Gastbeitrag von Gabor Steingart - Chef-Rücktritt verdeckt den wahren Schuldigen für den grünen Abstieg
Robert Habeck muss aufgrund seiner eigenen Misserfolge den Wählern eine Opfergabe präsentieren. Getroffen hat es die Grünen-Vorsitzenden. Ein Sieg der Moral sind deren Rücktritte daher nicht.
Robert Habeck hat mit einem Schuss zwei Böcke geschossen, und zwar zwei Sündenböcke. Beim Rücktritt der beiden grünen Parteichefs wirkte er aus der Kulisse mit. Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister war der Mann mit der Flinte in der Hand .
Der Tathergang ist mittlerweile präzise dokumentiert: Die beiden Parteichefs mussten am Montag in einer Schaltkonferenz mit 300 anderen Obergrünen des Realo-Flügels der Partei die Wahlniederlagen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg rechtfertigen. Ein Doppel-Rücktritt wurde weder verlangt noch angekündigt. Es folgte ein Gespräch mit Habeck. Erst jetzt wurden die beiden zu Bette gebracht, wie zuverlässige Quellen berichten und Ricarda Lang gegenüber „The Pioneer“ bestreitet.
Um die Spuren zu verwischen, fiel sein Dank an die Gefallenen würdevoll aus. Habeck lobte die „moralische Größe“ und die „politische Uneigennützigkeit“ der beiden: „Ihr habt uns eine Chance geschenkt.“ Ihr Schritt (in den biografischen Abgrund) zeuge von „Stärke und Weitsicht“. Das Ganze sei „ein großer Dienst an der Partei.“
Habeck hat eine Opfergabe an die Wähler gebraucht
In Wahrheit ist das Ganze ein großer Dienst an Robert Habeck. Denn der grüne Kanzlerkandidat in spe brauchte gegenüber den Wählern eine Opfergabe – Stichwort Verantwortungskultur –, die sich im Wahlkampf vorzeigen lässt.
Seht her, bei uns wird nicht geklebt, sondern zurückgetreten. So baumelt jetzt der Skalp von Ricarda Lang neben dem von Omid Nouripour lässig an seinem Gürtel. Und das Tollste: Sie haben sie scheinbar freiwillig überreicht.
Verblüffend an dem Vorgang ist nicht Habecks Kaltblütigkeit, sondern die Unterwürfigkeit der Medien, die im Wissen um seine Mittäterschaft einen Sieg der Moral feierten.
Keine Großtat, sondern eine parteiinterne Säuberung
„Es ist richtig, dass der Parteivorstand zurücktritt. Er zeigt damit eine Größe, die anderen fehlt“, schrieb die Süddeutsche. Die taz lobte: „Sie senden damit die Botschaft, dass der Partei als Ganzes die Sache wichtiger ist als die Macht.“ Die FAZ schlagzeilte: „Rücktritte als Chance.“
Der Journalist als Leibdiener des Politikers: Für die Freunde der publizistischen Unabhängigkeit kein schöner Anblick. Was als moralische Großtat in den Gazetten beschrieben wird, trägt in Wahrheit Züge einer parteiinternen Säuberung. Habeck bezieht – nachdem er zuvor der Kanzlerkandidatin von 2021, Annalena Baerbock, die Flügel gestutzt hatte – nun in der Parteizentrale sein Quartier.
Als Quartiermeisterin fungiert die weiterhin unbekannte Habeck-Staatssekretärin, Franziska Brantner , die für ihre Loyalität nun wohl mit dem obersten Parteijob belohnt wird.
Habeck hat die Stimmung im Land versaut
Durch die melodramatisch inszenierten Rücktritte (Ricarda Lang: „Es war mir eine große Ehre, dieser Partei zu dienen.“) wird der Blick verstellt auf den Urheber des grünen Niedergangs in den Umfragen und bei den Wahlen. Denn der heißt Hase alias Habeck, was dieser Inszenierung erst ihre Raffinesse verleiht.
Alles begann damit, dass der neue Vizekanzler Schlüsselpositionen im Ministerium mit Freunden und Freunden der Freunde besetzte. Erst als dieser „Habeck-Filz“ (Bild-Zeitung) aufflog, trat der Minister den Rückzug an. Sein Staatssekretär Patrick Graichen, der drauf und dran war, seinen Trauzeugen zum Chef der Energieagentur zu befördern, musste gehen. Er habe „den einen Fehler zu viel gemacht“, so Habeck kühl.
Es war „der Robert“, wie seine Parteifreunde ihn nennen, der daraufhin mit der staatlich verordneten Wärmewende und seinem „Heizungshammer“ die Stimmung im Lande versaute. Der Verkauf von Wärmepumpen knickte weg. „Ich bin zu weit gegangen“, räumte Habeck später ein.
Habeck ist ein Elitist, der die stählerne Faust des Staates bevorzugt
Zur Ehrenrettung der Wärmepumpe muss man sagen: Die Geräte sind, vorausgesetzt der Strom kommt nicht aus dem Braunkohletagebau, eine ökologische Sensation. Aber die Idee, diese kostspieligen Apparate mit staatlichem Zwang in die Keller zu bugsieren, zeugte von sozialer Kaltschnäuzigkeit. Hier sprach der Elitist, der die stählerne Faust des Staates bevorzugt, weil er der unsichtbaren Hand des Marktes misstraut.
Auch die Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke zahlte nicht auf das Sympathie-Konto der Grünen ein. Hier wurden Parteitagsbeschlüsse der Achtzigerjahre exekutiert, ausgerechnet in einer Situation, in der Strom knapp und teuer war. Die Mehrheit der Bevölkerung votierte dagegen. Habeck zog durch.
Erst jüngst machte sich Habeck wieder unbeliebt, als er die versprochene Prämie für den Kauf eines Elektroautos über Nacht streichen ließ. Tausende von Käufern, die das Auto bereits erworben hatten, wurden von der Prämie, die erst nach der Zulassung gezahlt wird, abgeschnitten. Außen grün, innen nichts.
Habeck hat einen Oscar für politisches Storytelling verdient
Apropos Elektromobilität: Auch hier setzt der Wirtschaftsminister nicht auf die Mündigkeit der Bürger, sondern auf die Autorität des Staates. Das Verbrenner-Aus ab 2035, das im Europaparlament beschlossen wurde, hat er nicht bekämpft, sondern begrüßt. Die Wirtschaft ist für Habeck nicht die Kuh, die er füttert, sondern das Nutztier, dem er ans Euter greift.
Auch innerhalb der Koalition ist Robert Habeck eine verlässliche Quelle des Unfriedens. Er liebt den Kredit mehr als den Koalitionsvertrag, was zum Dauerstreit mit dem Finanzminister führte.
Fazit: Mit den beiden Parteichefs wurden die Falschen beiseite geräumt, damit der Richtige strahlen kann. Gäbe es einen Oscar für politisches Storytelling: Robert Habeck hätte ihn verdient. Kein Wunder: Der Mann ist schließlich vom Fach.