Gastbeitrag von Gabor Steingart - Grummler, Pöbler und Spione: Die AfD ist eine Partei der schrägen Vögel
Die AfD ist eine Partei der schrägen Vögel, mit der nicht einmal mehr die anderen rechtspopulistischen Parteien Europas etwas zu tun haben wollen. Die Feindseligkeit gegenüber großen deutschen Familienunternehmen ist dabei ein Alleinstellungsmerkmal.
Wer zum Kern vom Kern einer Gruppierung vordringen will, sollte deren Selbstzuschreibungen und die ihrer Gegner für einen Moment ignorieren. Die RAF war nicht links, sondern autoritär. Die Etikettierung der AfD als „rechtsextrem“ und „gesichert rechtsextrem“ gibt ihr eine politische Festigkeit, die den Blick auf das Flüchtige und Flatterhafte ihres Charakters verstellt.
1. Partei der schrägen Vögel
Auf den Listen der AfD findet man Menschen, wie man sie an der Spitze von Unternehmen und Verbänden so nicht findet: Grummler, Pöbler und Spione. Selbst Marine Le Pen und Giorgia Meloni wollen mit dieser Brigade der schrägen Vögel nichts zu tun haben, weshalb die AfD-Abgeordneten aus der gemeinsamen Fraktion der Rechtspopulisten in Brüssel und Straßburg ausgeschlossen wurden.
Das hiesige Spitzenpersonal der AfD wirkt im Deutschland der Gegenwart merkwürdig entwurzelt und heimatlos. Wie die Nachhut einer untergegangenen Zeit vagabundiert Björn Höcke – notorisch übellaunig und immer leicht verspannt – über die Marktplätze.
Das akademische Reifezeugnis, also die Tatsache, dass Höcke ein Gymnasiallehrer und Alice Weidel eine Bankerin ist, kann uns über die Verhärtungen ihres Charakters, das oft Grobe, zuweilen Dumpfe ihrer Rhetorik nicht hinwegtäuschen. Weidel nach Solingen:
„Ich habe die Nase voll von diesen hohlen Phrasen von diesem dummen Geschwätz spätestens nach Solingen. “
Die Erkenntnis des konservativen kolumbianischen Essayisten Nicolás Gómez Dávila findet hier ihre Bestätigung:
“Die Bildung heilt die Dummheit nicht. Sie rüstet sie aus. “
2. Verachtung für den Mittelstand
Die in freier Rede auf dem Marktplatz von Sömmerda zur Schau gestellte Feindseligkeit gegenüber den Familienunternehmern ist ein Novum in Deutschland und damit ein Alleinstellungsmerkmal der AfD. Ohne Vorwarnung trat der thüringische Spitzenkandidat dem „Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft“ an dessen unterem Ende in den Allerwertesten. Sein Diktum:
„Einfach mal die Klappe halten, wenn es um Politik geht. “
Was war geschehen? Der Aufruf von mehr als 40 deutschen Familienunternehmen wie Miele, Vorwerk, Sennheiser und Stihl zu Vielfalt in Gesellschaft und Firma – „Made in Germany – Made by Vielfalt“ – hatte Höcke derart empört, dass er sprachlich ausgerastet ist:
“Ich hoffe, dass diese Unternehmen in schwere, schwere wirtschaftliche Turbulenzen kommen. “
Marie-Christine Ostermann , Präsidentin des Verbands „Die Familienunternehmer“, blieb gar nichts anderes übrig, als den Mann öffentlich zur Räson zu bringen:
“Herr Höcke hat die Maske fallen lassen und zeigt, wie seine Partei mit Meinungen umgehen will, die ihm nicht gefallen. “
3. Partei der Negativsten
Die AfD hat den Blick auf das, was in Deutschland gelungen ist und weiter gelingt, verloren. Die Augen ihres Führungspersonals sind zu Schießscharten verengt. Sie sehen nur das Unkraut und die verdorrten Stellen, nicht die Blumen. Ihre Sprache spuckt das ewig Unverdaute der deutschen Geschichte hervor.
Offen tritt in der AfD-Rhetorik ein Negativismus bis hin zum Nihilismus zu Tage, der für pragmatische Politik nicht mehr erreichbar ist. Insofern ist die Brandmauer keine Erfindung von Friedrich Merz , sondern ein Eigenbau der AfD, um sich von „Systemparteien“, „Systempresse“ und der „Fassadendemokratie“ abzugrenzen.
Die Bundesrepublik soll nicht erneuert, sondern erschüttert werden. Man will nicht die Reform des Bestehenden, sondern dessen Kapitulation. „Deutschland schafft sich ab“, den Bestseller von Thilo Sarrazin aus dem Jahr 2010, liest die AfD nicht als Warnhinweis, sondern als Gebrauchsanweisung zur Herstellung ihrer rhetorischen Dynamitstangen.
4. Die Angst-Verkäufer
Das Geschäftsmodell der AfD besteht darin, Angst in all seinen Darreichungsformen zu verkaufen. Erst Überfremdung. Dann Umvolkung. Am Ende des Tunnels wartet nie das Licht, immer nur eine neue, schreckliche Zumutung.
Die Angst vor dem Anderen, vor der Moderne, vor der Zukunft und wohl auch vor der Verantwortung ist so übermächtig, dass ein Gelingen nicht mal im Gedankenexperiment möglich scheint. Der Möglichkeitsraum der AfD sieht aus wie ein mittelalterliches Burgverlies, in dem die Streckbank wartet und Sonnenstrahlen keinen Zutritt haben.
Fazit: Wir sollten uns dennoch nicht in einen „Kampf gegen rechts“ hineinsteigern. Erst in der Kompression durch ihre Gegner wird das Poröse der AfD zur politischen Substanz verdichtet. Der liberalen Demokratie wäre es bekömmlicher, sie würde sich die Gelassenheit von Nicolás Gómez Dávila zu eigen machen:
"Alles Negative parasitiert auf dem Guten. Aber es ist ein zu hoher Preis, alles Gute zu vernichten, damit man das Schlechte loswird. “