Gastbeitrag von Gunther Schnabl - Es wäre fatal! Im Kampf gegen Wirtschafts-Flaute droht ein grober Politik-Fehler

Planen den großen Wurf in der Altersvorsorge: die Bundesregierung um (v.l.) Finanzminister Christian Lindner (FDP), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Kanzler Olaf Scholz (SPD).<span class="copyright">IMAGO/Political-Moments</span>
Planen den großen Wurf in der Altersvorsorge: die Bundesregierung um (v.l.) Finanzminister Christian Lindner (FDP), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Kanzler Olaf Scholz (SPD).IMAGO/Political-Moments

Deutschlands fette Jahre sind vorbei. Die Krise bei VW fügt sich in den desolaten Zustand unserer Wirtschaft ein. Um unseren Wohlstand zu sichern, braucht es wirtschaftliche Freiheit statt Staatswirtschaft.

Deutschlands größter Autobauer Volkswagen steckt in der Krise. 500.000 Autos werden zu wenig verkauft, heißt es. Insbesondere ein Einbruch bei Elektro-Autos wird für die Misere verantwortlich gemacht.

Konzernchef Oliver Blume hat den Abbau von Arbeitsplätzen und Werkschließungen in die Diskussion gebracht. Die IG-Metall will das Problem mit einer Vier-Tage-Woche lösen. Bei weiter steigenden Löhnen, versteht sich.

Die Krise bei VW fügt sich in den desolaten Zustand der gesamten deutschen Wirtschaft ein. Das Statistische Bundesamt hat eine schrumpfende Wirtschaftsleistung vermeldet.

Die Industrieproduktion und die Geschäftserwartungen zeigen bereits seit 2018 nach unten. Die Steuern, Abgaben, Lohnkosten und Energiepreise sind hoch. Die Umwelt- und Klimaregulierungen schaffen viel Bürokratie und noch mehr Unsicherheit.

Die großen Probleme der deutschen Wirtschaft

Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat zwar signalisiert, dass VW seine Probleme selbst lösen müsse. Doch schon hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verkündet, dass man betriebsbedingte Kündigungen vermeiden müsse.

Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) macht das Zweifeln der Union an der Elektromobilität verantwortlich und verweist auf neue Steuervergünstigungen für elektrische Dienstwagen.

Doch was sind die Gründe für die große Krise?

 

Problem Nummer 1 ist die Geldpolitik. Im Zuge der europäischen Finanz- und Schuldenkrise hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen seit 2008 dauerhaft gegen null gesenkt und in großem Umfang Staats- und Unternehmensanleihen gekauft. Für die Unternehmen sanken die Finanzierungskosten. Die Abwertung des Euros spülte den Exportunternehmen viel Geld in die Kassen. Das hat die Unternehmen träge gemacht.

Problem Nummer 2 ist die staatliche Ausgabenpolitik. Da die Konjunktur dank der EZB bis 2019 gut lief gut, stiegen die Steuereinnahmen steil an. Der Staat weitete nicht nur die Sozialausgaben aus. Sondern er gewährte den Unternehmen auch großzügige Hilfen für die Beteiligung an seinen grünen Transformationsplänen. Das hat nicht immer in die richtige Richtung geführt.

Problem Nummer 3 ist der sogenannte Green Deal der Europäischen Kommission, der eine wuchernde Umwelt- und Klimaregulierung und damit hohe Kosten nach sich gezogen hat. Im März 2023 beschloss die EU sogar ein Verbrennerverbot, das einen wichtigen Wettbewerbsvorteil deutscher Automobilproduzenten – ohne große Proteste – zunichtemachte.

Eine verfehlte Energiepolitik und der Ukrainekrieg

Doch nun sind Deutschlands fette Jahre vorbei. Warum das so ist, erkläre ich in meinem gleichnamigen Buch. Da aufgrund der gestiegenen Inflation die EZB ab 2022 die Zinsen erhöhen musste und keine Staatsanleihen mehr kauft, steigen die Finanzierungskosten der hochverschuldeten Unternehmen an. Eine verfehlte Energiepolitik und der Ukrainekrieg haben zudem die Energiekosten nach oben getrieben.

Nachdem der deutsche Staat mit seiner stark gewachsenen finanziellen Feuerkraft die Beschäftigung im öffentlichen Sektor seit 2010 um mehr als zwei Millionen nach oben getrieben hat, ist der Arbeitsmarkt leergefegt. Die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften ist so stark gewachsen, dass die Unternehmen mit selbstbewussten Forderungen nach höheren Löhnen und kürzeren Arbeitszeiten konfrontiert sind.

Zwar wollte der deutsche Staat als Ausgleich Subventionen gewähren. Diese sind nach einer Schätzung des Instituts für Weltwirtschaft im Jahr 2023 auf 362 Milliarden Euro gestiegen. Doch hat im November 2023 das Bundesverfassungsgericht mit der Stärkung der Schuldenbremse Grenzen gesetzt.

Was bleibt, ist eine der weltweit höchsten Steuer- und Abgabenlasten sowie deutlich gestiegene Preise, die an der Kaufkraft der deutschen Autokäufer nagen. In China zwingt die schwache Konjunktur die Regierung zu Exportsubventionen für Elektroautos.

Die falsche Antwort der Politik

In „Deutschlands fette Jahre sind vorbei“ können sie nachlesen, was die falsche Antwort auf die desolate Lage ist. Groß ist der Drang der Politik nach noch mehr Staatsausgaben. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will die Subventionen beim Kauf von Elektroautos zurück.

Sein Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) sieht das Problem bei der Schuldenbremse. Finanzielle Rettungsaktionen wie zuletzt für die Meyer-Werft oder vielleicht auch bald für Volkswagen sind bei den Wählern durchaus populär.

Schon visiert die EZB weitere Zinssenkungen an. Bundesbankpräsident Joachim Nagel hat die große Inflationswelle für überstanden erklärt. EZB-Chefvolkswirt Philipp Lane hat schon wieder Angst vor fallenden Preisen.

Und auch die US-amerikanische Fed hat sich endlich zu einer ernsten Zinssenkung durchgerungen. Im Windschatten der Zinssenkungen könnte die EZB bald neue Ankäufe von Staats- und Unternehmensanleihen anvisieren. Dann könnten wieder mehr Subventionen fließen. Die Werke und Arbeitsplätze bei VW wären gesichert.

Wirtschaftliche Freiheit statt Staatswirtschaft

Doch die großen Unternehmen, die in der Regel auf Kosten der kleinen von Subventionen profitieren, würden noch träger werden. Mit strengen Umwelt- und Klimaregulierungen könnte sie der Staat am goldenen Zügel in eine Art rotgrüne Planwirtschaft führen. Wirtschaftsminister Lies hat VW schon zum Bau eines Volks-Elektro-Autos aufgerufen. Doch dann käme die Inflation zurück.

Deshalb braucht es wirtschaftliche Freiheit statt Staatswirtschaft, um den Wohlstand zu sichern. Die EZB muss die geldpolitischen Zügel länger straff halten, damit die Unternehmen die Produktion – beispielsweise mit Hilfe künstlicher Intelligenz – effizienter machen.

Die Euro-Staaten wären zur Konsolidierung ihrer Ausgaben gezwungen, was den Unternehmen wieder mehr Freiraum verschaffen würde. Der Druck zu Kostensenkungen bei Staat und Unternehmen würde den lang ersehnten Abbau von Regulierungen erzwingen.

In der Vergangenheit hat Ludwig Erhard in Westdeutschland gezeigt, dass mutige Reformen lohnen. Die Einführung einer stabilen Währung, freier Preise, eines unverfälschten Wettbewerbs zwischen den Unternehmen sowie eine wirtschaftspolitische Zurückhaltung des Staates bescherten Deutschland ein Wirtschaftswunder und einen Wohlstand, der heute ernsthaft gefährdet ist.

Gesucht ist ein neuer Ludwig Erhard

Wie Argentinien zeigt, sind Reformen zwar schwerer durchzusetzen als großzügige Ausgabenversprechungen. Da Deutschland in die Europäische Union eingebunden ist, sind die Freiheitsgrade bei der Geldpolitik, der Regulierung und bei den Staatsausgaben gering, was die Aufgabe nicht einfacher macht.

Doch wie Volkswagen zeigt, ist die zentralbankfinanzierte staatliche Lenkung der deutschen Wirtschaft an seine Grenzen gestoßen. Gesucht ist ein neuer Ludwig Erhard, der das Land mit marktwirtschaftlichen Reformen fit für die Zukunft macht.