Gastbeitrag von Gabor Steingart - Habeck schießt vier fatale Eigentore und zwingt damit unsere Wirtschaft in die Knie
Die Fehler des Vizekanzlers Robert Habeck setzen der Ampel-Regierung schwer zu. Von der teuren AKW-Abschaltung bis zu missglückten Heizgesetzen: Diese gravierenden Eigentore treiben die Wirtschaft in die Knie.
Die Corona-Pandemie ist vorbei, aber die Wahrnehmungsstörungen innerhalb der Regierung haben mittlerweile pandemische Ausmaße erreicht. Nach dem Bundeskanzler hat es nun auch den Vizekanzler erwischt.
Robert Habeck beschwert sich im Podcast-Interview von Politico, welch leichtes Spiel Annalena Baerbock bei ihrer Spitzenkandidatur 2021 hatte („Bitte lass mich den Elfmeter schießen, ich muss ihn nur reinbringen“), derweil er nun richtig zu kämpfen habe:
„Du wirst eingewechselt, und es steht vier null gegen dich.“
Da reibt man sich verwundert die Augen. Der Spielstand ist real. Aber der Vizekanzler als Austauschspieler?
Die Wahrheit: Robert Habeck steht als Sturmspitze von Anfang an auf dem Platz. Die vier Tore haben nicht andere Spieler der Ampel ins Tor geschossen, sondern es handelt sich um Eigentore. Friedrich Merz hatte keinen Ballkontakt. Alice Weidel sitzt hinter der Brandmauer. Habeck selbst hat mit festem Schuss aufs eigene Tor gebrettert und in anderen Fällen die Vorlage geliefert. Hier der genaue Spielverlauf:
0:1 AKW-Abschaltung inmitten der Stromkrise
Es begann mit der falschen Behauptung, Deutschland habe kein Stromproblem. Dabei hatten die beiden letzten laufenden Atomkraftwerke rund sechs Prozent zur deutschen Stromförderung beigetragen. Ihre Abschaltung am 15. April 2023, durchgesetzt gegen das Votum der FDP und die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung, hat die Strompreise weiter hochgetrieben.
Die Stromlücke musste durch fossile Brennstoffe geschlossen werden, da auch der Ausbau der Netze nicht wie geplant vorankommt. Sonne und Wind aus den nördlichen Küstenregionen finden nicht in ausreichender Menge den Weg zur Kundschaft im industrialisierten Süden.
Habecks Aussage, er sei von den AKW-Betreibern zum Atomausstieg gedrängt worden, entpuppte sich schnell als Unwahrheit. Im März 2022 hätten die Firmen ihm mitgeteilt, so Habeck, dass die Brennelemente „ausgelutscht“ seien und die Stromerzeugung über den Streckbetrieb hinaus nicht umgesetzt werden könne.
Die Betreiber setzten sich unverzüglich zur Wehr: Was Habeck behauptet, sei falsch, sagen gleich zwei der beteiligten Firmen. PreussenElektra hat es schriftlich hinterlegt:
„Wir als PreussenElektra haben uns zu jeder Zeit offen für eine Prüfung und Umsetzung eines Weiterbetriebs gezeigt und dies – wo immer möglich – artikuliert.“
Auch E.ON bezichtige den Wirtschaftsminister der Unwahrheit:
„Wir haben in der gesamten Debatte klargemacht, dass wir einen Weiterbetrieb des Kraftwerks technisch und logistisch ermöglichen könnten, sofern die Bundesregierung dies wünscht.“
Damit war der Vertrauensbruch zwischen Habeck und der Wirtschaft, die dringlich auf verlässliche und günstige Energie angewiesen ist, manifestiert. Der Minister hatte das grüne Parteiprogramm exekutiert und die Interessen der ihm anvertrauten Volkswirtschaft hinten angestellt. Telekom-Chef Tim Höttges:
„Die Politik muss aufwachen und eine Industriepolitik entwickeln. Meine Energiekosten sind zweieinhalb Mal höher als vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine.“
0:2 Der Wärmepumpen-Hammer
Weiter ging es mit einer Gesetzesnovellierung, die auf Klimaschutz und Unabhängigkeit vom Gas abzielte, am Ende aber nur für Verunsicherung sorgte. Das Gebäudeenergiegesetz stellt eines der größten Debakel dieser Koalition dar. Spielführer war der Austauschspieler Habeck.
Sein Ministerium schickte einen Referentenentwurf in Umlauf, laut dem alte Gas- und Ölheizungen verpflichtend ersetzt werden müssten. Habecks präferierte Alternative: Die Wärmepumpe, die bei Neuanschaffung zwischen 15.000 und 40.000 Euro kosten kann. Mit der folgenden „Heizhammer“-Debatte hat sich das Image der Grünen als „Verbotspartei“ verfestigt.
Der nächste Schlag: Zwei Tage vor der geplanten Abstimmung zu dem dann abgeschwächten Gesetz verkündete das Bundesverfassungsgericht, die Beschlussfassung müsse verschoben werden. Den Parlamentariern wurde nicht ausreichend Beratungszeit gewährt, lautete das Urteil.
Im September wurde das Heizungsgesetz dann beschlossen, jede neu eingebaute Heizung muss zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden.
Aber der Schaden war geschehen: Die Nachfrage nach Wärmepumpen, Habecks Heilsbringer für die Wärmewende, ist eingebrochen. Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie legen dar: Wärmepumpen-Hersteller haben im ersten Halbjahr dieses Jahres 90.000 Wärmepumpen abgesetzt, ein Rückgang von 54 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Prognose für das ganze Jahr liegt bei 200.000 – nicht einmal die Hälfte der zum Ziel gesetzten halben Million.
0:3 E-Auto ohne Prämie
Auch dieses Eigentor hat der Wirtschaftsminister höchstpersönlich geschossen – ohne jede Feindeinwirkung. In den Sparrunden mit Kanzler und Finanzminister stellte er selbst die Förderung von E-Autos, den sogenannten Umweltbonus, zur Disposition. Je nach Listenpreis des Fahrzeugs, so die geltende Regel, half der Staat den Bürgern mit bis zu 4.000 Euro beim Kauf eines E-Autos. Habeck kappte die Förderung mit sofortiger Wirkung.
Der Wortbruch: Da der Förderantrag erst mit der Zulassung des Fahrzeugs gestellt werden konnte, blieben mutmaßlich zehntausende Kunden, die ein E-Auto gekauft, aber noch nicht zugelassen hatten, auf den Kosten sitzen.
Die Folge: Im Januar 2024 wurden nur noch halb so viele E-Autos zugelassen, wie im Monat zuvor. Im ersten Halbjahr dieses Jahres lagen die Neuzulassungen immer noch 20 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Habeck hatte nicht „die Rechten“ oder „die Reichen“ düpiert, sondern seine grüne Kernklientel.
0:4 China-Strategie ohne Rücksicht auf Verluste
Im Juni reiste Habeck nach China. Kurz bevor er in Berlin den Regierungsflieger betrat, beteuerte er auf dem Rollfeld das De-Risking, die aktuelle Strategie der Bundesregierung zum Umgang mit der Volksrepublik:
„Die Erfahrung der vergangenen Jahre ist, dass – jedenfalls in kritischen Bereichen – eine zu große Abhängigkeit von nur einem Land ein Problem werden kann.“
Doch die Wirtschaft hat angesichts hoher Energiekosten, zäher Genehmigungsverfahren und einer lähmenden Bürokratie keine andere Chance, als die Strategie des Vizekanzlers zu ignorieren. Im abgelaufenen Quartal wurden 4,8 Milliarden Euro in China investiert, fast doppelt so viel wie die 2,48 Milliarden im ersten Quartal des Jahres. Damit belaufen sich die deutschen Direktinvestitionen in China für das erste Halbjahr 2024 auf 7,3 Milliarden Euro, gegenüber 6,5 Milliarden für das gesamte Jahr 2023.
Volkswagen investiert 2,5 Milliarden Euro in den Produktions- und Innovations-Hub in Hefei, BMW will seinen Produktionsstandort in Shenyang für ebenfalls 2,5 Milliarden Euro ausbauen. BASF wird 2030 eine neue Chemieanlage für zehn Milliarden Euro in Zhanjiang einweihen. Die Bitten von Habeck, mit „Standortpatriotismus“ Investitionen in Deutschland zu tätigen, bleiben unerhört.
Fazit: Die grüne Sturmspitze, die sich als Austauschspieler für den Kanzler ins Spiel bringt, ist zumindest eine originelle Marketingidee. Jetzt fehlen nur noch Wähler, die für verquere Ballspiele dieser Art empfänglich sind. Oder anders gesagt: Der grüne Frauenfußball des Jahres 2021 war attraktiver.