Gastbeitrag von Gabor Steingart - Von Steve Jobs bis Bill Gates: Warum wir Gründer zu Unrecht als Genies verehren

Erfolgreiche Unternehmer als Gladiatoren<span class="copyright">The Pioneer</span>
Erfolgreiche Unternehmer als GladiatorenThe Pioneer

Unternehmensgründer wie Steve Jobs oder Bill Gates gelten als Genies. Doch häufig blühten ihre Unternehmen erst nach ihrem Ausscheiden richtig auf: Ihre Nachfolger besetzten neue Trends besser. Daran sollten sich auch die Manager erinnern, die heute an ihren Plätzen kleben.

Wernher von Braun war der große Raketenpionier des 20. Jahrhunderts. Als Teil eines Teams von insgesamt 400.000 Menschen arbeitete er am Apollo-Programm, das 1969 im Auftrag von Kennedy mit der Raumfähre „Apollo 11“ die ersten Menschen auf den Mond brachte. Sein Motto:

„Ich habe begonnen, das Wort ‚unmöglich‘ mit großer Vorsicht zu verwenden.“

Jeff Bezos, der Gründer von Amazon und Blue Origin, erklärte kürzlich das Lebensmotto des deutschen Ingenieurs zu seinem. Zum Mond zu fliegen, sagte er, sei die Analogie dafür, etwas Unmögliches zu wollen. Es zu denken. Es zu versuchen. Es zu schaffen. Und wenn die Zeit angeblich noch nicht reif sei, dann eben „die Zeit vorzuspulen“.

Womit wir bei den großen und alt gewordenen Gründern sind, die oft nicht mehr dem Leitmotiv von Wernher von Braun folgen, sondern einer nostalgischen Verklärung der eigenen Vergangenheit. Sie spulen lieber zurück als vor. Früher ist für sie der Ort, wo alles besser war. Für sie gilt der Satz: Die Erinnerung malt mit goldenem Pinsel.

Warren Buffett ist 93 Jahre alt und sturer als Joe Biden. Buffett will an der Spitze von Berkshire Hathaway nicht weichen und hielt bis zum Schluss an seinem 99-jährigen Vize Charlie Munger fest. Erst der Tod konnte sie scheiden. Biden immerhin ließ im Alter von 82 Jahren fast freiwillig los.

Der 71-jährige Larry Fink, der 1988 mit sieben weiteren Partnern BlackRock gründete und seit 1998 an der Spitze des weltgrößten Vermögensverwalters residiert, spricht seit Jahren von der Stabübergabe, die dann routiniert nicht erfolgt. Eben erst haben zahlreiche Manager der zweiten und dritten Führungsebene die Firma verlassen.

Fink sagt, er sei auf der Suche nach einer Gruppe, die er „Founders 2.0“ nennt, die also das Ethos der acht Gründungsväter von BlackRock duplizieren soll. Aber, oh Wunder, er findet keine neuen Gründer, sondern immer nur sich selbst.

Dabei lohnt es sich, loszulassen und das Wort „unmöglich“ kleinzuschreiben. Viele Firmen fahren mit dem Nachfolger objektiv besser als mit dem Vorgänger, selbst wenn der als Genie in den Medien gefeiert wurde.

Apple-Gründer Steve Jobs

Zunächst dachten alle Investoren, die Firma gehe unter, als Steve Jobs aufgrund einer Krebserkrankung 2011 starb. Der ehemalige Apple-Manager Fred Anderson schrieb in Forbes:

„Only he had the powerful personality, vision and taste to achieve greatness.“

Was für ein Irrtum: Steve Jobs war ein technologischer Fanatiker und ein Marketing-Genie, aber kein guter Manager. Mit Tim Cook betrat ein Mann die Kommandobrücke, der Vision und Machbarkeit vereinte. Der gelernte Ingenieur hatte seinen Vorgänger Steve Jobs vertreten, als dieser aus gesundheitlichen Gründen ausfiel. Am 24. August 2011 übernahm Cook dauerhaft – und die Firma blühte auf.

Unter ihm hat sich der Marktwert von zuvor 350 Milliarden auf über drei Billionen Dollar fast verzehnfacht. Der Umsatz kletterte auf beeindruckende 390 Milliarden Dollar im Jahr 2023, ein Plus von über 250 Prozent gegenüber dem letzten Jobs-Jahr.

Cooks Geheimnis ist kein Geheimnis, sondern betriebswirtschaftliche Kärrnerarbeit. Er betreibt die Optimierung des zuvor bereits Optimierten. Cook-Biograf Leander Kahney schreibt:

„Er ist sehr ruhig und besonnen, aber er löchert einen mit Fragen. Man sollte sich besser auskennen.“

Microsoft-Gründer Bill Gates

Bill Gates, das Genie hinter Microsoft, revolutionierte im Jahr 1975 die Welt der Personal Computer. Mit der Einführung von Windows dominierte Microsoft den frühen PC-Markt und prägte die Softwarebranche über Jahrzehnte.

Doch Gates, das Wunderkind, zog sich früh zurück. So verpasste er Erfindungen wie die Suchmaschine und den Trend zur Online-Werbung, was Microsoft schwerfällig und innovationsarm machte. Sein Rücktritt im Jahre 2008 markierte das Ende einer Ära – und den Aufstieg der Firma.

Erst mit Satya Nadella, seit 2014 Microsoft-CEO, setzte die Firma zu einem neuen Höhenflug an. Seine Überzeugung: Auf Erfolgen darf man sich nicht ausruhen. Der Treiber einer Firma sei nicht Wissen, sondern Neugier:

„Denken Sie an zwei Schulkinder. Eines von ihnen hat angeborene Fähigkeiten, weiß also alles. Die andere Person hat stattdessen eine Begabung, zu lernen. Der Lernbegabte ist besser als der Allwissende.“

Unter Nadellas Führung wurde Microsoft wieder zu einem Innovationstreiber. Erfolgreiche Wetten wie die Übernahme von OpenAI katapultierten das Unternehmen zurück an die Spitze der Technologiebranche. Mittlerweile ist der US-Konzern mit 3,16 Billionen Dollar bewertet – zwölf Mal mehr als im letzten Gates-Jahr.

SAP-Gründer Hasso Plattner

Der heute 80-Jährige tat und tut sich schwer, anderen die von ihm und Dietmar Hopp gegründete Firma operativ anzuvertrauen. Der ehemalige IBM-Mitarbeiter war mit der SAP-Gründung und dem anschließenden Erfolg zum Multimilliardär aufgestiegen. Er hielt sich jahrzehntelang für die Krone der Schöpfung. Noch heute berät er SAP als Chief Software Advisor.

Der heutige CEO Christian Klein musste kämpfen, um an die alleinige Spitze zu gelangen, wo er schließlich den Strategiewechsel vornehmen konnte, der heute den Erfolg der Firma ausmacht. Er wagte die strategischen Sprünge, zu denen sich Plattner, der Erstarrte, nicht mehr durchringen konnte.

Unter Kleins Führung wurde das Cloud-Geschäft zum großen Umsatztreiber. Allein im zweiten Quartal 2024 wuchs die Sparte erneut um beeindruckende 25 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro, was die Hälfte des Umsatzes darstellt. SAP wurde damit zum wertvollsten Softwareunternehmen in Europa und besitzt heute einen Marktwert von 220 Milliarden Euro.

Durch das Zweifeln und Zaudern von Plattner gingen wertvolle Jahre ins Land. Es war wie so oft: Die Altvorderen sprechen vom Erfahrungsschatz, obwohl dieser sich in veränderter Umwelt als Sondermüll erweist.

Fazit: Erfolgreiche Manager halten das Schwierige für reizvoll und das Unmögliche für erreichbar. Sie sind durch das stehende Heer der Bedenkenträger und die Gespenster des Gestrigen nicht erschreckbar. Oder um auf den Pionier Wernher von Braun zurückzukommen: Der Schlüssel zum Erfolg ist kein Schlüssel, sondern eine Geisteshaltung.