Gastbeitrag von Hans F. Bellstedt - Drei Empfehlungen, wie die FDP über die Fünf-Prozent-Hürde kommt

Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender<span class="copyright">Sebastian Christoph Gollnow/dpa</span>
Christian Lindner, FDP-BundesvorsitzenderSebastian Christoph Gollnow/dpa

Wie schafft es die FDP wieder über die Fünf-Prozent-Hürde? Hans F. Bellstedt, Unternehmer und FDP-Ortsvorsitzender in Berlin-Mitte, hätte ein paar Ideen zur Vitalisierung des Markenkerns.

Als FDP-Mitglied kann ich meiner Partei nicht vorwerfen, dass sie in den bald drei Jahren Ampel-Koalition nicht geliefert hätte. Ob Inflationsausgleichs- oder Wachstumschancengesetz, ob verbesserte Start-up-Finanzierung oder mehr Geld für Schulen in Problemlagen – zahlreiche Gesetze tragen eine erkennbar liberale Handschrift.

Honoriert werden diese Leistungen von den Wählerinnen und Wählern nicht: 2023 reichte es in Bayern nicht für den Wiedereinzug in den Landtag, davor in Niedersachsen und im Saarland auch nicht. In den drei Landtagswahlen im Osten Deutschlands wurden die Liberalen nur noch unter den Sonstigen erfasst. In den Umfragen im Bund verharrt die FDP seit einiger Zeit bei unter fünf Prozent. Wie man es dreht und wendet: Die Partei ist in der Todeszone angekommen.

Austritt aus der Ampel stellt kein Allheilmittel dar

Was kann, was sollte die FDP also unternehmen, um aus dem Umfragetief heraus zu kommen? Ein Austritt aus der Ampel stellt kein Allheilmittel dar und würde von vielen als Flucht aus der Verantwortung gedeutet. Auch ist nicht garantiert, dass die Startposition der Liberalen für die Bundestagswahl 2025 sich dadurch verbessern würde. Umso mehr kommt es auf die Partei zu, eine strategische, organisatorische und ansatzweise auch personelle Neuausrichtung einzuleiten. Drei Empfehlungen:

1. Die Strategie: Markenkern statt Vollsortimenter

Strategisch geht es darum, das eigene Themenspektrum selbstkritisch zu überprüfen. Über ihren klassischen Radius hinaus hat sich die FDP im Zuge der Ampel weit auf das Terrain der gesellschaftspolitischen Modernisierung vorgewagt. Cannabis-Legalisierung, geschlechtliche Selbstbestimmung oder auch ein sehr großzügiges neues Staatsangehörigkeitsrecht sollten der Partei neue Wählerschichten zuführen. Nach drei Jahren wird man nüchtern bilanzieren müssen: Der Ausflug brachte keinen Erfolg. Eher hat er, siehe Umfrageergebnisse, viele Stammwähler der FDP zutiefst verstört. Hier ist eine Umkehr dringend erforderlich. Anstatt progressiver Vollsortimenter sein zu wollen, sollte sich die Partei wieder auf den Mittelstand, ihr Kernthema Bildung, sowie solide Staatsfinanzen konzentrieren. Bürokratieabbau und Digitalisierung stärken Selbstständige und Familienbetriebe, während Bildung die beste Sozialpolitik ist. Der große Liberale Ralf Dahrendorf war vor allem ein Bildungspionier. Einen wie ihn bräuchten die Liberalen heute wieder – Deutschlands Eltern warten darauf.

2. Die Organisation: Plattform statt Apparat

Es stellt sich die Frage, ob der klassische Parteiapparat noch Zukunft hat. Emmanuel Macron hat 2017 mit einer spontanen, unkonventionellen Bürgerbewegung den Élysée-Palast erobert. In den Niederlanden sitzt mit dem „Neuen Gesellschaftsvertrag“ eine Formation am Kabinettstisch, die erst 2023 ins Leben gerufen wurde. Die Volt-Partei bestimmt wenige Jahre nach ihrer Gründung die Stadtpolitik in Frankfurt und Köln mit, ihr Gründer ist stellvertretender Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Europäischen Parlament. In Bayern holten die Freien Wähler zuletzt fast sechzehn Prozent, die FDP drei. Der Soziologe Steffen Mau spricht in seinem Buch „Ungleich vereint“ von den „Bonner Parteien“, die Gefahr liefen, ihre Bindekraft zu verlieren. Gerade Freie Demokraten sollten sich organisatorisch öffnen, neue Angebote für ihre Um- und Vorfelder schaffen und davon Abstand nehmen, die Mitgliedskarte als Mitwirkungsbedingung zu betrachten. Niedrigschwellige, agile Partizipationsformen können freiheitlich gesinnte Menschen zum Mitmachen bewegen – die Stunde für eine „Plattform freier Bürger“ ist da.

3. Das Personal: Frau statt Tradition

Schließlich, da in der Politik mit ausschlaggebend, das Personelle: FDP-Chef Christian Lindner sollte den Mut aufbringen, eine jüngere Frau mit einer neuartigen Führungsaufgabe, gegebenenfalls auch außerhalb der etablierten Gremienstrukturen, zu betrauen. In der Bundestagsfraktion finden sich zahlreiche, engagierte Frauen, die beispielsweise eine Sonderrolle als Wahlkampfbeauftragte mit hoher Medienpräsenz übernehmen könnten. Denkbar wäre aber auch, dass Lindner eine Gründerin, Kulturmanagerin oder Bildungsexpertin an seine Seite holt. Eine gelebte Doppelspitze als Ausdruck von Mut, Modernität und Öffnung – das stünde den Liberalen, dieser großen historischen Kraft der Veränderung, besonders gut zu Gesicht. Und es könnte die entscheidenden ein bis zwei Prozentpunkte bringen, um aus der Todeszone herauszukommen. Die FDP wird noch gebraucht. Aber ein Kurswechsel ist dringend geboten.