Gastbeitrag von Oliver Rolofs - Der Iran zündelt nicht nur im Nahen Osten - das ist auch für Europa gefährlich
Der Iran zündelt nicht nur im Nahen Osten, sondern auch im Kaukasus, wo das schwache Armenien zwischen den Großmächten Iran und Russland gefangen ist. Die EU übt sich weiter in großer Naivität, die immer mehr zu einem Sicherheitsrisiko für uns wird.
Es ist noch nicht allzu lange her, da gratulierte Bundespräsident Steinmeier dem Iran zum 40. Jahrestag der iranischen Revolution. Der Bundespräsident übermittelte im Februar 2019 „herzliche Glückwünsche“ zum Nationalfeiertag, „auch im Namen meiner Landsleute“.
Die freundlichen Grüße nach Teheran stehen exemplarisch für die außenpolitische Ära unter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die war vor allem von einer Sache geprägt: Naivität - vor allem im Umgang mit Aggressoren wie Iran und Russland.
Lange wollte man sowohl in Berlin als auch in Brüssel Irans Aggressionspolitik im Nahen Osten sowie dessen Unterstützung von Terrororganisationen wie Hamas und Hisbollah, die auch in Europa jahrzehntelang unbehelligt agieren konnten, nicht wahrhaben.
Spätestens seit Russlands Vernichtungskrieg gegen die Ukraine und die vom russischen Geheimdienst ausgeführten Sabotage- und Spionagetätigkeiten in Deutschland sollte jedem klar sein, dass Moskau nicht nur der freundliche Lieferant billiger Energie war und ist.
Iran als Gefahr für Europa - das dämmert auch der Politik langsam
Dass die Aktivitäten des iranischen Regimes weltweit genauso eine Bedrohung darstellen, auch für Europa, dämmert so langsam den politisch Handelnden in Berlin und Brüssel. Endlich, so möchte man ausrufen, gibt es Konsequenzen, die über Symbolik hinausgehen!
So gaben vor einigen Tagen die E3-Staaten (Deutschland, Großbritannien und Frankreich) bekannt, Sanktionen gegen die staatliche Fluglinie Iran Air und eine Aussetzung der Luftverkehrsabkommen mit dem Iran anzustreben, weil der Iran im großen Stil Raketen und Drohnen für Russlands Krieg gegen die Ukraine zumeist über die Drehscheibe Armenien liefere.
Indes hätte man schon lange wissen können, dass die Islamische Republik Staatsterrorismus praktiziert. Ein solcher Staat kann auch kein Partner im Kampf gegen den Dschihadismus sein.
Denn wer Raketen und Drohnen an Russland liefert und im Nahen Osten die Hisbollah und die Hamas aufrüstet, ist kein Garant für Stabilität und Sicherheit, im Gegenteil.
Brüssel hat sich zu EU-Sanktionen durchgerungen
Dennoch hat die europäische Politik die versuchten iranischen Anschläge auf jüdische Einrichtungen, auf israelische Botschaften oder auf andere europäische Ziele, bislang weitgehend ignoriert und damit bagatellisiert.
Die iranischen Revolutionsgarden waren von Juni 2018 bis Juni 2024 für mindestens elf Anschlagsversuche in Europa verantwortlich, die zumeist gegen jüdische und oder israelische Ziele gerichtet waren, wie Peter R. Neumann in seinem jetzt erschienenen Buch „Die Rückkehr des Terrors“ herausgearbeitet hat.
Daran wird deutlich, dass der Iran Europa unverändert als eines der Schlachtfelder seiner Auseinandersetzung mit Israel und dem Westen begreift, und das sogar mithilfe der Organisierten Kriminalität.
Zwar hat sich Brüssel zu EU-Sanktionen durchgerungen. Doch die haben wenig ausgerichtet. Die europäischen Warnungen an die Adresse Teherans, sie sind häufig hohl. Davon lässt sich das Regime nicht beeindrucken, und jeder weiß das.
Bisherige europäische Iran-Politik ist ineffektiv
Es ist nicht nur mangelnde Entschlossenheit, die die Iran-Politik der EU-Staaten charakterisiert. Hinzu kommt eine fehlgeleitete Symbolik.
Wie konnte es sein, dass der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der in Kürze zur Erleichterung vieler aus dem Amt scheiden wird, einen hohen Vertreter seines Europäischen Auswärtigen Dienstes nach Teheran schickte, um der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten, der nun wirklich kein „Reformer“ ist, beizuwohnen?
Und wie konnte dieser Gesandte, der Spanier Enrique Mora, auch noch auf einem Gruppenfoto gemeinsam mit den Chefs von Hamas, Taliban und anderen Terrorgruppen auf einem Gruppenfoto posieren?
Hinzu kommt: Die bisherige europäische Iran-Politik ist nicht nur ineffektiv, sie ist auch sehr löchrig. Ein Beispiel: Am 9. September traf Margaritis Schinas, noch amtierender Vizepräsident der Europäischen Kommission, zu Gesprächen in Armenien ein, um dort über Visa-Erleichterungen zu reden. Schinas traf mit dem armenischen Premierminister Nikol Paschinjan zusammen.
Der erklärte, Armenien ziehe die Möglichkeit eines EU-Beitritts in Betracht. Schinas brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, im Rahmen eines Dialogs armenischen Staatsbürgern einfachere Einreisen in die EU zu ermöglichen.
Auch der Iran mischt in Armenien munter mit
Eine Entwicklung Armeniens hin zur EU, hin zum Westen und weg von Russland und Iran wäre natürlich grundsätzlich begrüßenswert. Doch ist sie auch ernst gemeint? Oder steckt eine ganz andere Motivation dahinter? Für Letzteres sprechen einige Indizien.
Armenien ist ein Land, das nach wie vor von Russland abhängig ist. Immer noch hat Moskau Soldaten und Grenzschützer auf armenischem Territorium stationiert. Immer noch muss Jerewan Rücksichten auf den nördlichen Nachbarn nehmen, der das Land politisch, militärisch und wirtschaftlich kontrolliert.
Jüngst zog die armenische Regierung ihre Unterschrift unter der Erklärung des Europarates zum Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin zurück. Dabei hat Armenien das Römische Statut des IStGH erst Oktober 2023 ratifiziert und ist mit dessen Inkrafttreten am 8. Februar dieses Jahres entsprechende rechtliche Verpflichtungen eingegangen.
Auch der Iran mischt in Armenien munter mit. Jüngst gab sein Botschafter Mehdi Sobhani dort bekannt, dass die Islamische Republik eine Zusammenarbeit mit Armenien im Wert von rund 3 Milliarden Euro plane.
Unter den EU-Mitgliedern herrscht weiter Uneinigkeit
Sobhani ist kein Unbekannter. Zuvor war er Irans Botschafter in Syrien. Üblicherweise handelt es sich bei Teherans Vertretern in Damaskus nicht um klassische Diplomaten, sondern um Offiziere der Revolutionsgarden (IRGC), die in Syrien die Aktivitäten Teherans mit der Hisbollah und dem Assad-Regime koordinieren.
Mit der Entsendung Sobhanis in die armenische Hauptstadt verfolgen die Revolutionsgarden ein klares strategisches Ziel. Zur Erinnerung: Die IRGC wird von den USA, Kanada und anderen Staaten als terroristische Organisation eingestuft; auch in der EU wird die Terrorlistung seit einiger Zeit diskutiert.
Selbst Deutschland fordert inzwischen, die Garde auf die EU-Terrorliste zu setzen, doch ob der akuten Bedrohung durch Teherans terroristischen Arm herrscht unter den EU-Mitgliedern aus falscher Rücksicht auf das ohnehin doch gescheiterte Atomabkommen mit dem Iran weiter Uneinigkeit.
Warum aber misst die IRGC Armenien eine so hohe Bedeutung bei? Ein Grund dürfte sein, dass der Iran das Land seit langem als Transitland für den Verkauf seiner Waffen und für die Beschaffung von sanktioniertem Material nutzt.
Heimliches Waffengeschäft zwischen Armenien und Iran
Israelischen Quellen zufolge wurde die armenische Fluggesellschaft Flight Travel 2018 als Front für die vom IRGC kontrollierte Mahan Air gegründet.
Das US-Finanzministerium belegte Flight Travel mit Sanktionen, weil sie Mahan Air dabei geholfen hatte, schiitische Milizionäre aus Pakistan und Afghanistan nach Syrien zu bringen. Es wird vermutet, dass die Flugzeuge nicht nur Soldaten, sondern auch militärische Ausrüstung und Waffen transportierten.
Ende Juli dieses Jahres enthüllte die Nachrichtenseite „Iran International“, dass zwischen Armenien und dem Iran heimlich ein Waffengeschäft im Wert von einer halben Milliarde Dollar unterzeichnet worden sei. Demnach will Teheran Armenien mit Drohnen, wie sie auch Russland gegen die Ukraine einsetzt, sowie mit Flugabwehrraketensystemen beliefern.
Angesichts der Tatsache, dass das armenische Verteidigungsbudget sich auf nur rund 1,3 Milliarden Euro beläuft, wäre ein solcher Deal mit dem Iran also signifikant.
Man kann sich denken, dass Eriwan im Gegenzug Konzessionen an Teheran machen muss. Denkbar wären zum Beispiel engere militärischen Beziehungen und der Einrichtung von iranischen Stützpunkten auf armenischem Territorium.
Für Paris und die EU ist der wachsende iranische Einfluss problematisch
Das ist besonders pikant, nachdem Armenien seit 2023 auch ein Sicherheitsabkommen mit Frankreich unterhält. Paris fungiert dabei als Schutzmacht und Lieferant von Militärgütern für Armenien, das im gleichen Jahr eine Niederlage gegen den Nachbarn Aserbaidschan im Konflikt um Berg-Karabach erlitten hatte und vom einstigen Bündnispartner Russland im Stich gelassen wurde.
Für Paris und die EU ist der wachsende iranische Einfluss auf Armenien höchst problematisch, zumal durch die Militärkooperation mit Frankreich russische und iranische Geheimdienste Zugang zu französischen Waffen in Armenien erhalten könnten, die ebenfalls von der Ukraine im Verteidigungskampf gegen Russland eingesetzt werden. Die enger werdenden Beziehungen zum Iran stellen auch an anderer Stelle ein Risiko dar:
Berichten zufolge sind Agenten des IRGC seit mehr als 20 Jahren schon in Armenien aktiv. Die armenische Staatsbürgerschaft kann relativ einfach, nach drei Jahren legalem Aufenthalt im Land, erworben werden.
Naivität ist fehl am Platz
Ist sich die EU bewusst, welchen Schaden eine mögliche Aufhebung der Visapflicht für Armenien in einer solchen Lage anrichten kann? Ist es klug, angesichts des aktuellen Konflikts mit Russland und dem Iran ausgerechnet jetzt die Annäherung an Armenien zu betreiben?
Sicher, Diplomatie ist ein wichtiger Baustein in der Suche nach Partnern im Kampf gegen den Terror. Aber Naivität ist gerade gegenüber Russland und dem Iran wirklich fehl am Platz, sie ist inzwischen zu einem ernsthaften Sicherheitsrisiko geworden.