisen und einer einschneidenden Umweltgesetzgebung. So sinkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft.“

#2 Die Baubranche will jetzt nicht wagen, sondern warten

Bauministerin Klara Geywitz erklärte im Interview mit „The Pioneer“ kürzlich, dass das SPD-Wahlversprechen von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr „in der jetzigen Zinssituation nicht realisierbar“ sei. Wäre das die ganze Wahrheit, würde der Umkehrschluss bedeuten, dass sinkende Zinsen einen neuen Bauboom auslösen – so wie es auch Habeck erhofft.

Die Baubranche erteilt solchen Hoffnungen eine Absage. Die Zinsen seien zwar „mitentscheidend für ein Anspringen der Baukonjunktur“, sagt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, zu „The Pioneer“.

Aber: „Der Bauzins folgt nur mittelbar den EZB-Entscheidungen. Daher erwarten wir auch zum Zeitpunkt der Senkung des Leitzinses keine schlagartigen Veränderungen bei der Baufinanzierung und sind nicht ganz so optimistisch wie der Wirtschaftsminister.“

Um die Wohnungskrise zu lösen, brauche es „einen Ruck auf allen politischen Ebenen“, so Pakleppa. Die Kernforderungen der Bauwirtschaft: Weniger Bürokratie, schnellere Genehmigungsverfahren.

#3 Der Bundeshaushalt wirkt wie versteinert

Im Wirtschaftsministerium hofft man, dass durch den weiteren Zinsschritt neue Spielräume im Bundeshaushalt entstehen. Immerhin sind 37,9 Milliarden Euro im Haushalt 2025 für den Schuldendienst vorgesehen.

Professor Lars Feld, Direktor des Walter Eucken Instituts und Berater von Finanzminister Christian Lindner, macht der Bundesregierung in diesem Fall keine Hoffnungen. Er sagt zu„The Pioneer“: „Ein weiterer Zinsschritt der EZB wird sich nur geringfügig auf den Bundeshaushalt auswirken.“

Erst für künftige Haushalte sieht Feld vorsichtig Entspannung. Er sagt: „Erst bei den danach anstehenden Refinanzierungen ergibt sich die Chance auf geringere Zinsausgaben des Bundes. Eine echte Entlastung macht sich erst allmählich bemerkbar.“

#4 Immerhin: Bundesbeteiligungen könnten profitieren

Für den Wert der börsennotierten Beteiligungen des Bundes – etwa Airbus, Commerzbank, Post und Telekom – ist die EZB-Zinswende durchaus interessant. Der Dax reagierte gestern positiv auf die Entscheidungen der EZB. Die Börsianer lieben das billige Geld mehr als ihre Großmutter. Das Schwächeln von Industriegiganten wie Volkswagen oder Thyssenkrupp hingegen wird durch die EZB-Zinssenkung nicht gelindert. Die Probleme am Standort Deutschland sind mit billigem Geld nicht zu narkotisieren. Gleiches gilt auch für die Meyer Werft, die der Bund jetzt alimentiert.

Fazit: Auch die Wirtschaft hofft auf bessere Zeiten. Wobei die Hoffnung der Unternehmer die Aussicht auf ein baldiges Scheitern der Ampelkoalition und ein Ende der Amtszeit von Habeck beinhaltet. Oder um es mit Ernst Bloch, Autor des Werkes „Das Prinzip Hoffnung“, zu sagen: „Wenn wir zu hoffen aufhören, kommt, was wir befürchten, bestimmt.“