Gastbeitrag von Gabor Steingart - Olaf Scholz beschädigt den Rechtsstaat und verspielt das Vertrauen der Bürger

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)<span class="copyright">Marvin Ibo Güngör/Bundesregier</span>
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)Marvin Ibo Güngör/Bundesregier

Olaf Scholz gibt sich als Verteidiger des Rechtsstaats, doch seine Taten zeigen das ganze Gegenteil. Vom Cum-Ex-Skandal bis zum politischen Manöver gegen die CSU: Der Kanzler beschädigt die Grundpfeiler unserer Verfassung.

Es gibt Sätze, die gehören zur Grundausstattung einer Politikerrede wie das Billy-Bücherregal zu IKEA. Sie werden standardisiert geliefert – meist von der Vorgängergeneration – und können in jedem beliebigen Kontext in Windeseile eingebaut werden.

Olaf Scholz ist ein großer Freund dieser Billy-Regal-Sätze. Er verschraubt sie in allen denkbaren Größen. Seine Worte und die Billy-Furnierholzplatten sind gleichermaßen unauffällig, zweckmäßig und austauschbar. Die Kunststoffbeschichtung garantiert, dass hier auch gedanklich keiner hängenbleibt.

 

„Demokratie lebt vom Selbermachen“, ist so ein Billy-Satz, den Olaf Scholz beim Bürgerdialog anlässlich von 75 Jahren Grundgesetz präsentierte. Er selbst hält das nicht für Billy, sondern für Philosophie. Unser Kanzler schaut sehr stolz, wenn er solche Sätze gesprochen hat.

Regalbretter von Billy belastbarer als die Worte von Olaf Scholz

Will er nachdenklich wirken, sagt er: „Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht.“

Möchte er von der Bevölkerung als Kämpfer gesehen werden, wie jüngst im deutschen Bundestag, dann bietet er den folgenden Fertigbausatz an: „Wir werden den Rechtsstaat mit allen Mitteln verteidigen.“

Doch spätestens an dieser Stelle muss man IKEA in Schutz nehmen. Vergleichen heißt nicht gleichsetzen. Die Regalbretter von Billy sind belastbarer als die Worte von Olaf Scholz.

Kanzler Olaf Scholz beschädigt den Rechtsstaat

Der Rechtsstaat wird verbal vom Kanzler zwar verteidigt, aber de facto von ihm beschädigt. Sonntags hält er die Prinzipien der Verfassung so hoch, dass er Montag bis Freitag gar nicht mehr drankommt.

Das Bundesverfassungsgericht musste ihn und die Ampelkoalition binnen kürzester Zeit mehrfach zurück auf den Weg der Rechtsstaatlichkeit führen. Scholz hatte sich in die Büsche geschlagen, in der Absicht, sich politische Vorteile zu verschaffen.

Unseriös: Die Regierung wollte Milliarden ausgeben, die ihr nicht zustanden. Der Haushalt war durch Umbuchungen aus verschiedenen Schattenhaushalten nicht mehr verfassungskonform . Scholz musste zur Sparsamkeit gezwungen werden.

Autoritär: Für die parlamentarische Debatte des umstrittenen Heizungsgesetzes hatte die Regierung nicht ausreichend Zeit angesetzt. Die Rechte der frei gewählten Abgeordneten seien verletzt, urteilten die Verfassungsrichter. Die Regierung musste zur freien Aussprache mit der Opposition genötigt werden.

Undemokratisch: Bei der Verkleinerung des Bundestages hat die Regierung versucht, die Existenz der Regionalpartei CSU zu gefährden. Der Trick der Mehrheit zur Beschädigung einer Minderheit wurde durchschaut und muss jetzt auf Geheiß der Karlsruher Verfassungsrichter rückgängig gemacht werden.

Intransparent: Die Regierung versucht mit ihrer parlamentarischen Mehrheit, einen Untersuchungsausschuss zu verhindern, der die Rolle von Olaf Scholz im Cum-Ex-Steuerskandal beleuchten soll. Das Urteil steht noch aus.

Morgengabe für Putin: Die Tatsache, dass der Kanzler den Generalbundesanwalt anweisen ließ, die Zelle des Tiergartenmörders aufzusperren , um einen verurteilten Berufskiller nach Russland zu überstellen, löst Befremden aus. Das Rechtsstaatsprinzip, das in unserer Verfassung aus guten Gründen vor dem Demokratieprinzip rangiert, wird durch diese Entscheidung ausgehebelt.

Willkür der Regierung über das Rechtssystem

Warum das wichtig ist: Die Verfassungsväter wollten die Willkür der Regierung über das Rechtssystem verhindern, die auch dann Willkür bleibt, wenn sie der Verfolgung außenpolitischer Ziele dient. Ganz im Sinne von Montesquieu, dem Demokratie ohne Rechtsstaat als Pöbelherrschaft galt, sind in unserer Verfassung die Rechte von Minderheiten gegenüber der Regierung geschützt und die Gleichheit vor dem Gesetz wird für jedermann garantiert. Die Macht des Monarchen wird im deutschen Grundgesetz eben nicht durch die Macht des Kanzlers, sondern durch die Herrschaft des Rechts ersetzt.

Mord nicht gleich Mord: Jetzt aber lernt das Volk, dass vor dem Gesetz keineswegs alle gleich sind. Ungerechtigkeit ist nicht gleich Ungerechtigkeit, Mord ist nicht gleich Mord, Haftstrafe nicht gleich Haftstrafe. Es gibt eine geheimnisvolle Kraft, die oberhalb von Recht und Gesetz steht und die einen rechtskräftig verurteilten Mörder vor der Strafvollstreckung schützen und ihn als Staatsgeschenk zur Besänftigung eines ausländischen Despoten überreichen kann.

Der Despot konnte sein Glück kaum fassen und zelebrierte die Heimholung des Auftragsmörders durch eine Audienz am Moskauer Flughafen. Sein Machtinstinkt wurde befriedigt. Sein Geschäftsmodell ist damit international anerkannt, wonach man westliche Journalisten, Geschäftsleute und Sportler verhaften lässt, um sie an der internationalen Tauschbörse der Machtpolitiker als Wertgegenstände einzusetzen.

Joe Biden war Putins Vertragspartner, Scholz sein Notar.

 

Fazit: Verstörend ist vor allem die Gleichgültigkeit, mit der die liberale Wohlstandsgesellschaft und ihre Medien diese vorsätzlichen Grenzüberschreitungen der Ampel zur Kenntnis nehmen. Rechtsstaatlichkeit wird offenbar nicht mehr als Juwel des Bürgertums betrachtet, sondern als Knetmasse der Politiker akzeptiert. Montesquieu hatte eine Ahnung, wohin das führt:

„Monarchien enden durch Armut, Republiken durch Luxus.“