Gastbeitrag von Marc Friedrich - Drei Indikatoren zeigen, warum eine weltweite Rezession schwer zu vermeiden ist
Es gibt drei Indikatoren, die in der Vergangenheit Rezessionen stets mit sehr hoher Treffsicherheit vorhergesagt haben. Marc Friedrich stellt die Sahm-Regel vor, beleuchtet Zinssenkungen, erläutert die Yield-Curve und beschreibt, wie sich Anleger darauf einstellen sollen.
Anfang 2023 war man sich weitgehend einig, dass eine Rezession kommen würde. Aber sie kam nicht. Die Stimmung hatte sich stark verändert. Plötzlich war eine weiche Landung der Wirtschaft - ein ”soft landing” - in aller Munde. Von einer möglichen Rezession wollte niemand mehr etwas wissen.
Laut Umfragen der Bank of America unter Fondsmanagern war die Stimmung noch im Juli 2024 überwiegend bullish. So lag die durchschnittliche Cashquote der Fondsmanager bei gerade einmal 4,1 Prozent. Im Oktober 2022 lag diese noch bei über 6 Prozent.
68 Prozent der Befragten erwarteten zuletzt im Juli ein Soft Landing der Wirtschaft in den kommenden 12 Monaten. Mit einer harten Landung rechneten dagegen nur 11 Prozent . Zum Vergleich: Vor gut einem Jahr, im Mai 2023, erwarteten noch rund 27 Prozent aller Befragten ein Hard Landing in den kommenden 12 Monaten. Eine deutliche Veränderung also.
Ist die Rezession damit vom Tisch? Die Ereignisse der letzten Wochen in Japan, aber auch am US-Arbeitsmarkt, haben eine mögliche Rezession wieder in den Fokus der Anleger gerückt. Im Folgenden werden drei Indikatoren vorgestellt, die in der Vergangenheit Rezessionen stets mit sehr hoher Treffsicherheit vorhergesagt haben.
Die Sahm-Regel
Beginnen wir mit dem Arbeitsmarkt. Intel##chartIcon , einer der größten Chiphersteller der Welt, hat erst vor wenigen Tagen angekündigt, 15 Prozent seiner Stellen zu streichen. Solche Meldungen sind leider keine Ausnahme mehr. Die Arbeitslosenquote in den USA ist inzwischen auf 4,3 Prozent gestiegen (siehe nächste Grafik).
Die so genannte Sahm-Regel zeigt eine bevorstehende Rezession an, wenn die durchschnittliche Arbeitslosenquote der letzten drei Monate um 0,5 Prozentpunkte über dem niedrigsten Wert der letzten zwölf Monate liegt. Wie die folgende Grafik zeigt, hat dieser Indikator bereits Alarm geschlagen. Nach der Sahm-Regel steht also eine Rezession bevor.
Ein weiterer Indikator für eine Rezession sind Zinssenkungen durch die Zentralbank.
Zinssenkungen
Notenbanken reagieren auf Krisen im Finanzsystem oder in der Wirtschaft in der Regel mit Zinssenkungen. Wie die folgende Grafik zeigt, spielen die Zentralbanken außerhalb der USA bereits Feuerwehr und senken die Zinsen. So haben wir im Juli die schnellsten Zinssenkungen der globalen Zentralbanken seit Corona gesehen.
Und auch in den USA rechnen die Marktteilnehmer inzwischen mit mindestens einer Zinssenkung im September. Wenn die Zinsen gesenkt werden, dann war das historisch gesehen ein Zeichen dafür, dass etwas im Finanzsystem aus dem Ruder gelaufen oder kaputt gegangen war und die Notenbank mit Zinssenkungen eingreifen musste. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Zentralbanken reaktive Institutionen sind, die Daten verwenden, die mindestens einen Monat alt sind.
Wie die folgende Grafik zeigt, sind Zinssenkungen im Rückspiegel der Geschichte kurzfristig also zunächst einmal kein gutes Zeichen für den Aktienmarkt, auch wenn sie das Geld eigentlich billiger machen.
Die „Yield Curve”
Es gibt aber noch einen weiteren Indikator, der derzeit auf eine Rezession hindeutet: die Zinsstrukturkurve . Unter Finanzanalysten wird die Yield Curve meist als Differenz zwischen den Renditen lang- und kurzfristiger Anleihen beschrieben und dargestellt. Dazu wird in der Regel die Differenz zwischen der Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe minus der Rendite der 2-jährigen US-Staatsanleihe genommen (siehe folgende Abbildung).
Was lässt sich nun daraus ableiten? Wenn die Differenz positiv ist (d.h. über der gelben Linie liegt), bedeutet dies, dass die Zinsstrukturkurve steil oder normal ist. Dies signalisiert Vertrauen in das zukünftige Wirtschaftswachstum.
Ist die Differenz jedoch negativ (d.h. die Rendite der 2-jährigen Anleihe ist höher als die der 10-jährigen Anleihe), spricht man von einer inversen Zinsstrukturkurve, was häufig ein Zeichen für eine bevorstehende Rezession ist. In diesem Fall verlangen die Anleger kurzfristig eine höhere Verzinsung ihres Kapitals.
Und jetzt wird es interessant: Jedes Mal, wenn die Zinsstrukturkurve invertiert, also unter die gelbe Linie gefallen ist, ist der Aktienmarkt in der Regel weiter gestiegen und erst dann eingebrochen, wenn die Zinsstrukturkurve wieder invertiert, also wieder über die gelbe Linie geklettert ist. Wie die obige Grafik zeigt, sind wir nicht mehr weit davon entfernt.
Historisch betrachtet zeigt sich, dass die Yield Curve erstaunlicherweise alle Wirtschaftskrisen der letzten Jahre im Vorfeld angezeigt hat. Selbst im Jahr 2019 rutschte die Yield Curve kurzzeitig ins Negative und Anfang 2020 kam es dann tatsächlich zum Corona Crash.
Zinssenkung als Verkaufssignal
Die Frage, die mir inzwischen am häufigsten gestellt wird, lautet: Wie kann man sich darauf vorbereiten? Denn eines ist klar: Wenn man wartet, bis die Rezession von offizieller Seite ausgerufen wird, ist es meist zu spät.
Betrachtet man den Chart des amerikanischen Aktienindex S&P 500 (SPX), so wird klar, wie sich dieser nach den ersten Zinssenkungen entwickelt hat. Es wird deutlich, dass es bisher immer eine gute Strategie war, bei der ersten Zinssenkung zu verkaufen. Es ist eine einfache und nicht perfekte Strategie, aber sie funktioniert.
Da der Markt bereits mindestens eine Zinssenkung der FED im September einpreist, könnte es sinnvoll sein, bereits jetzt Cash aufzubauen, um dann bei fallenden Kursen antizyklisch zuzugreifen.
Kleiner Tipp: Historisch betrachtet haben sich vor allem Aktien aus dem Bereich Consumer Staples in Rezessionen vergleichsweise gut gehalten und zudem schneller wieder das Vorkrisenniveau erreicht als der breite Aktienmarkt. Zu den Konsumgütern zählen Unternehmen, die Produkte des täglichen Bedarfs herstellen, wie zum Beispiel Zahnpasta, Zigaretten, Softdrinks und Ähnliches.
Fazit: Vieles deutet auf eine Rezession
Man sieht also, dass inzwischen viele Anzeichen auf eine Rezession hindeuten. Insbesondere die Sahm-Regel war in der Vergangenheit sehr treffsicher. Die aktuelle Inversion der Zinsstrukturkurve ist zudem die längste in der Geschichte. Sogar länger als vor der großen Depression 1929. Aber wer weiß: Vielleicht ist es diesmal wirklich anders.
Eines steht jedenfalls fest: Die Notenbanken werden so oder so eingreifen und die Zinsen senken müssen. Schaut man sich die weltweiten Schuldenberge an, insbesondere in den USA, führt an Zinssenkungen eigentlich kein Weg vorbei. In den USA muss das Finanzministerium mittlerweile mehr für den Zinsdienst ausgeben als für das Militär . Hinzu kommt, dass in den nächsten Monaten ein großer Teil der Schulden refinanziert werden muss, und wenn die Zinsen auf diesem Niveau bleiben, könnte das die USA schnell in eine missliche Lage bringen.
In den kommenden Monaten ist daher auf jeden Fall mit weiter steigender Liquidität zu rechnen. Richtig spannend könnte es werden, wenn dadurch im kommenden Jahr die Inflation zurückkehren sollte. Dies wäre der absolute worst case und das Spiel würde von vorne beginnen.
Vor allem mit Blick auf die aktuelle geopolitische Lage im Nahen Osten , aber auch auf die anstehenden US-Wahlen sind turbulente Wochen zu erwarten. Das Wichtigste als Anleger ist jedoch, immer mit einem Plan zu agieren und keine panischen und überstürzten Entscheidungen zu treffen.
Das aktuelles Video von Marc Friedrich sehen Sie HIER .